Jüdische Kulturtage

Von Kurt Weill bis Pop-up-Bakery

Zum Anbeißen: Gebäck aus der Pop-up-Bakery Foto: Michael Faust

Was in New York selbstverständlich sein mag, ist hierzulande eine Leerstelle. »Es gibt 450 deutsche Brotsorten, aber wir haben keine Bagels und keine Challa«, sagt Badia Ouahi. Die Frankfurter Gastronomin hat die Küche des von ihr geleiteten Cafés für einen besonderen Gast kaschern lassen. Die in Berlin lebende gebürtige Amerikanerin Laurel Kratochvila richtet im »Badias Schirn Café« eine koschere Bäckerei ein. Unter Aufsicht des Frankfurter Rabbinats werden dort bis zum 17. November New-York-Style-Bagels und Challot gebacken.

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Für das Schabbatbrot werde sogar ein Lieferservice eingerichtet. Die koschere Pop-up-Bäckerei inmitten der Frankfurter Altstadt ist ein Teil der alle zwei Jahre stattfindenden Jüdischen Kulturwochen. Aber auch Kunst, Tanz und Film, Geschichte, Religion und Literatur kommen während des dreiwöchigen Festivals nicht zu kurz.

Gespräch »Das Programm zeigt, dass die jüdische Kultur sehr tief in der Stadt verwurzelt ist«, sagt Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann. In den Kulturwochen sieht der SPD-Politiker »eine sehr charmante, aber auch offensiv gemeinte Einladung, ins Gespräch zu kommen«.

»Wir stehen unter dem Eindruck dessen, was in Halle passiert ist«, sagt Marc Grünbaum, Vorstandsmitglied und Kulturdezernent der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Mit den Kulturwochen möchte die Gemeinde ein Zeichen setzen, »dass wir uns nicht zurückziehen«. »Wir wollen ein lebendiges, fröhliches, selbstbewusstes Judentum zeigen.« So finden auch diesmal viele Veranstaltungen im gesamten Stadtgebiet statt.

Geschichte In der »Villa 102« der KfW Bank diskutieren am 5. November Elisa Klapheck, Rabbinerin des Egalitären Minjan, und Leon Joskowitz über Religion und gesellschaftliche Verantwortung. Die jüdische Geschichte der um 1913 erbauten, später »arisierten« großbürgerlichen Villa steht im Fokus einer Führung am 6. November.

Wie erlebten Juden in Ost- und West­europa den Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren? Darüber sprechen am 13. November in der Bildungsstätte Anne Frank der Berliner Autor Wladimir Kaminer und Rachel Heuberger, Leiterin der Hebraica- und Judaica-Abteilung der Frankfurter Universitätsbibliothek.

Für zugewanderte Gemeindemitglieder dürfte die russischsprachige Führung durch die Ausstellung der amerikanischen Malerin Lee Krasner in der Schirn Kunsthalle von Interesse sein. Sie wird am 7. November angeboten.

Hilsenrath Auch das Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum beherbergt einige Veranstaltungen. Die Schauspielerin Katja Riemann gestaltet dort am 11. November einen musikalisch-literarischen Abend mit Werken von Kurt Weill und Edgar Hilsenrath. Das Gedenken an die Pogrome des 9. November 1938 nimmt eine bedeutende Rolle im Programm ein.

Am 10. November gewährt die Cellistin und Auschwitz-Überlebende Anita Lasker-Wallfisch zusammen mit ihren Kindern sowie Enkel und Nichte Einblicke in die Geschichte ihrer aus Breslau stammenden Familie. Briefe, Fotografien und Musikstücke werden im Gemeindezentrum zu hören und zu sehen sein.

Wie das Gedenken an die Schoa in einer Zeit ohne Zeitzeugen weitergehen könnte, zeigt das Projekt »Dimensions of Testimony« der USC Shoah Foundation. Die von Steven Spielberg gegründete Stiftung hat interaktive Interviews mit Überlebenden aufgezeichnet. Mithilfe automatischer Spracherkennung können Besucher Fragen an die (virtuellen) Zeitzeugen stellen, die in Echtzeit beantwortet werden. Im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum steht vom 7. bis 15. November Anita Lasker-Wallfischs interaktives Interview zur Verfügung.

Am Abend des 9. November gehen in der Frankfurter Innenstadt die Lichter aus. Zwischen 18 und 19 Uhr wird die Straßen- und Fassadenbeleuchtung gelöscht. Die Intervention der Künstlerin Tatiana Lecomte soll, so Marc Grünbaum, »die Abwesenheit von Licht darstellen«. Er sieht darin einen »Kontrapunkt zu diesen Flammen des Unrechts«.

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