Bufdis

Von Hausmeister bis Sozialarbeiter

Vor allem ältere Gemeindemitglieder kümmern sich als Bufdis um Senioren in den Gemeinden. Foto: Getty Images

Unverzichtbar sind sie mittlerweile vielerorts, die Menschen, die sich im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes engagieren. Auch in den jüdischen Gemeinden, für die die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) der Anlaufpunkt für die sogenannten Bufdis ist. Von allen Zentralstellen ist die ZWST die mit dem höchsten Prozentsatz an Zugewanderten und dem höchsten Altersschnitt der Freiwilligen.

»Die Bufdis sind für uns eine große Hilfe«, sagt Valentina Shekun, Sozialarbeiterin in der Gemeinde Recklinghausen. »Sie begleiten zum Beispiel die Senioren und Seniorinnen zu Arztterminen, zu den Ämtern, helfen beim Einkaufen.« Die meisten sprechen Russisch, berichtet sie weiter, »und das ist für unsere Älteren natürlich sehr wichtig, dass jemand auch als Übersetzer fungieren kann«.

Bewerbungen Aufwendig nach Freiwilligen gesucht werden muss nicht, »die Leute rufen an oder fragen hier vor Ort in der Gemeinde nach«. Man kennt sich, sagt Valentina Shekun, »Recklinghausen ist eine kleine Stadt, manche sind zuvor ohnehin schon ehrenamtlich in der Gemeinde tätig gewesen«.

Im Moment hat die Gemeinde vier Bufdis, ab 1. Februar werden es fünf sein, »sechs könnten wir beschäftigen«. Um junge Leute, die den Bundesfreiwilligendienst als Chance zur Orientierung oder zum Hineinschnuppern in ein mögliches Sozialarbeits-Studium sehen, handelt es sich bei ihnen aber nicht, »sie sind meistens schon älter – für junge Menschen ist das wohl nicht so interessant«, meint die Sozialarbeiterin.

Ohne die Freiwilligen sei alles schwieriger, betont Valentina Shekun, »gerade jetzt während der Pandemie, wo unsere Älteren sich oft nicht trauen, in die Gemeinde zu kommen, und deswegen jemand zu ihnen fahren muss«. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass die Bufdis bisher alle sehr engagiert gewesen seien, »wir haben noch nie einen Vertrag vorzeitig auflösen müssen«.

Die meisten Gemeinden würden gern noch mehr Bufdis einstellen.

Auch bei der Jüdischen Gemeinde in Essen ist man sehr zufrieden mit der Möglichkeit, Bufdis zu beschäftigen. »Im Moment haben wir fünf und möchten noch jemanden einstellen«, sagt Sozialarbeiterin Galina Tschertes. Die Einsatzmöglichkeiten seien ganz unterschiedlich, berichtet sie, manche helfen auf dem Friedhof, andere bei der Seniorenbetreuung, »vor allem Letzteres ist sehr wichtig. Jetzt in Corona-Zeiten brauchen alte Menschen Ansprache und Besuche«.

Reparaturhilfe Vor einiger Zeit habe es sogar einen Bufdi gegeben, der einen ganz besonderen Dienst anbot. »Auf Russisch heißt das ›Ehemann für eine Stunde‹«, sagt Galina Tschertes und lacht, »so wird jemand bezeichnet, der kleine Reparaturen im Haushalt ausführt. Für viele Leute, die allein leben und nicht mehr so gut zurechtkommen, war es eine große Hilfe, dass sich jemand um solche Arbeiten kümmert.« Und da sei es schon schade, dass der Freiwilligendienst nur zeitlich begrenzt möglich sei.

Die Helfer werden dort eingesetzt, wo sie sich am besten auskennen.


»Manchmal suchen wir, manchmal kommen sie von selbst – und meistens finden sich die Bufdis über Mundpropaganda«, sagt Maria Schubert, die in der Verwaltung der Magdeburger Gemeinde arbeitet. Derzeit beschäftigt die Gemeinde sechs Bundesfreiwillige, aber einer sei zum 1. Februar ausgeschieden.

Erfahrungen Die Einsatzfelder sind auch in Magdeburg recht unterschiedlich, manche helfen im Sozialbereich, andere übernehmen Hausmeisterdienste, wieder andere sind mit Arbeiten auf dem Friedhof beschäftigt. »Wir haben in der ganzen Zeit keine gravierend schlechten Erfahrungen gemacht«, berichtet Maria Schubert, im Gegenteil: »Ohne die Bufdis wäre vieles schwieriger«, betont sie.

Sieben Bufdi-Stellen hat die Jüdische Gemeinde in Rostock. »Einlassdienst, Pflege des Friedhofs, Begleitung von Gemeindemitgliedern zu Terminen – die Bundesfreiwilligen werden bei uns in verschiedenen Bereichen eingesetzt«, sagt der Gemeindevorsitzende Juri Rosov. Und zwar dort, wo es für ihn oder sie passt, »nicht jeder kann gut in der Sozialabteilung arbeiten, nicht jeder ist handwerklich geschickt«.

Die meisten Freiwilligen sind schon etwas ältere Gemeindemitglieder, die jungen Leute sind mit ihrer Ausbildung beschäftigt.

Die Bufdis sind »Gemeindemitglieder oder Assoziierte und schon älter, denn die jungen Leute haben nicht viel Interesse an dem Bundesfreiwilligendienst, sie sind ja auch oft mit Studium und Ausbildung voll ausgelastet«.

Als es noch den Zivildienst gab, beschäftigte die Rostocker Gemeinde keine Zivis, weiß Juri Rosov. »Ich habe aber deren Arbeit bei anderen Gelegenheiten mitbekommen und weiß, dass es meistens engagierte Menschen waren.« Als sich die Möglichkeit bot, Bufdis einzustellen, »waren wir fast sofort dabei«, sagt er, »wir sind sehr zufrieden damit, es hilft unserer Gemeinde sehr, und für die Bufdis selbst ist es eine gute Beschäftigung«.

Außerdem kann Rosov eine Erfolgsgeschichte erzählen, denn einer der Bundesfreiwilligen hat »nun bei uns einen richtigen Arbeitsvertrag als Hausmeister erhalten«. Es sei schade, dass die Gemeinde nicht die finanziellen Möglichkeiten habe, noch mehr Bufdis nach Ablauf der Freiwilligenzeit einzustellen. »Wenn wir alles Geld der Welt hätten und die Leute fest einstellen könnten, das wäre ein Traum«, sagt er.

Ostsee Die Zentralwohlfahrtsstelle ist übergeordnet zuständig für die Bufdis in den Gemeinden, sie richtet auch die Seminare aus, an denen alle teilnehmen müssen. Zweimal im Jahr finden solche Seminare in Rostock statt, was dem Vorsitzenden sehr gefällt. »Sie sind für uns schon eine richtige Tradition geworden. Durch diese Seminare haben die Leute auch mal die Möglichkeit, unsere Gemeinde kennenzulernen – und im Frühjahr und Herbst an die Ostsee zu kommen.«

Das Programm der Seminare sei sehr interessant, vor der Pandemie kamen regelmäßig bis zu 60 Teilnehmer zusammen. »Jetzt geht das natürlich nicht mehr in diesem Umfang«, bedauert Juri Rosov, »aber irgendwann wird Corona ja hoffentlich vorbei sein.«

Justiz

Anklage wegen Hausverbots für Juden in Flensburg erhoben

Ein Ladeninhaber in Flensburg soll mit einem Aushang zum Hass gegen jüdische Menschen aufgestachelt haben. Ein Schild in seinem Schaufenster enthielt den Satz »Juden haben hier Hausverbot«

 12.11.2025

Interview

»Niemand hat Jason Stanley von der Bühne gejagt«

Benjamin Graumann, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, weist die Vorwürfe des amerikanischen Philosophen zurück und beschuldigt ihn, Unwahrheiten über den Abend in der Synagoge zu verbreiten

von Michael Thaidigsmann  12.11.2025

Hessen

Margot Friedländer erhält posthum die Wilhelm-Leuschner-Medaille

Die Zeitzeugin Margot Friedländer erhält posthum die höchste Auszeichnung des Landes Hessen. Sie war eine der wichtigsten Stimme in der deutschen Erinnerungskultur

 12.11.2025

Berlin

Touro University vergibt erstmals »Seid Menschen«-Stipendium

Die Touro University Berlin erinnert mit einem neu geschaffenen Stipendium an die Schoa-Überlebende Margot Friedländer

 12.11.2025

Jubiläum

»Eine Zierde der Stadt«: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in Berlin eröffnet

Es ist einer der wichtigsten Orte jüdischen Lebens in Deutschland: Vor 30 Jahren wurde das Centrum Judaicum in der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin eingeweiht. Am Dienstag würdigt dies ein Festakt

von Gregor Krumpholz, Nina Schmedding  11.11.2025

Vertrag

Jüdische Gemeinde Frankfurt erhält mehr Gelder

Die Zuwendungen durch die Mainmetropole sollen bis 2031 auf 8,2 Millionen Euro steigen

von Ralf Balke  11.11.2025

Berlin

Ein streitbarer Intellektueller

Der Erziehungswissenschaftler, Philosoph und Publizist Micha Brumlik ist im Alter von 78 Jahren gestorben. Ein persönlicher Nachruf

von Julius H. Schoeps  11.11.2025

Hannover

Ministerium erinnert an 1938 zerstörte Synagoge

Die 1938 zerstörte Neue Synagoge war einst mit 1.100 Plätzen das Zentrum des jüdischen Lebens in Hannover. Heute befindet sich an dem Ort das niedersächsische Wissenschaftsministerium, das nun mit Stelen an die Geschichte des Ortes erinnert

 10.11.2025

Chidon Hatanach

»Wie schreibt man noch mal ›Kikayon‹?«

Keren Lisowski hat die deutsche Runde des Bibelquiz gewonnen. Jetzt träumt sie vom Finale in Israel

von Mascha Malburg  10.11.2025