Hannover

Sensibilisieren auf lokaler Ebene

Hat die kommunale Idee initiiert: Grüne Ratsfrau Katrin Langensiepen Foto: Christian Wyrwa

Mit einer Bildungsoffensive will die grüne Stadtratsfraktion von Hannover auf Antisemitismus reagieren. »Jüdische Schüler trauen sich oft nicht, sich zu ihrer Religion zu bekennen«, beklagt die Grünen-Ratsfrau Katrin Langensiepen im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen das allgemeine Klima in der Leinestadt.

Zwar gibt es kein gewaltsames, offensiv judenfeindliches Verhalten, aber verstärkt klagen Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Hannover und der Liberalen Jüdischen Gemeinde über Hassmails, antisemitische Schmierereien und Beschimpfungen.
Die Bildungsoffensive soll dazu dienen, Schülern und Lehrern, neu Zugezogenen und Alteingesessenen ins Bewusstsein zu rufen, dass »jüdisches Leben Teil hannoverscher Identität« ist. Dabei soll auch konkret »jüdisches Leben erfahrbar« gemacht werden.

Gewalt »Die zu planenden Maßnahmen sollen insbesondere die alltäglichen Formen wie antisemitische Beleidigungen oder Redensarten (also auch Übergriffe unterhalb der Schwelle körperlicher Gewalt) berücksichtigen und thematisieren«, heißt es in einem Ratsantrag der regierenden Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.

Fachleutegremium Ein Expertenkreis des Rats der Stadt Hannover rät vor allem dazu, antisemitische Einstellungen und Handlungen in der Gegenwart deutlich zu machen, sagt die Grüne Katrin Langensiepen. Dem Fachleutegremium gehören neben Vertretern der jüdischen Gemeinden Vereine wie die Amadeu Antonio Stiftung, Sozialexperten der Hochschule Hannover und Mitglieder niedersächsischer Gedenkstätten an.

Künftig soll eine städtische Dokumentationsstelle Ansprechpartner für Betroffene und Bürger sein, um »antisemitische Beleidigungen und Angriffe« melden zu können. Mit einer »Dokumentationsstelle für antisemitische Vorfälle würde Hannover bundesweit eine Vorreiterrolle unter den Kommunen einnehmen«, heißt es in einem Sachstandsbericht der hannoverschen Stadtverwaltung. Damit werde in der bundesweiten Diskussion um eine Meldepflicht antisemitischer Übergriffe an Schulen von Hannover aus »ein wichtiges Signal« gesendet.

Niedrigschwellig Um möglicher Skepsis gegenüber der Verwaltung zu begegnen und auch einen niedrigschwelligen Zugang von Personen zu ermöglichen, die antisemitische Vorfälle melden, sowie deren Anonymität zu gewähren, soll die Dokumentationsstelle nach städtischer Planung an einen externen Träger vergeben werden.

Für die Schaffung der Dokumentationsstelle schätzt die Stadtverwaltung einen Finanzierungsbedarf von jährlich 40.000 Euro. Dieses Geld muss der Rat der Stadt jedoch erst noch bewilligen. Konkret steht für Anfang des kommenden Jahres eine Fachtagung auf der Agenda, bei der staatliche Institutionen wie Polizei und Justiz, aber auch christliche Kirchen sensibilisiert werden sollen, Antisemitismus genauer zu betrachten und wahrzunehmen.

Während inzwischen einige der 16 Bundesländer einen Antisemitismusbeauftrag­ten der Landesregierung haben, fehlt diese Institution in Niedersachsen nach wie vor. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hannover, Michael Fürst, begrüßte in einem Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen grundsätzlich die Initiative. Allerdings gibt er zu bedenken, ob nicht eine Zentralstelle für die Registrierung von antisemitischen Vorfällen in Niedersachsen, also auf Landesebene, wichtiger sein könnte als kommunale Einrichtungen.

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025

Trilogie

Aufgewachsen zwischen den Stühlen

Christian Berkel stellte seinen Roman »Sputnik« im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  26.10.2025

Dank

»Endlich, endlich, endlich!«

Die IKG und zahlreiche Gäste feierten die Freilassung der Geiseln und gedachten zugleich der Ermordeten

von Esther Martel  24.10.2025

Kladow

Botschaft der Menschlichkeit

Auf Wunsch von Schülern und des Direktoriums soll das Hans-Carossa-Gymnasium in Margot-Friedländer-Schule umbenannt werden

von Alicia Rust  24.10.2025

Osnabrück

Rabbiner Teichtal: »Unsere Aufgabe ist es, nicht aufzugeben«

»Wer heute gegen Juden ist, ist morgen gegen Frauen und übermorgen gegen alle, die Freiheit und Demokratie schätzen«, sagt der Oberrabbiner

 24.10.2025

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025