Universität

Vermittler zwischen den Welten

Irene Miziritska Foto: Privat

Universität

Vermittler zwischen den Welten

Vor 100 Jahren wurde Ernst Ludwig Ehrlich geboren. Würdigung einer ELES-Stipendiatin

von Irene Miziritska  26.03.2021 13:55 Uhr

Zwei Juden, drei Meinungen – für Ernst Ludwig Ehrlich war das nie ein Problem. Ganz im Gegenteil: Er schätzte, förderte und forderte die Pluralität in der jüdischen Gemeinschaft. In diesen Tagen nun feiern und erinnern wir ELES-Stipendiaten an unseren Namensgeber. Denn am 27. März, also fast auf den Tag genau vor 100 Jahren, wurde Ernst Ludwig Ehrlich geboren.

Das Leben des in Berlin geborenen Religionswissenschaftlers und Historikers war einerseits von Verfolgung, Vertreibung und Flucht, andererseits von Wiederaufbau und einem ungebrochenen Optimismus geprägt. »Das Leben wählen und gestalten, das ist die Forderung, die das Judentum an den Menschen richtet«: Wenn man auf das Vermächtnis Ernst Ludwig Ehrlichs zurückschaut, so kann man sagen, dass er als einer der letzten Schüler von Leo Baeck diesen einen Satz seines Lehrers und Mentors ganz besonders verinnerlicht und mit Leben gefüllt hat.

RETTUNG Denn genau dieser Forderung ist er nachgekommen – trotz allem, trotz der Verfolgung, trotz der Ermordung seiner Mutter in Auschwitz, trotz aller Schwierigkeiten in Deutschland nach 1945. Ehrlichs Leben war ein Leben für die Wissenschaft, für den Dialog, ein Leben als Talmid Chacham, als Diplomat, als Vermittler zwischen den Welten.

Von ihm lernen wir nicht nur die Bereitschaft zur Aussöhnung, sondern auch, andere Meinungen zuzulassen und Wiedersprüche auszuhalten.

Während der Zeit des Nationalsozialismus gelang Ernst Ludwig Ehrlich die Rettung unter anderem dank katholischer Hilfe, so nahm ihn beispielsweise der Katholik Franz Schürholz im Februar 1943 für zweieinhalb Monate bei sich auf. Es waren sicherlich auch Erfahrungen wie diese, die den Weg für seinen unaufhörlichen Einsatz für Versöhnung und den christlich-jüdischen Dialog bereiteten. So beriet er Kardinal Augustin Bea bei der Vorbereitung zur Erklärung »Nostra Aetate« des Zweiten Vatikanischen Konzils, die 1965 beschlossen wurde, und war somit maßgeblich für die Annäherung zwischen Kirche und Judentum mitverantwortlich.

BEZIEHUNG Er galt als Brückenbauer, zwischen den Religionen, aber auch innerhalb des Judentums. »Begegnung braucht menschliche Beziehung«, lautete ein Leitmotiv von Ernst Ludwig Ehrlich, das im Kern auch an Hannah Arendts »Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen« erinnert. Für das Miteinander und den Dialog – auch wenn der nicht immer einfach ist –, dafür kämpfte Ernst Ludwig Ehrlich und leistete auf dem Gebiet Pionierarbeit.

Seine Arbeit wird fortgeführt – im Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk mit seinen mehr als 800 Stipendiaten seit Gründung im Jahr 2009. Hinter dieser Zahl stecken verschiedene junge jüdische Identitäten, Geschichten, Meinungen. Das Studienwerk fühlt sich seinem Namensgeber verpflichtet und fördert nicht nur den Austausch der Stipendiaten untereinander und mit denen anderer Studienwerke, sondern auch ein selbstbewusstes vielfältiges Judentum in Deutschland – gerade auch das war Ehrlich zeitlebens ein großes Anliegen.

AUFTRAG Von Ernst Ludwig Ehrlich lernen wir nicht nur die Bereitschaft zum Dialog und zur Aussöhnung, sondern auch, andere Meinungen zuzulassen und Widersprüche auszuhalten – Dinge, die heute bei den hitzig geführten Diskursen mit meist verhärteten Standpunkten oftmals in Vergessenheit zu geraten scheinen.

»Im Sozialen werden wir Menschen zur Menschheit. Wir müssen den Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärken. Wir dürfen uns nicht nur um unsere eigenen Belange kümmern.« Es sind Aussagen von Ernst Ludwig Ehrlich wie diese, die uns einmal mehr verdeutlichen, dass seine so wichtige Stimme fehlt, es fehlt seine Stimme gegen Spaltung und für Versöhnung gerade jetzt in dieser Zeit. Und gleichzeitig ist diese Aussage Auftrag an die junge Generation, ein Auftrag, dessen sich auch das Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk annimmt.

Daher stoßen wir an diesem Tag an; auf den Optimismus, den Gestaltungswillen und den Dialog!

Die Autorin ist ELES-Stipendiatin und lebt in München.

Berlin

»Drastisch und unverhältnismäßig«

Die Jüdische Gemeinde erhöht die Gebühren ab September deutlich. Betroffene Eltern wehren sich mit einer Petition

von Christine Schmitt  12.06.2025

Hamburg

Kafka trifft auf die Realität in Tel Aviv

Ob Krimi, Drama oder Doku – die fünften Jüdischen Filmtage beleuchten hochaktuelle Themen

von Helmut Kuhn  12.06.2025

Weimar

Yiddish Summer blickt auf 25 Jahre Kulturvermittlung zurück

Zwischen dem 12. Juli und 17. August biete die internationale Sommerschule für jiddische Musik, Sprache und Kultur in Weimar diesmal insgesamt über 100 Programmbausteine an

von Matthias Thüsing  11.06.2025

Sachsen

Verdienstorden für Leipziger Küf Kaufmann

Seit vielen Jahren setze er sich für den interreligiösen Dialog und den interkulturellen Austausch von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein

 11.06.2025

Oldenburg

Brandanschlag auf Synagoge: Beschuldigter bittet um Entschuldigung

Am 5. April 2024 war ein Brandsatz gegen die massive Tür des jüdischen Gebetshauses in der Leo-Trepp-Straße geworfen worden

 11.06.2025

Erinnerung

731 Schulen erinnern an Anne Frank

Der Aktionstag findet seit 2017 jährlich am 12. Juni, dem Geburtstag des Holocaust-Opfers Anne Frank (1929-1945), statt

 11.06.2025

Grand Schabbaton

Eine 260-köpfige Familie

In Potsdam brachte der»Bund traditioneller Juden« mehrere Generationen zusammen

von Mascha Malburg  11.06.2025

Meinung

Jewrovision: einfach jung und jüdisch sein

Junge Jüdinnen und Juden sind alltäglich Anfeindungen ausgesetzt. Für sie ist die Jewrovision ein Safe Space

von Katrin Richter  11.06.2025

Jewrovision

Party der Herzen

1300 Jugendliche kamen in Dortmund zum größten Gesangs- und Tanzwettbewerb für jüdische Kinder und Teenager zusammen. In angespannten Zeiten lebten sie das Motto »United in Hearts«

von Katrin Richter  11.06.2025