Berlin

Stimme der Überlebenden

Im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors wurde am Montagmorgen eine neue Biografie über Heinz Galinski vorgestellt. Das Buch Ich weiß, ich bin kein Bequemer … über den ersten Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland und langjährigen Gemeindevorsitzenden Berlins fülle angesichts der eher spärlichen Literatur über Galinski eine Leerstelle, sagte Andreas Nachama, Direktor der Stiftung Topographie des Terrors, bei der Buchpräsentation. »Das war ein Missstand, der mit dieser Biografie nun behoben wurde.«

Nachama würdigte Galinski als eine der ganz großen Persönlichkeiten Nachkriegsdeutschlands. Ohne ihn wäre die Bundesrepublik nicht zu dem geworden, was sie heute ist, betonte er. Galinski habe bereits in den 50er- und 60er-Jahren zu einem Zeitpunkt gegen Rassismus und antisemitische Strömungen von Rechts und Links gekämpft, als dies keineswegs selbstverständlich gewesen sei und großen Mut erforderte. »Er war eine bemerkenswerte, ja einzigartige Persönlichkeit«, so Nachama.

störfeuer Juliane Berndt, die Autorin des Buches, betonte, dass sie Galinski mit ihrem Werk als Person der Zeitgeschichte vorstellen wolle. Von der Kindheit über die Zeit als Zwangsarbeiter in Berlin bis hin zu einer öffentlichen Person beleuchte die Biografie viele Stationen in seinem Leben. »Galinski wurde oft als Störfeuer in der Bundesrepublik wahrgenommen. Dabei trug dieses ›Störfeuer‹ dazu bei, dass Deutschland von der internationalen Staatengemeinschaft wieder respektiert wurde«, betonte Berndt.

Stephan J. Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, hob hervor, dass Heinz Galinski bis heute Spuren im jüdischen Leben und in der Bundesrepublik hinterlassen habe. »Man kann ihn getrost als politischen Profi bezeichnen, der nicht nur national, sondern auch international gewirkt hat«, sagte Kramer. Er sei ein Anwalt der Minderheiten, der Bürgerrechte und der Offenen Gesellschaft gewesen.

Am besten charakterisiere Galinski aber ein Zitat von ihm selbst: »Ich weiß, ich bin kein Bequemer. Aber bin ich deshalb ein Unbequemer, weil ich mit Selbstverständlichkeit meine Rechte und erst recht meine Pflichten als Bürger dieses Landes in Anspruch nehme? Bin ich deshalb ein so Unbequemer, weil ich mich so energisch gegen all diejenigen wende, die aus der Vergangenheit nichts gelernt haben und auch nichts lernen wollen? Wenn das die Gründe sind, dann bin ich gerne unbequem.«

führungsrolle Sara Nachama, die Direktorin des Touro Colleges Berlin, hob hervor, dass es Galinskis Führungsrolle und Kommunikationsstärke gewesen seien, die »jüdischen Menschen im Deutschland der Nachkriegszeit das Gefühl gaben, die Koffer wieder auspacken zu können«. Sie sei stolz darauf, dass die Biografie nun einen Platz in der Schriftenreihe des Touro Colleges Berlin gefunden habe.

Witwe Ruth Galinski gab Antwort auf die Frage, was ihren Mann Zeit seines Lebens angetrieben habe. »Es war seine Biografie, die ihm die Kraft gab, all das zu tun, was er tat.« Er habe jüdisches Leben in Deutschland wieder möglich gemacht. »Er wollte nicht, dass Hitler recht bekommt.«

Dem stimmte auch die Verlegerin Friede Springer zu. Galinski habe dafür gesorgt, dass Juden nach dem Holocaust wieder in Deutschland leben konnten. Axel Springer und Galinski waren miteinander befreundet und sprachen regelmäßig über Religion, Politik und Kultur. »Er war zweifellos die wichtigste jüdische Person in Deutschland nach 1945«, befand Springer.

Juliane Berndt: »Ich weiß, ich bin kein Bequemer ... Heinz Galinski – Mahner, Streiter, Stimme der Überlebenden«. be.bra, Berlin 2012, 334 S., 19,95 €

Sachsen

Landesbeauftragter: Jüdisches Leben auch in Sachsen gefährdet

Die Hemmschwelle, in eine Synagoge zu gehen, sei größer geworden, sagt Thomas Feist (CDU)

 25.04.2024

Pessach

Vertrauen bewahren

Das Fest des Auszugs aus Ägypten erinnert uns daran, ein Leben in Freiheit zu führen

von Charlotte Knobloch  22.04.2024

Pessach

Das ist Juden in Deutschland dieses Jahr am wichtigsten

Wir haben uns in den Gemeinden umgehört

von Christine Schmitt, Katrin Richter  22.04.2024

Bayern

Gedenkveranstaltung zur Befreiung des KZ Flossenbürg vor 79 Jahren

Vier Schoa-Überlebende nahmen teil – zum ersten Mal war auch der Steinbruch für die Öffentlichkeit begehbar

 21.04.2024

DIG

Interesse an Israel

Lasse Schauder über gesellschaftliches Engagement, neue Mitglieder und die documenta 15

von Ralf Balke  21.04.2024

Friedrichshain-Kreuzberg

Antisemitische Slogans in israelischem Restaurant

In einen Tisch im »DoDa«-Deli wurde »Fuck Israel« und »Free Gaza« eingeritzt

 19.04.2024

Pessach

Auf die Freiheit!

Wir werden uns nicht verkriechen. Wir wollen uns nicht verstecken. Wir sind stolze Juden. Ein Leitartikel zu Pessach von Zentralratspräsident Josef Schuster

von Josef Schuster  19.04.2024

Sportcamp

Tage ohne Sorge

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin und Makkabi luden traumatisierte Kinder aus Israel ein

von Christine Schmitt  18.04.2024

Thüringen

»Wie ein Fadenkreuz im Rücken«

Die Beratungsstelle Ezra stellt ihre bedrückende Jahresstatistik zu rechter Gewalt vor

von Pascal Beck  18.04.2024