Nachruf

Zeitzeuge und Brückenbauer

Felix Kolmer sel. A. Foto: AP Photo

Das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen war nach dem Zweiten Weltkrieg zerbrochen. Ausgerechnet ein Schoa-Überlebender hat sich zeitlebens dafür eingesetzt, dass man wieder miteinander sprach. Am 5. August ist Felix Kolmer im Alter von 100 Jahren in Prag gestorben.

Am 3. Mai 1922 in eine assimilierte jüdische Familie in Prag geboren, wurde er schon als Jugendlicher Zeuge eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit. Deportiert von den Nazis, fand er sich 1941 nicht wie geplant in einer Tischlerwerkstatt wieder, sondern im Konzentrationslager Theresienstadt. Hier durchlebte er den Verlust seiner Mutter und weiterer Angehöriger. Noch vor seiner Deportation nach Auschwitz-Birkenau 1944 heirateten er und seine Frau Liana. Beide überlebten Ghetto und KZ und fanden sich nach der Schoa wieder.

STUDIUM Zurück in Prag, begann Felix Kolmer, Elektrotechnik zu studieren und später Physik. Er wurde ein Experte auf dem Gebiet der Akustik, wie rund 200 akademische Aufsätze und Bücher bezeugen. Nach einigen Jahren als Assistent und Dozent an der Technischen Universität Prag erhielt er 1982 eine Professur für Tontechnik an der Prager Filmhochschule.

Dennoch fand er Zeit für seine Herzensangelegenheit, die Aufarbeitung, das Zusammenkommen, den Austausch. Der langjährige Pfadfinder legte Schulkindern Humanität und Verantwortung ans Herz, scheute sich nicht vor Diskussionen mit Rechtsextremisten, wurde Vorsitzender der in Köln angesiedelten Beratungsstelle für NS-Verfolgte und widmete sich viele Jahre lang dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds.

Bundesverdienstkreuz Ohne Felix Kolmer wären in diesem Dialog viele Brücken nicht geschlagen worden. Das Bundesverdienstkreuz ist nur ein Indiz, wie viel er für Leidensgenossen aus Konzentrations- und Vernichtungslagern sowie für ehemalige Zwangsarbeiter getan hat. Ihnen wird seine Gabe, Menschen mit seiner Eloquenz tief zu berühren und sie zusammenzubringen, im Gedächtnis bleiben. Sie wird dazu motivieren, das Morden nicht zu verzeihen, aber für ein besseres Morgen zu sorgen. Oder wie Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, es treffend beschrieb: »Felix Kolmer hatte sehr bald nach seiner Befreiung aus den Lagern beschlossen, sein Leben nie vom Hass vergiften zu lassen.«

Porträt der Woche

Herzensheimat Israel

Dalit Hochberg kam als Kind nach Berlin und fand hier ihr zweites Zuhause

von Gerhard Haase-Hindenberg  28.05.2023

Berlin-Wilmersdorf

Das blaue Haus

Demnächst soll der Pears Jüdischer Campus eröffnet werden. Ein Rundgang mit Architekt Sergei Tchoban

von Christine Schmitt  28.05.2023

Statistik

Gemeinden in Zahlen

Die Neuzugänge haben sich verdoppelt – dennoch fehlt es an jüngeren Menschen

von Christine Schmitt  27.05.2023

Frankfurt am Main

Demos gegen Roger Waters vor Festhalle angekündigt

Das Motto des Protests am Konzerttag: »Frankfurt vereint gegen Antisemitismus«

 25.05.2023

Musik

Festakt im Historischen Rathaus

Mit einem Konzert wurden 75 Jahre Israel sowie 75 Jahre jüdisches DP-Orchester gefeiert

von Lukas Ruser  25.05.2023

Antisemitismus

München zeigt Flagge gegen Roger Waters

Vor der Olympiahalle gab es Proteste gegen das Konzert des Musikers

von Eva von Steinburg  25.05.2023

Nachruf

Seine Stimme ist verstummt

Oljean Ingster, langjähriger Kantor der Synagoge Rykestraße, ist mit 95 Jahren verstorben

von Christine Schmitt  25.05.2023

Interview

»Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft«

Ben Salomo über Antisemitismus, Drohmails, Hetzkampagnen und »Rap am Mittwoch«

von Gernot Wolfram  25.05.2023

Berlin

Ben Salomo ausgezeichnet

Der Musiker wurde für sein Engagement gegen Antisemitismus als Botschafter für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet

von Gernot Wolfram  24.05.2023