Rosch Haschana

Traditionell oder trendig

Unabdingbar: Äpfel – in welcher Form auch immer – dürfen zum Neujahrsfest nicht fehlen. Foto: Flash 90

Rosch Haschana

Traditionell oder trendig

Wie Juden in Deutschland das Neujahrsfest verbringen

von Elke Wittich  11.09.2012 17:07 Uhr

Mit der Familie oder Freunden zu Hause feiern, nach Israel fliegen, das Angebot in der Gemeinde wahrnehmen – es gibt viele Möglichkeiten, die Hohen Feiertage zu verbringen. Konstantin Pal, der seit 2010 als Rabbiner in der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen tätig ist, hat keine Kindheitserinnerungen an Rosch Haschana. »Wir haben nur Pessach gefeiert«, sagt der 1979 in der Sowjetunion Geborene: »Es gab selbstgebackene Mazze aus der großen Moskauer Synagoge, aber sonst sind meine Erinnerungen sehr verschwommen.«

Nun verbringe er die Feiertage »natürlich mit Arbeit. Die Vorbereitungen laufen schon seit Wochen, dazu gehört, mit dem Kantor die Liturgie abzusprechen, Gebetbücher zurechtzulegen, Predigten zu schreiben und durchzuarbeiten, die Lesungen aus der Tora vorzubereiten und und und.«

Wie viele Stunden er insgesamt damit verbracht habe, zähle er nicht. »Es ist eine schöne Arbeit, wenn am Ende alles klappt«, sagt der Rabbiner und lacht. Selbstverständlich tausche er sich mit seinen Kollegen aus und bekomme »immer wieder Tipps, wie ich mich in meiner Arbeit verbessern kann, sowohl in Einzelgesprächen als auch auf Konferenzen«. Und natürlich werde es durch das Internet zwar einfacher, in Kontakt zu bleiben, »aber das gute alte Telefon ist immer noch der beste Kommunikationsweg«.

Zu Hause Gefeiert werde natürlich mit der Familie, erzählt Alon Meyer, erster Vorsitzender von Makkabi Frankfurt. »Alle werden dabei sein, alle meine Geschwister – bis auf meinen mittleren Bruder, der in Israel lebt und die Festtage mit der Familie und seiner Frau verbringt.« Das gemeinsame Fest sei schon Tradition. »So viele Angehörige wie nur möglich sind dabei« – am allerliebsten würde er natürlich auch in Israel sein, »aber das geht ja nicht so einfach, zumal dann ja bald schon Herbstferien sind, die man auch gern dort verbringen würde«.

Alexander Drehmann, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Aachen, weiß noch nicht genau, wie er die Feiertage verleben wird. »In unserer Gemeinde machen wir keine Extraangebote, denn in den umliegenden Städten wie Köln und Düsseldorf findet so viel statt, da kann eine Gemeinde mittlerer Größe einfach nicht mithalten«, erklärt er.

Glasnost Von derart großer Auswahl konnten die Juden früher in der Sowjetunion nur träumen. Drehmann selbst hat keine Kindheitserinnerungen an die Neujahrsfeiern in der Ukraine. In Charkow, wo er geboren wurde, gab es zwar eine Synagoge, aber erst unter Michail Gorbatschow wurde es möglich, die jüdischen Feiertage zu begehen. »Ich war damals aber noch zu klein.«

Sharon Adlers Pläne für die Feiertage stehen im Großen und Ganzen fest: »Sonntag in die Synagoge Oranienburger Straße, und Montag bin ich schon mehrfach eingeladen, da muss ich noch schauen, wie ich das alles unter einen Hut bekomme«, sagt die Journalistin und Fotografin. »Und dann muss das natürlich noch alles mit der 17-jährigen Tochter kompatibel sein.« In Berlin sei die Auswahl nicht so ganz einfach, »denn wir haben ein schönes, gutes, buntes, vielfältiges Angebot, vom Konzert bis zur Party ist alles dabei.«

Kunst-Event Und wie würde Adler die Feiertage verbringen, wenn Zeit und Geld keine Rolle spielten? »Viel Zeit? Oh, das kann ich mir gar nicht vorstellen«, beginnt sie, um dann innerhalb weniger Sekunden auf die Idee für ein regelrechtes Rosch-Haschana-Event zu kommen: »Dann würde ich selbst eine Party schmeißen und die Kreativen der Stadt zur Mitgestaltung einladen«, sagt Adler.

Das Thema neues Jahr künstlerisch aufarbeiten zu lassen, Maler und Bildhauer bitten, Werke zu erstellen, das wäre schon sehr spannend. Die verschiedenen Erfahrungen und die Hintergründe darstellen zu lassen, mit Malerei, Fotografie, Video, Performances, ja, das würde sehr interessant sein.

»Denn es ist ja schon sehr unterschiedlich, wie Leute feiern, die einen lieben es traditionell, die anderen haben eine eher moderne Sicht, und für manche reicht es – überspitzt gesagt – ja auch schon, einen Apfel in Honig zu tunken, mit Freunden gute Musik zu hören und zusammenzusitzen und zu plaudern.« So ein multimediales Ereignis zu organisieren, wäre ein Traum, sagt Sharon Adler. »Vielleicht gibt es ja Leute, die das auch so sehen, die sollen sich bei mir melden, und dann heißt es ja vielleicht: Nächstes Jahr in Berlin.«

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