Pessach

Teures Fest

Wein und Mazzot: Sechs Euro für ein Kilo des ungesäuerten Brotes sind für viele nahezu unerschwinglich. Foto: Thinkstock

Sechs Euro für ein Glas Charosset, fast acht Euro für ein Kilo Mazze, rund zehn Euro für eine Flasche koscheren Wein: Wer sich mit den typischen Lebensmitteln für Pessach eindeckt, um Familie und Freunde bewirten zu können, muss schon etwas springen lassen.

Dabei seien die Preise für die koscheren Spezialitäten vor dem Fest nicht angehoben worden, sagt Andreas Däbritz, der in Dresden den Laden »Old Abraham« betreibt. Lebensmittel für Pessach bezieht er von zwei Großhändlern und verkauft sie hauptsächlich per Internet an die Endverbraucher. Die Nachfrage sei hoch, erklärt der Dresdner Geschäftsmann, sogar aus Tschechien gingen Bestellungen ein.

Während im Alltag nicht jeder Wert auf koscheres Essen legt oder im Prinzip Koscheres auch schon mal ohne Siegel im Supermarkt kauft, sollen zu Pessach in den meisten Familien dann doch die symbolträchtigen traditionellen Speisen auf den Tisch: von den ungesäuerten Mazzot über koscheres Fleisch bis zum Charosset aus Früchten und Nüssen.

Preise Doch nicht für jedes Gemeindemitglied ist es leicht, die Tradition zu pflegen. Denn zum einen gibt es längst nicht überall koschere Lebensmittel zu kaufen, und zum anderen ist Koscheres in der Regel teurer als das Standardsortiment bei den Discountern.

Hier helfen die Gemeinden. Die Synagogen-Gemeinde Köln organisiert kurz vor Pessach eine Bustour nach Antwerpen zum »koscher Shoppen« für die Feiertage. Viele Gemeinden ordern vor dem Fest im Großhandel erhebliche Mengen Mazzot oder Mazzemehl und Wein, um die Waren zum Selbstkostenpreis an ihre Mitglieder abgeben zu können. Die Gemeinde Leipzig hat beispielsweise für jedes Mitglied ein Kilo Mazzemehl bestellt. In Chemnitz können Mazzot und Wein zum Einkaufspreis erstanden werden. Manche Mitglieder versorgen sich gleich fürs ganze Jahr mit Mazzot, berichtet Gemeindevorsitzende Ruth Röcher.

Die etwa 7000 Mitglieder starke Frankfurter Gemeinde steht dieses Jahr vor dem Problem, ohne ein koscheres Lebensmittelgeschäft auskommen zu müssen. Also wird improvisiert. Rund 1000 Gutscheine werden für Mazzemehl und Wein in diesem Jahr an bedürftige Mitglieder ausgegeben. Einlösen können die Empfänger – überwiegend ältere Menschen, Alleinerziehende und Familien mit vielen Kindern – die Bons in einem koscheren Restaurant in Frankfurt oder im jüdischen Altenzentrum.

Dort hat die Gemeinde einen Lebensmittelverkauf eingerichtet. »Der ist sehr beliebt, weil wir damit keinen Profit machen«, erklärt Dalia Moneta von der Sozialabteilung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt. Auch die Senioren freuen sich über den Verkauf in ihrem Haus, »dadurch ist im Altenzentrum immer viel los, und das finden die Bewohner ganz toll«, sagt Moneta.

In der Israelitischen Kultusgemeinde Bamberg hängt schon seit Januar eine Vorbestellliste für Mazzot, Mazzemehl und Wein aus. Die Gemeinde gibt die Waren auch an Nichtmitglieder und Gäste zum Selbstkostenpreis ab. Wer sich die Produkte nicht leisten kann, bekommt Rabatt oder kostenlose Zugaben. Die Jüdische Gemeinde zu Halle an der Saale schenkt allen Gemeindemitgliedern ein Kilo Mazzot, Kinder bekommen das Gleiche oder wahlweise ein Paket Schoko-Mazze. Wer mehr benötigt, kann sich bei der Gemeinde zum Großhandelspreis zusätzlich eindecken.

Geschenkpakete In vielen Gemeinden ist es Usus, anlässlich der Feiertage an bedürftige Gemeindemitglieder Pakete mit Mazzot und Wein zu verteilen, mancherorts wurden auch zu Purim schon Päckchen verschenkt. Betagten oder kranken Mitgliedern bringen die Gemeinden die Geschenke sogar nach Hause. Das übernehmen in der Regel die Mitglieder der Bikkur-Cholim-Gruppen. In Chemnitz werden sie in diesem Jahr rund 100 Gemeindeangehörige kurz vor Pessach besuchen.

In Bamberg stehen etwa zwei Dutzend Empfänger auf der Liste für Geschenkpakete. Kulturreferentin Lisa Gorkurova und der Gemeindevorsitzende Arieh Rudolph überbringen die Präsente persönlich. »Dann ist immer noch Zeit für ein Gespräch, gerade auch für die Mitglieder, die nicht mehr selbst regelmäßig in die Gemeinde kommen können«, betont Rudolph.

In der Regel finanzieren die Gemeinden die Präsente zu Pessach aus eigenen Mitteln. »Wenn Not am Mann wäre, würden wir aber mit Sicherheit Spenden von Besserverdienenden bekommen«, ist die Frankfurter Sozialdezernentin Dalia Moneta überzeugt.

Sederabende Spenden mit dem Verwendungszweck »Sederabend« sind bei der Jüdischen Gemeinde zu Dresden bereits eingegangen, berichtet Verwaltungsleiterin Johanna Stoll. Eine »große Party« werde es zwar nicht geben, aber immerhin 50 bis 60 Leute erwartet die 750 Mitglieder starke Gemeinde an der gemeinsamen Tafel.

Überall organisieren die jüdischen Gemeinden mindestens einen Sederabend. Die Preise sind gestaffelt. Kinder können entweder kostenfrei oder gegen einen geringen Beitrag teilnehmen. Gemeindemitglieder, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, bekommen Rabatt. In Frankfurt zum Beispiel bezahlen sie acht Euro gegenüber dem regulären Preis von 35 Euro, in Köln zwölf Euro statt 25 Euro und in Dresden vier statt zwölf Euro.

In Chemnitz berappen alle Gemeindemitglieder nur sechs Euro für die Teilnahme am Sederabend mit traditionellen Gerichten wie Hühnersuppe, Kneidlach, Gefilte Fisch und Mazza-Kuchen. »Das deckt natürlich nicht die Kosten«, räumt Gemeindevorsitzende Ruth Röcher ein. Aber Hauptsache, alle, die mögen, können teilnehmen.

In der Regel kommen um die 50 Personen. »Wir feiern wie eine große Familie. Die Kinder erhalten Geschenke und singen gemeinsam, und alle Teilnehmer lesen aus der Haggada, jeder in seiner Sprache«, berichtet die Gemeindevorsitzende voller Vorfreude. Die Jüdische Gemeinde Halle organisiert zwei Sederabende, an denen Gemeindemitglieder für nur drei Euro Selbstkostenbeitrag teilnehmen können, Gäste bezahlen 20 Euro. »Alle Einnahmen werden nach Pessach für den Staat Israel gespendet«, erklärt Gemeindevorsitzender Max Privorozki.

Mit bis zu 130 Gästen rechnet die Bamberger Gemeinde beim Sederabend in diesem Jahr. »Diese Tradition in der Gemeinde ist wichtig, weil sie es jedem Juden ermöglicht, sich des Auszugs aus Ägypten zu erinnern und gemeinsam mit Freude Pessach zu feiern – auch jenen, die kein Geld haben, die nicht wissen, wie man Pessach feiert, und den Alleinstehenden und Einsamen«, betont Arieh Rudolph.

Gastfreundschaft Auch in Frankfurt am Main steht anlässlich der zwei Sederabende in der Gemeinde die Gastfreundschaft an erster Stelle. Weggeschickt werde niemand, versichert Dalia Moneta. »Wenn wir das Gefühl haben, jemand kann sich die Teilnahme gar nicht leisten, kostet der Sederabend auch schon mal nichts. Da handeln wir auf dem ganz kurzen Dienstweg.«

Die Gemeinde vermittelt außerdem Gäste an religiöse Familien. »Viele Fromme haben einen großen Tisch und nehmen sehr bereitwillig Gäste auf, egal ob diese sich in der Liturgie auskennen oder nicht. Die meisten sind da sehr tolerant«, berichtet Moneta. Auf der anderen Seite unterstützt die Gemeinde religiöse Familien, die das ganze Jahr über koscher leben möchten, sich die Produkte aber nicht leisten können. »Im Einzelfall helfen wir dann – nicht nur zu Pessach.«

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