Theater Michoels

Typisch Kölsch

20 Jahre Theater Michoels – typisch Kölsch Foto: Michael Bause

Alles begann mit einem Boom: Zur ersten Aufführung kamen rund 1000 Zuschauer, und sogar die New York Times und die International Herald Tribune berichteten über das neue »Theater Michoels«.

Das war 1997, und Mitbegründer Alex Schneider erinnert sich noch sehr genau an die turbulente Anfangszeit: »Wir waren etwas Besonderes und haben damals Neuland betreten.« Gerade feiert das Theater sein 20. Jubiläum – und 20 Jahre jüdisches Theater in Deutschland. Es gilt als das erste jüdische Theater in Deutschland nach 1945.

Schneider ist nicht nur Ensemblemitglied, sondern auch im Vorstand des Vereins zur Förderung der jüdischen Kultur und zur Errichtung des ersten jüdischen Kultur- und Theaterhauses in Deutschland e.V., der hinter dem Theater Michoels
steckt. Sein Ensemble greift jüdische Theatertradition auf. Im Mittelpunkt stand und steht die Auseinandersetzung mit jüdischer Kultur – mit besonderem Zugang.

Berlin »Wir haben von Anfang an darauf gesetzt, ein Kontrastprogramm zu der bedrückenden Seriosität und den Schatten der Vergangenheit zu setzen, die über der jüdischen Geschichte in Deutschland wehen«, betont Alex Schneider, selbst ein Vertreter der sogenannten Zweiten Generation. Man habe einen Bogen zu dem gemeinsamen Lächeln spannen wollen, das in den Anfängen des 20. Jahrhunderts das kulturelle Zusammenleben insbesondere in Berlin geprägt habe.

Benannt ist die Theatergruppe nach dem Schauspieler Solomon Michailowitsch Michoels. Er war der bedeutendste Schauspieler und spätere Direktor des Staatlichen Jüdischen Theaters Moskau, das von 1920 bis 1949 die jiddische Theaterszene in Russland stark prägte.

Kabarett Das Theater Michoels legt seinen Schwerpunkt auf Kabarett mit mal feinsinnigem, mal schrillerem Humor sowie anspruchsvolle und gleichzeitig ansprechende musikalische Unterhaltung. Und es ist immer in Bewegung: Die Ensemblemitglieder wechselten – so war zum Beispiel der Comedian Oliver Polak eine Zeit lang mit dabei, andere arbeiten seit Anbeginn zusammen. »Der harte Kern ist der gleiche geblieben«, sagt Alex Schneider und schwärmt von seinen Kollegen Victor Tabor, dem Regisseur und Leiter des Ensembles, oder Maren Pfeiffer, die als Schauspielerin die Gruppe seit vielen Jahren prägt.

Zurzeit ist das Theater Michoels eine Art Wandertheater mit wechselnden Aufführungsorten. Für vier Jahre hatte es einen festen Platz in Köln, sonst waren verschiedene kleine und große Bühnen die Aufführungsorte. Unter anderem trat das Ensemble im Schloss Bellevue und im Jüdischen Museum Berlin bei Benefizveranstaltungen zugunsten eines israelischen Krankenhauses auf, außerdem im Kölner Schauspielhaus sowie bei Gastspielen in Wien und Prag.

Ein fester Bestandteil waren dabei seit 2004 die regelmäßigen Auftritte während der Kölner Kulturreihe »Jüdische Impressionen«. Die Stücke hießen Mit a bissel Massel, Die Juden oder Lachen bis der Rabbi kommt, Beschnitten oder am Stück – allesamt abwechslungsreiche Shows mit Liedern, Sketchen und Dialogen zum Lachen und manchmal auch zum Nachdenken.

Hommage Das eigentliche Theaterjubiläum wurde am 20. Juli im Jüdischen Wohlfahrtszentrum Köln gefeiert. Der Abend, der unter der Schirmherrschaft der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker stand, war trotz Ferienzeit in Nordrhein-Westfalen gut besucht. Eine Feier ganz nach dem Geschmack der Theatergruppe.

Mit dem Stück Lea – ich gehe zu mir wurde eine Hommage an die israelische Autorin Lea Goldberg, die an der Bonner Universität promoviert hatte, aufgeführt. Poetische Texte, feiner Humor und melodiöse Klänge standen an diesem Abend im Vordergrund – in Erinnerung an das Lebenswerk der bedeutenden und weltweit anerkannten Dichterin und Schriftstellerin. »Sie hat Lyrik gemacht im weitesten Sinne und es gleichzeitig geschafft, poptauglich und populär zu sein«, erläutert Alex Schneider. Gedichte, Szenen aus Büchern, Lesungen aus Goldbergs Privatbriefen und Lieder vereinten sich zu einer vielfältigen Collage. Darunter waren auch Texte, die erstmals ins Deutsche übersetzt wurden.

Zum Jubiläum ist auch die CD Jiddisch Liedl – Mal auf Deutsch produziert worden, mit Liedern aus den vergangenen 20 Jahren. »Wir haben jiddisches Liedgut genommen und es erstmals auf Deutsch interpretiert«, erklärt Alex Schneider, der selbst natürlich auch mitsingt. Und ein wenig kölscher Dialekt darf da nicht fehlen – denn der ist in der Theatergruppe genauso wichtig wie jüdische Thematiken.

Je nach Auftritt greift die Theatertruppe mittlerweile auf ein umfangreiches Repertoire zurück, das im Laufe der vergangenen 20 Jahre immer weiter ausgebaut wurde und ständig aktualisiert wird.

Zukunft Für die Zukunft wünscht sich Alex Schneider eine neue eigene Bühne und Verwaltungsräume für sein Projekt. »Wir suchen gerade nach geeigneten Locations und sind dankbar für die Unterstützung aus der Kulturpolitik und durch den Kölner Stadtanzeiger, der unsere Arbeit von Beginn an begleitet hat.«

Und noch einem weiteren Schwerpunkt hat sich das Theater Michoels in den vergangenen vier Jahren gewidmet: Bildungsprojekte an Schulen. So entstand die Kulturreihe »Bewahren für die Zukunft« mit einem breit gefächerten theater- und musikpädagogischen Bildungsprojekt für weiterführende Schulen in Nordrhein-Westfalen, das zukünftig noch ausgebaut werden soll.

Über Theatervorführungen und begleitende Workshops sollen Jugendliche die jüdische Kultur kennenlernen und dabei mögliche Vorurteile und Berührungsängste abbauen. Auf unterhaltsame Weise mit Überraschungen – ganz nach Art des Theater Michoels.

Jom Haschoa

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