Programm

Sommer in der Stadt

Besuch im Zoo: Auch Kinder, die in der Urlaubszeit nicht verreisen, können etwas erleben. Foto: dpa

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Sommer in der Stadt

Viele Gemeinden erweitern in der Urlaubszeit sogar ihre Angebote

von Elke Wittich, Karin Vogelsberg  12.07.2010 16:40 Uhr

Sommerzeit ist Ferienzeit. Doch auf die meisten jüdischen Gemeinden in den östlichen Bundesländern hat das kaum Einfluss. Eine Reduzierung der Bürozeiten gibt es zum Beispiel nicht. »Bei uns ist immer jemand da. Es kommt nicht vor, dass alle Mitarbeiter gleichzeitig in Urlaub sind«, erklärt Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Auch bei den Gottesdiensten gibt es keine Einschränkungen. »Alles läuft wie immer: Schabbat ist Schabbat«, stellt Max Solomonik von der Jüdischen Gemeinde Cottbus kategorisch fest. Und so halten es auch die Gemeinden in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Dessau, Erfurt und Halle.

Die Unterrichtsangebote hingegen werden den Sommer über meist ausgesetzt. »Unsere Sprachkurse machen eine Pause. Bei dieser Hitze bringt der Unterricht einfach nichts«, meint Max Solomonik. Auch in Halle an der Saale werden bis Ende August keine Deutschvokabeln gepaukt und die Bibliothek bleibt zu. Während der Ferien fallen auch einige Kurse im Leipziger Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus aus, zum Beispiel der Musikunterricht für Kinder, der PC-Kurs und der Tanzkurs für Senioren.

Zusatzkurse Wer in den Ferien zu Hause bleibt, braucht sich allerdings nicht zu langweilen. Denn zahlreiche Angebote der Gemeinden laufen weiter wie gewohnt, teilweise gibt es sogar zusätzliche Programme. So lädt die Gemeinde Chemnitz Senioren zweimal im Monat zu einem Filmnachmittag bei Kaffee und Kuchen ein. In Dessau trifft sich der Seniorenclub auch jetzt im Sommer wie gewohnt. Sogar die Hebräischkurse für Erwachsene laufen in Dessau weiter und die Bibliothek bleibt geöffnet.

Insbesondere für die Kinder stellen die jüdischen Gemeinden einiges auf die Beine. Viel Abwechslung wird in Leipzig, Chemnitz und Dessau den Daheimgebliebenen geboten. In Chemnitz ist der Gemeindenachwuchs zum Kinderklub eingeladen. Das Programm reicht von jüdischen Spielen bis zum Straßenfest. Auch die jüdische Gemeinde Dessau hat ein betreutes Ferienprogramm organisiert, vom Zoobesuch bis zur Disco ist für jeden etwas dabei. Das Ariowitsch-Haus in Leipzig lädt Mitte Juli zum Kinder-Koch-Kurs ein.

Einige Gemeindemitglieder haben für die Ferien jedoch ganz andere Pläne, weiß Küf Kaufmann von der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig: »Sie fahren mit ihren Kindern in die alte Heimat, zum Beispiel nach Russland oder in die Ukraine. Viele möchten ihren Kindern zeigen, wo sie selbst aufgewachsen sind.«

renovierung Die jüdische Gemeinde in Hagen ist mit ihren rund 300 Mitgliedern zwar eine kleine, aber recht aktive Glaubensgemeinschaft. »In den Sommerferien jedoch gibt es keine Angebote, nicht einmal Gottesdienste, doch dafür wird bei uns umfassend renoviert«, sagt Hagay Feldheim, zweiter Vorsitzender der Gemeinde. Mit Ende der NRW-Sommerferien und zum 50-jährigen Jubiläum der Synagoge können die Gemeindemitglieder diese dann in neuem Glanz erleben.

Die Tatsache, dass das Gemeindeleben fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, bedeutet jedoch nicht, dass die Mitglieder allein gelassen werden. So ist der Sozialdienst auch während der Ferienzeit in Rufbereitschaft. »Darüber hinaus gibt es bei Todesfällen auch unsere Chewra Kaddischa, die Begräbnis-Bruder- und Schwesternschaft ist ständig telefonisch erreichbar«, erklärt Feldheim.

Bis auf den Gottesdienst hat auch die jüdische Gemeinde im rheinland-pfälzischen Trier, die knapp 500 Mitglieder zählt, ihre Angebote wegen der Ferienzeit eingeschränkt. So macht das Jugendzentrum derzeit Sommerpause, während andere Angebote etwas verknappt weiterlaufen. »Der Deutschunterricht, den wir anbieten, wird für zwei Phasen, und zwar vom 18. bis 31. Juli sowie vom 15. bis 20. August unterbrochen«, erklärt Peter Szemere, Sekretär der Jüdischen Gemeinde in Trier und verweist auf die Erfahrung, dass während der Sommerferien der Zulauf zu Gemeindeangeboten ohnehin allgemein nachlasse. Er selbst bleibt während der Ferienzeit zu den gewohnten Zeiten für die Gemeindemitglieder erreichbar. »Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, wann ich Urlaub mache, ich wüsste augenblicklich noch nicht einmal wohin«, so Szemere.

In der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz mit Sitz in Neustadt, die sowohl in Kaiserslautern als auch in Ludwigshafen Gemeindezentren unterhält, gibt es drei Wochen Sommerferien. »Vom 9. Juli bis 26. Juli finden keine Gottesdienste statt und die Gemeindezentren sind geschlossen«, sagt Geschäftsführer Daniel Nemirovsky und weist aber daraufhin, dass der Service des Gemeindebüros aufrechterhalten bleibt.

Was die Gottesdienste in der Synagogengemeinde Saar anbetrifft, so werden diese in Saarbrücken das ganze Jahr über abgehalten, Ferienzeiten spielen keine Rolle. »Falls unser Kantor mal wegen Urlaubs ausfallen sollte, haben wir Ersatz«, sagt Monika Krames von der Gemeindeverwaltung. Ferner stehen die unterschiedlichen Gemeindesegmente wie Soziales den Gemeindemitgliedern auch in der Ferienzeit zur Verfügung. Für Kinder werden von der Jugendabteilung sogar besondere Ferienangebote wie Zeltlager angeboten.

»Am Schabbat lässt sich nicht rütteln«, sagt auch Sonja Kanuschin von der Jüdischen Gemeinde in Lübeck, »daran ändern auch die Sommerferien nichts«. In der Hansestadt haben die Ferien gerade begonnen, entsprechend werden auch viele der ehrenamtlich Tätigen in den nächsten Wochen in Urlaub sein. »Das Büro schließt aber nicht, das ginge auch gar nicht, denn zum Beispiel für Beerdigungen muss die Gemeinde erreichbar sein«, erklärt Kanuschin.

Sommerfest Die sonstigen Angebote der Gemeinde sind allerdings während der Urlaubsmonate Juli und August deutlich reduziert. »Viele Leute, die die Klubs organisieren oder in der Bibliothek mitarbeiten, fahren weg.« Und auch bei den Veranstaltungen gibt es »eine kleine Pause« – allerdings nicht lange, im August steht in der Lübecker Gemeinde ein großes Sommerfest an.

Auch in Aachen sind nun Ferien. Aber nicht für alle, wie Ellen Remie, die seit mehr als 20 Jahren in der Verwaltung der dortigen Gemeinde arbeitet, weiß. Das Büro bleibt geöffnet, die Sprechstunden beim Rabbiner finden weiterhin statt, und auch der Hebräischunterricht für Erwachsene macht keine Sommerpause. Außerdem ist die Bibliothek zweimal wöchentlich geöffnet, »das ist doch schon eine ganze Menge«, findet Remie.

Der Beginn der Schulferien bedeutet schließlich nicht für jeden unter den Aachener Gemeindemitgliedern, dass nun bald die Koffer gepackt werden. Entsprechend bemüht man sich, auch den Daheimbleibenden Angebote zu machen. »Gerade unter den älteren Zuwanderern sind viele Empfänger von Leistungen aus der Grundsicherung, entsprechend haben sie gar kein Geld, um großartig Urlaub zu machen und wegzufahren.«

Auf Unterhaltung müssen sie trotzdem nicht verzichten: »Der Chor trifft sich auch während der Ferien freitags vormittags, und zweimal wöchentlich wird auch im Sommer Schach gespielt, das ist bei den Älteren eine sehr beliebte Aktivität. Der Schachunterricht für Kinder wird dagegen nicht fortgeführt.«

Denn auch wenn die Eltern sich einen Familienurlaub nicht leisten können, tun viele doch alles, um wenigstens den Kindern die Teilnahme an einer der von der ZWSt angebotenen Reisen zu ermöglichen, hat Remie beobachtet: »Manche zahlen den Eigenanteil in Raten ab. Man muss schon sagen, dass die Bereitschaft, den Kindern trotz angespannter finanzieller Lage etwas zu bieten, wirklich ausgesprochen hoch ist.« Und außerdem, fügt Remie lachend hinzu, »ist es für Vater und Mutter ja oft auch schon ein bisschen Urlaub, wenn die Kinder mal nicht da sind.«

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