Stimmen

»Sein Wort hat für mich Gewicht«

Yona Metzger bei seinem Vortrag im Centrum Judaicum Foto: Mike Minehan

Stimmen

»Sein Wort hat für mich Gewicht«

Gemeindemitglieder über den Vortrag von Israels Oberrabbiner Yona Metzger zur Beschneidungsdebatte

von Philipp Peyman Engel  21.08.2012 07:21 Uhr

Wenn das Gespräch auf die Beschneidungsdebatte fällt, wird Mirjam Marcus geradezu ungehalten. »Es ist unerträglich«, sagt sie empört, »was in der Verbotsdiskussion alles an antireligiösen und antisemitischen Ressentiments hochgespült wird.« Marcus hat wie viele andere Gemeindemitglieder das Gefühl, dass viele Beschneidungskritiker es genießen, im Schutzmantel des Humanismus nun endlich einmal – und dafür umso stärker – etwas gegen Juden sagen zu können. »So kriminalisiert und grenzt man uns wieder einmal aus in diesem Land«, befindet sie.

einladung Um sich solidarisch mit den Befürwortern der Brit Mila zu zeigen, ist Marcus deshalb am Montagabend zum Vortrag von Israels Oberrabbiner Yona Metzger in die Jüdische Gemeinde Berlin gekommen. Dieser sprach auf Einladung der Gemeinde und Chabad Lubawitsch im Rahmen einer »Not-Konferenz« über die Beschneidung und ihren Stellenwert fürs Judentum. Was erwarten sich andere Gemeindemitglieder von dem Vortrag des Oberrabbiners? »In religiöser Hinsicht, ehrlich gesagt, nichts Neues«, gibt Esther Gernhardt zu. »Die Pflicht der Beschneidung steht nun einmal geschrieben, und es gibt keine sinnvollen Gründe gegen sie.«

Womöglich könne der Oberrabbiner ihr aber Argumente aus der Wissenschaft nennen, die widerlegen, dass die Brit Mila »eben nicht brutal und barbarisch ist, wie so oft behauptet.« Ungleich zurückhaltender sieht das ein Mann, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Bislang war der 70-Jährige »felsenfest davon überzeugt, dass ein männlicher Jude natürlich beschnitten werden muss«. Im Zuge der Debatte sind ihm jedoch Zweifel gekommen, ob die Brit Mila nicht auch auf das Erwachsenenalter verschoben werden kann.

Argumente »Nach dem Vortrag des Rebben werde ich sicherlich klarer sehen«, ist er überzeugt. »Sein Wort hat für mich Gewicht. Er ist eine Autorität, die sowohl religiöse als auch wissenschaftliche Argumente gelten lässt.« Tatsächlich spricht Metzger an diesem Abend nicht nur über die fundamentale Bedeutung der Beschneidung fürs Judentum, sondern geht auch auf die Argumente ihrer Gegner ein. Zuvor jedoch begrüßte der Gemeindevorsitzende Gideon Joffe den Oberrabbiner. Dies sei ein ganz besonderer Tag für seine Gemeinde, der ihn »glücklich macht«, erklärte er.

Angesichts der unerfreulichen Beschneidungsdebatte freue er sich zudem umso mehr über eine gute Nachricht, sagte Joffe: »Rabbiner Yehuda Teichtal ist ab heute offiziell Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.« Wer mit so viel Elan und Herzblut Rabbiner sei, der habe es auch verdient, Gemeinderabbiner zu sein. Teichtal bedankte sich sogleich: »Lasst uns gemeinsam etwas bewegen, zusammen können wir daran arbeiten, dass Berlin wieder ein Zentrum des Judentums wird.«

mizwa Nach Glückwünschen für den neuen Gemeinderabbiner, ging der Oberrabbiner zum ernsten Thema seines Aufenthalts über. In seiner Rede warnte Metzger davor, die Brit Mila zu verbieten. Man könne in einem Staat mit Religionsfreiheit nicht einfach eine jahrtausende alte Mizwa untersagen, zumal sie keinem schade. Äußerst besorgt äußerte er die Befürchtung, dass im Zuge des Kölner Urteils auch andere Staaten wie Österreich und Dänemark ein Beschneidungsverbot anstreben könnten.

Auf die Beschneidungsgegner ging Metzger einen Schritt zu. Die Mohalim in Deutschland könnten nach israelischem Vorbild eine medizinische Ausbildung absolvieren, schlug er vor. Die Teilnahme an dieser Weiterbildung könne durch einen Arzt sowie die Rabbinerversammlung lizensiert werden. Eine Narkose indes lehnte er mit Verweis auf die Risiken ab.

Metzger schloss seine Rede, halb amüsiert, halb betrübt, mit einem Verweis auf den in diesen Tagen häufig vorgebrachten Vorwurf, die Brit Mila verursache bei den Beschnittenen ein Trauma. Dieses Argument habe er in diesen Tagen in Deutschland zum ersten Mal in seinem Leben gehört, sagte er. »Der Vorwurf ist lächerlich.«

Porträt der Woche

Leben mit allen Sinnen

Susanne Jakubowski war Architektin, liebt Tanz und die mediterrane Küche

von Brigitte Jähnigen  19.10.2025

Miteinander

Helfen aus Leidenschaft

Ein Ehrenamt kann glücklich machen – andere und einen selbst. Menschen, die sich freiwillig engagieren, erzählen, warum das so ist und was sie auf die Beine stellen

von Christine Schmitt  19.10.2025

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025

München

Mut in schwieriger Zeit

Der Schriftsteller und Historiker Rafael Seligmann stellte im Gespräch mit Christian Ude sein neues Buch im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  09.10.2025