Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Aufgeregt, aber auch sehr gespannt: Jana Kelerman blickt mit Vorfreude auf das Treffen im Schloss Bellevue. Foto: privat

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025 09:24 Uhr

Frau Kelerman, Sie werden am Freitag beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue mit dabei sein. Was bedeutet Ihnen dieser Tag?
Ich bin ein wenig aufgeregt, aber auch sehr gespannt. Ich wurde vom Land Baden-Württemberg vorgeschlagen, und jetzt habe ich die Ehre, am Neujahrsempfang teilzunehmen.

Aus welchem Grund sind Sie eingeladen?
Ich bin Präsidentin vom Bund jüdischer Studierender Baden (BJSB), bin Inklusionsbeauftragte der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD), engagiere mich in verschiedenen Organisationen im Kampf gegen Antisemitismus und setze mich für Inklusion ein.

Beim Neujahrsempfang werden bei der Begrüßung immer kurz ein paar Worte gewechselt: Wissen Sie schon, was Sie dem Bundespräsidenten und seiner Frau sagen werden?
Es gibt viele Bereiche, die mir am Herzen liegen, daher habe ich mich noch nicht vollständig festgelegt. Fest steht, dass ich mich auf jeden Fall für die Einladung bedanken möchte.

Welches Thema läge Ihnen am Herzen?
Ich habe zwei Steckenpferde: zum einen den Kampf gegen Antisemitismus und zum anderen den Einsatz für Inklusion, insbesondere für die Barrierefreiheit. Mir ist wichtig, Menschen mit Behinderungen zu helfen, da ich aufgrund meiner eigenen Behinderung weiß, wie es ist, sich mit verschiedenen Barrieren auseinanderzusetzen. Ich bin von Geburt an sehbehindert, das heißt, links bin ich blind, rechts habe ich 20 Prozent Sehkraft mit Tunnelblick und Nachtblindheit. Im Dunkeln benutze ich meinen Langstock. Ich weiß daher aus eigener Erfahrung, wie wichtig Barrierefreiheit ist. Was den Antisemitismus angeht, wissen wir allerspätestens seit dem 7. Oktober 2023, wie wichtig die Aufklärungsarbeit im Kampf gegen Judenhass ist.

Als Inklusionsbeauftragte: Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft?
Vor allem Verständnis. Vielleicht auch, dass Menschen lernen, sich in andere hineinzuversetzen. Ich könnte sehr viele Beispiele aufzählen, wo die Barrierefreiheit noch kleingeschrieben wird – denken wir nur an Bahnhöfe. Meine Hauptaufgaben als Inklusionsbeauftragte der JSUD bestehen aktuell darin, jüdische Veranstaltungen barrierefrei zu gestalten und ein Sprachrohr für jüdische Studierende mit einer Einschränkung zu sein. Mein Slogan ist: Es geht alles – nur anders.

Sie sind seit der Gründung der Jüdischen Studierendenunion bei der JSUD aktiv, sitzen im Expertenkreis gegen Antisemitismus in Baden-Württemberg und engagieren sich bei »Meet a Jew«: Wie hat denn alles angefangen?
Das ist eine etwas lange, aber auch eine spannende Geschichte. Ich versuche, mich kurzzufassen. Alles hat mit einem Telefonat mit meinem Vater Anfang 2016 angefangen. Er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, an Purim in die Gemeinde zu gehen. Da ich schon sehr viele Jahre nicht mehr in der Jüdischen Gemeinde Lörrach war, sagte ich zu. Bei der Feier warf ich einen Blick auf die Infotafel. Mein Blick fiel sofort auf das Plakat von Taglit, eine Organisation, die jungen Juden eine kostenlose Israel-Reise ermöglicht.

Wie hat Sie diese Reise verändert?
Zum ersten Mal lernte ich jüdische Jugendliche in meinem Alter kennen. Durch diese Reise ist mir bewusst geworden, dass ich mich im jüdischen Leben engagieren möchte – ich spürte, dass mir etwas fehlte. Der Rabbiner in meiner Gemeinde bot mir den Job als Jugendzentrumsleiterin an, den ich dankend annahm. Im Februar 2017 fuhr ich mit meinen Jugendzentrumskindern nach Karlsruhe zur Jewrovision. Beim Betreten der Eingangshalle konnte ich mein Staunen kaum verbergen.

Inwiefern?
Ich habe noch nie so viele Jüdinnen und Juden auf einen Fleck gesehen. Im Willkommenspaket habe ich einen Flyer für den Jugendkongress gefunden. Auch auf dieser Veranstaltung kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Auf diesem Jugendkongress wurde der erste Vorstand der JSUD gewählt. Auf dem Machane 18+ hat die JSUD-Präsidentin ihre Arbeit vorgestellt, woraufhin ich mich sofort für das Religionsreferat angemeldet habe. Ich weiß noch, dass ich mich beklagt habe, dass es keine jüdischen Studierendenangebote in meiner Region gäbe. Sie erzählte mir, dass in Freiburg eine Hillel-Gruppe existierte, zu der sie mich hinzufügen könnte. Zwei Monate später nahm ich an einem der Treffen teil und lernte jüdische Studierende aus Freiburg kennen. Diese Gruppe wurde nach etwa zwei Jahren durch »Morasha Freiburg« ersetzt, wo ich bis 2021 eine der Leitungen übernommen habe. In dieser Zeit wurde ich von der JSUD zur Inklusionsbeauftragten ernannt und engagierte mich in verschiedenen Projekten. Seit 2022 bin ich im Vorstand des BJSB und seit März 2023 Präsidentin. Heute engagiere ich mich in etwa sechs bis neun
Organisationen.

Was ist jüdischen Studierenden wichtig?
Zuallererst, dass sie keine Angst haben, auf ihren eigenen Campus, ihre Ausbildungsstätte oder ihre Arbeitsstelle zu gehen. Jeder sollte das Recht haben, ohne Angst zu lernen oder zu arbeiten. An der Universität in Freiburg zum Beispiel hatten wir sehr viele Gespräche geführt – leider ohne größeren Erfolg. Als kleines »Entgegenkommen« organisierte die Unileitung eine Veranstaltungsreihe »Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus«. Es scheint, als ob es an Universitäten etwas ruhiger geworden wäre, aber das ist nicht der Fall.

Auch in diesem Jahr findet ein Jugendkongress statt: Wie blicken Sie auf das Treffen?
Ich freue mich schon sehr darauf. Es wird mein siebter Jugendkongress sein. Ich habe bis jetzt drei Ankündigungen auf Ins­tagram gesehen. Ich freue mich sehr, Igor Levit zu begegnen. Ich habe ihn vor Jahren das erste Mal in der Sendung »Aspekte« gesehen. Ich komme selbst väterlicherseits aus einer Musikerfamilie – mein Vater ist Klavierlehrer und Konzertpianist, und wir hatten viele Musiker in der Familie. Deswegen freue ich mich besonders darauf, Igor Levit zu hören, viele neue Perspektiven kennenzulernen und natürlich meine Freunde wiederzutreffen.

Mit der Studentin und Sachbearbeiterin sprach Katrin Richter.

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Hanau

Rabbiner antisemitisch beleidigt

Für die Gemeinde ist die Pöbel-Attacke kein Einzelfall

 25.11.2025

Jüdische Kulturtage

Musikfestival folgt Spuren jüdischen Lebens

Nach dem Festival-Eröffnungskonzert »Stimmen aus Theresienstadt« am 14. Dezember im Seebad Heringsdorf folgen weitere Konzerte in Berlin, Essen und Chemnitz

 25.11.2025

Digitales Gedenken

App soll alle Stolpersteine Deutschlands erfassen

Nach dem Start in Schleswig-Holstein soll eine App in Zukunft alle Stolpersteine in Deutschland erfassen. In der App können Biografien der Opfer abgerufen werden

 24.11.2025

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025