Ordination

Vom Seminar in die Gemeinden

Die Tage von Rabbiner Nehorai Daus sind ausgefüllt. Er könnte mehr als 24 Stunden brauchen, um alle seine Aktivitäten unterzubringen. Während der Woche unterrichtet er als Religionslehrer an der Lauder Beth-Zion Schule, dann ist er seit einiger Zeit dabei, die sefardische Synagoge Or Zion in der Joachimsthaler Straße wieder zu aktivieren, und zu Hause möchte er Zeit mit seinen drei kleinen Kindern und seiner Frau verbringen.

Nebenbei engagiert er sich in mehreren Gemeinden in Berlin als Lehrer und Rabbiner für Kinder und Jugendliche. Sein Vater, Rabbiner und Kantor Abraham Daus, kam vor Jahrzehnten nach Berlin, um das jüdische Leben mit aufzubauen. »Das hat mich so geprägt, dass für mich als Kind schon feststand, dass ich Rabbiner werden möchte«, erzählt er.

Berufsleben Am Montag wird es für ihn, vier weitere Rabbiner und einen Kantor amtlich: Das Rabbinerseminar zu Berlin ordiniert fünf Absolventen der Jahrgänge 2019 bis 2022. Zusätzlich verabschiedet das Institut für Traditionelle Jüdische Liturgie, das ebenfalls zum Rabbinerseminar gehört, einen Kantor ins Berufsleben. Zum Festakt in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hannover werden neben Frank-Walter Steinmeier auch Julia Hamburg, stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes Niedersachsen, Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, sowie Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erwartet.

Nehorai Daus wurde 1994 in Berlin geboren. »Wir sind zwölf Geschwister. Sechs von uns leben in Israel, die anderen in Berlin«, sagt er. Er besuchte erst die Heinz-Galinski-Schule, wechselte aber nach einigen Jahren an die Talmud-Tora-Schule »Zemach David« in Frankreich. Anschließend begann er sein Torastudium an der Jeschiwa »Ohr Yosef«, ebenfalls in Frankreich, und der Jeschiwa Gedola »Rechasim« in Israel.

Nach seiner Hochzeit kam er zurück nach Berlin und entschied sich, am Rabbinerseminar weiterzulernen. Die meiste Zeit des Tages verbringe er an der von der Ronald S. Lauder Stiftung getragenen Schule, aber abends nehme er sich auch die Zeit, mit Schülern zu lernen, sagt er. Und natürlich plant er die Gottesdienste in der Sefardischen Synagoge ein, die mehrmals wöchentlich stattfinden. »Zeit für Hobbys habe ich nicht.«

Dialog Rabbiner Mendel Itkin kennt sich mittlerweile sehr gut aus in Berlin, da er viel herumkommt in der Stadt. Denn der 33-Jährige engagiert sich beim Verein »Meet2respect« und steht etwa dreimal in der Woche zusammen mit einem Imam vor Schülern, um die Religionen vorzustellen. Dieser interreligiöse Dialog wird vom Berliner Senat unterstützt. »Vor Schülern der vierten bis zur 13. Klasse agieren wir«, sagt er.

In seinen Podcasts stellt Mendel Itkin den Talmud vor und berichtet über jüdische Geschichte.

Als Siebenjähriger kam Mendel Itkin mit seiner Familie aus der Ukraine nach Hannover. Dass er Jude ist, wusste er, aber religiös aufgewachsen sei er nicht, erzählt er. In der Schule habe er angefangen, sich für Philosophie zu interessieren, und irgendwann entdeckte er den jüdischen Philosophen Maimonides – der ihn motivierte, sich mit dem Judentum zu beschäftigen.

Nach dem Abitur zog er nach Berlin, ging in die Jeschiwa, die Talmudschule in der Brunnenstraße, studierte Judaistik und Islamwissenschaften an der FU Berlin und begann dann die Ausbildung am Rabbinerseminar, die er bereits 2021 abgeschlossen hat. Ferner wird er den Polizeirabbiner in Sachsen-Anhalt, Rabbiner Daniel Fabian, unterstützen. Itkin ist Mitautor der Website www.talmud.de. Außerdem führte er mehrere Projekte zur Digitalisierung jüdisch-deutscher Schriften durch, darunter Talmud und Mischna für die digitale jüdische Bibliothek »Sefaria«.

In seinen Podcasts, die er regelmäßig publiziert, stellt der Vater eines fünfjährigen Kindes beispielsweise den Talmud vor, berichtet über historische Ereignisse oder über die jüdische Geschichte. Wenn er freihabe, übersetzt er auch gerne. »Es gibt viel zu lesen.«

Das Rabbinerseminar zu Berlin ordiniert alle zwei Jahre zwei oder drei Rabbiner.

Nach Kiel zieht es Rabbiner Meir Yisroel Myropolskyy regelmäßig, denn in der dortigen Jüdischen Gemeinde amtiert er seit Jahren. 1988 wurde er in Dnjepropetrowsk, Ukraine, geboren und machte sein Abitur am Jüdischen Gymnasium Moses Mendelssohn in Berlin. Seine Vorbereitung zur Rabbinatsausbildung erfolgte an den Jeschiwot Mir in Jerusalem und Lauder Beth-Zion in Berlin. 2017 nahm er schließlich das Studium auf.

studium Bereits vor drei Jahren hat Shimshon Pushenco das Studium am Rabbinerseminar abgeschlossen und amtiert als Assistenzrabbiner in der Synagogen-Gemeinde Köln.

1979 wurde er in Moldawien geboren, erlangte das Abitur in Krasnoyarsk in Russland und lebt seit 2002 in Deutschland. Hier studierte er zunächst Mathematik an der Technischen Universität Berlin und bereitete sich danach an der Jeschiwa Beth-Zion auf die Ausbildung am Rabbinerseminar vor. Shimshon hat im Jahre 2014 das Studium aufgenommen.

In sein Heimatland zog es Rabbiner Bryan Baruch Weisz wieder zurück. Seit September 2022 amtiert er als Rabbiner der Catford & Bromley United Synagogue. 1980 wurde er in Shoreham, England, geboren. Nach ersten Lernerfahrungen an der Jeschiwa »Aish HaTorah« in Jerusalem und an der School of Jewish Studies in London studierte er zunächst Illustration an der Westminster University und danach Animation am College of Art and Design in London und schloss mit einem Master sowie Lehrdiplom in Englisch ab. Von 2015 bis 2021 studierte er am Rabbinerseminar.

Kantor Als Sohn eines Holocaust-Überlebenden aus Lodz im heutigen Polen wurde Benjamin Maroko in Frankfurt am Main geboren. Mit 13 Jahren wanderte er nach Israel aus, dort absolvierte er in Hochschulen für den Talmud sein Studium. Er lebte unter anderem in Rischon LeZion, Bnei Brak und in Jerusalem. Im Jahr 2009 kehrte er im Alter von 25 Jahren nach Frankfurt zurück. Im Jahr 2017 begann er sein Studium am Institut für jüdische Liturgie in Leipzig. Seitdem ist Benjamin Maroko Vorbeter in mehreren jüdischen Gemeinden in Deutschland und Kantor der jüdischen Gemeinde Darmstadt.

Das Rabbinerseminar zu Berlin ordiniert alle zwei Jahre zwei oder drei Rabbiner. Aufgrund der Pandemie fiel dies in den letzten beiden Jahren aus, sodass nun drei Jahrgänge gemeinsam ins Berufsleben starten. Seit der Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit konnten 21 orthodoxe Rabbiner in jüdische Gemeinden in Deutschland und auch ins Ausland entsandt werden.

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