Sie war einst der Stolz von ganz Norddeutschland. Jetzt soll Hamburg seine Bornplatzsynagoge zurückerhalten. Am alten Platz im Grindelviertel und in voller Pracht. Die Jüdische Gemeinde in Hamburg und der Senat der Hansestadt stellten nun den architektonischen Siegerentwurf für den Nachfolgebau vor. Und noch etwas steht fest: Die neue Synagoge soll nicht eingezäunt werden.
Für optimale Sicherheit ist ein ausgeklügeltes System im Foyer vorgesehen. »Jüdisches Leben gehört nicht hinter Zäune«, betont Daniel Sheffer, Gründer und Vorsitzender der Stiftung Bornplatzsynagoge, bei der Präsentation des Siegerentwurfs, der vom Büro Schulz und Schulz Architekten in Leipzig sowie Haberland Architekten und POLA Landschaftsarchitekten, beide aus Berlin und Leipzig, gemeinsam erarbeitet wurde.
Den Architekten gelang es, mit modernen und sachlichen Stilmitteln eine Brücke zu errichten zwischen der neoromanischen Architektur der 1906 erbauten Bornplatzsynagoge und einem faszinierenden Gebäude-Ensemble, das durch elegant hanseatisches Understatement besticht. »Der Siegerentwurf setzt den Masterplan zum Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge architektonisch und freiraumplanerisch hervorragend um«, lautet denn auch das Urteil der Jury.
Das Architektenteam konnte sich mit seinem Entwurf durchsetzen
Die rund 40 Meter hohe Glaskuppel verleiht der nordischen Backsteinarchitektur eine beschwingte Leichtigkeit. Der Gesamtkomplex neben der historischen Talmud-Tora-Schule am Grindelhof fügt sich harmonisch in die heutige städtebauliche Struktur des Grindelviertels ein und hebt zugleich die historische Bedeutung der Bornplatzsynagoge hervor. Der Neubau soll zwei Stockwerke mitsamt einem Betsaal für 600 Personen sowie einen Gemeindesaal umfassen. Das Architektenteam konnte sich mit seinem Entwurf gegen 24 weitere Vorschläge aus dem In- und Ausland durchsetzen.
Die neue Bornplatzsynagoge soll nicht nur Betsäle für die Einheitsgemeinde und die ihr angegliederte Hamburger Reformsynagoge, sondern in angrenzenden Gebäudeteilen auch Raum für ein Begegnungszentrum, eine Bibliothek sowie ein Café bieten. »Wir wollen ein religiöser Ort, aber auch ein Ort der Kommunikation sein, denn wir haben im Dialog sehr viel zu bieten«, bringt es Stefanie Szczupak, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, auf den Punkt.
»Vor mehr als 80 Jahren waren es Hamburger, die die Synagoge zerstörten, jetzt sind es wieder Hamburger, die sie aufbauen«, erklärt Sheffer. Das sei ein später Sieg der Gerechtigkeit, der Demokratie und des jüdischen Lebens über die Barbarei der Nationalsozialisten. »Der Wiederaufbau erfüllt die Sehnsucht der Jüdinnen und Juden nach Gleichberechtigung und Sicherheit«, so Sheffer weiter.
Die hohe Glaskuppel verleiht der nordischen Backsteinarchitektur eine beschwingte Leichtigkeit.
Wann indes die weiteren Bauschritte starten können, steht noch nicht fest. Als Nächstes muss der denkmalgeschützte Hochbunker beseitigt werden, den die Nationalsozialisten im Hamburger Senat damals auf dem Bornplatz, dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz, errichten ließen. An das zerstörte Gotteshaus erinnert vor Ort ein Bodenrelief der Hamburger Bildhauerin Margrit Kahl. Es soll in der neuen Synagoge ebenso Platz finden wie auch die zahlreichen Funde, beispielsweise Bodenfliesen der Mikwe der alten Bornplatzsynagoge und verzierte Kopfteile der Säulen ihres Innenraums, die bei Ausgrabungsarbeiten entdeckt wurden.
Die 1906 eingeweihte ehemalige Synagoge am damaligen Bornplatz war eines der größten und prachtvollsten jüdischen Gotteshäuser Deutschlands und mehr als 30 Jahre lang das religiöse, kulturelle und gesellschaftliche Zentrum der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Sie wurde am 9. November 1938 verwüstet, kurz darauf in Brand gesteckt und 1939 abgerissen.
»Jahrzehntelang haben wir als Stadt die Jüdische Gemeinde mit ihrem Schmerz um die Zerstörung der Bornplatzsynagoge nicht gehört. Seit fünf Jahren gehen wir nun gemeinsam den Weg, diesen zentralen Ort jüdischen Lebens an die jüdische Gemeinschaft zurückzugeben, jüdisches Leben gehört zu unserer Heimatstadt«, sagt Carola Veit, die Präsidentin der Bürgerschaft und stellvertretende Vorsitzende der Stiftung Bornplatzsynagoge.
Der Wiederaufbau der Synagoge ist vielen eine Herzensangelegenheit
Der Wiederaufbau der Synagoge sei »sehr vielen Menschen in unserer Stadt eine Herzensangelegenheit, auch für mich. Es berührt mich deshalb sehr, hier heute das Modell der wieder aufzubauenden Synagoge zu sehen. Ich bin sicher, dass sie künftig wie vor 100 Jahren unsere Stadt baulich, kulturell, gesellschaftlich und religiös prägen wird. Die Bornplatzsynagoge wird erneut zu Hamburgs jüdischem Zentrum, lebendig, selbstbewusst und sichtbar«, betont voller Zuversicht und Entschlossenheit auch Katharina Fegebank, Hamburgs Zweite Bürgermeisterin.
»Nach intensiver Diskussion hat sich die hoch engagierte Jury mit großer Einmütigkeit auf einen Entwurf geeinigt. Damit liegt nun ein konkreter Plan vor – der Startschuss für den Wiederaufbau eines Stücks unserer Heimat«, lobt Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg.
»Die Entwurfsverfasser schaffen es, auf eine sehr feinfühlige Art und Weise die historische Synagoge wiederaufzubauen, ihr die gewünschte historische Anmutung zu geben und zusammen mit der liberalen Synagoge, neuen Wohnungen, einer Bibliothek und einem Gemeindesaal ein stimmiges Gesamtensemble entstehen zu lassen«, freut sich ebenfalls Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg.