Berlin

Schirim unter der Kanzel

Wer an einem Dienstagabend in diesen Wochen die Sophienkirche aus dem 18. Jahrhundert in Berlin-Mitte unweit der Hackeschen Höfe besucht, wird etwas hören, das er so wahrscheinlich nicht erwarten würde: Zionistische Lieder, voller Verve gesungen, erschallen aus den offenen Fenstern. Denn in der Sophienkirche probt seit Mitte Mai der Hebräische Chor unter der Leitung von Ohad Stolarz.

»Aktuell arbeiten wir an ›Emek‹, einem Stück des israelischen Komponisten Marc Lavry«, erklärt der 25-jährige Notensetzer und Musik-Herausgeber aus Tel Aviv, der auch als Sänger über reichlich Erfahrungen verfügt. »Das Lied aus dem Jahre 1937 bringt seine Begeisterung über die Natur und die zionistische Aufbauarbeit in der Jesreel-Ebene, also dem Emek, im Norden Israels zum Ausdruck und wurde unmittelbar nach seiner Einwanderung nach Palästina verfasst.«

Tonlage Dieser Funke der Begeisterung scheint auch auf die knapp 30 Sängerinnen und Sänger übergesprungen zu sein, die sich mit einer gehörigen Portion Enthusiasmus ins Zeug legen, um die richtige Tonlage zu treffen. Das Ergebnis kann sich durchaus hören lassen. »Die Proben überraschen mich immer wieder von Neuem, weil es jedes Mal besser läuft als gedacht«, berichtet der junge Israeli stolz. »Innerhalb kürzester Zeit haben wir ein erstaunliches Niveau erreicht und wagen bald sogar den Schritt in die Öffentlichkeit.«

Ende Juni ist der erste Auftritt vor einem größeren Publikum geplant, und zwar anlässlich des Sommerfests der Heinz-Galinski-Schule. »Bis dahin liegt aber noch ein ordentliches Stück Arbeit vor uns.« Zwischen der Idee zur Gründung eines Hebräischen Chors und deren Umsetzung vergingen keine drei Wochen. »Fünf Jahre habe ich in Israel gelebt und dort in verschiedenen Chören aus reinem Spaß an der Freude gesungen«, berichtet Ruth Kinet.

»Nach meiner Rückkehr nach Berlin vermisste ich es wirklich sehr, gemeinsam mit anderen die klassischen hebräischen Lieder einzuüben und vorzutragen«, sagt die Buchautorin. »Ich liebe einfach das Feuer und den Pathos, der in ihnen zum Ausdruck kommt.« Davon erzählte sie Lior Stern, die selbst professionelle Sopranistin mit einem Abschluss der Jerusalemer Musikhochschule ist und ganz nebenbei die Freundin von Ohad Stolarz.

Facebook Alle drei setzten sich zusammen, diskutierten ausführlich über das mögliche Repertoire und wie man die richtigen Leute und Räumlichkeiten finden könne. »Über meine Freundin Christina Bammel, die Pfarrerin der Sophienkirche, kamen wir an den Proberaum«, sagt Kinet. Die beiden anderen riefen eine Hebräische-Chor-Facebook-Gruppe ins Leben, der Rest geschah über Mund-zu-Mund-Propaganda.

»Dass dann direkt fast 30 Leute zu unserer ersten Probe erschienen, hat mich echt umgehauen«, freut sich Kinet. In der Tat kam eine recht bunte Truppe zusammen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnte. Rund die Hälfte sind Israelis, die anderen jüdische und nichtjüdische Deutsche, dazu ein Franzose und ein Spanier. Einige sind Profis, andere singen das allererste Mal überhaupt in einem Chor und können keine Noten lesen.

Nicht alle sprechen Hebräisch, lieben aber den Klang der Sprache oder wollen sich ihr auf diese Weise irgendwie nähern. Deshalb gibt es die Liedtexte ebenfalls in lateinischen Buchstaben sowie in englischer Übersetzung, damit alle sie verstehen können und niemand ausgeschlossen wird. Die Jüngsten sind Mitte 20, der Älteste hat die 70 schon locker überschritten.

»Für mich ist das auch eine wunderbare Gelegenheit, mein in Israel erlerntes Hebräisch nicht einrosten zu lassen«, bringt die Theologin Marlen Bunzel ihre Motivation, dem Chor beizutreten, auf den Punkt.

Atemübung Los geht es jedes Mal mit ungefähr 20 Minuten Atem- und Dehnübungen unter der Anleitung von Niva Eshed. »Wichtig für das Singen ist immer die richtige Haltung«, betont sie, und alle folgen aufmerksam den Anweisungen und Tipps der hochschwangeren und ebenfalls an der Jerusalemer Musikhochschule ausgebildeten Sängerin. »Körperbeherrschung gehört einfach dazu.«

Was dann passiert, ist die Einteilung in die Stimmgruppen Sopran, Alt, Tenor und Bass, die unter der Anleitung von Ohad Stolarz die Textzeilen einstudieren und gemeinsam vortragen. Man kann förmlich spüren, wie viel Arbeit in nur einem einzigen Lied steckt. Immer wieder werden sogar einzelne Worte wiederholt und an der Tonlage gefeilt, bis alles richtig sitzt. Dabei fühlt sich niemand unter Druck gesetzt oder unwohl, auch wenn es vielleicht nicht unbedingt auf Anhieb klappt.

Aber genau diese entspannte und positive Atmosphäre scheint alle zu beflügeln und vermittelt auch denen das nötige Selbstvertrauen, die sich nie zuvor zu singen trauten. »Nach einer solchen Erfahrung scheint jeder geerdet zu sein«, glaubt Stolarz, der selbst mit Leib und Seele dabei ist und anscheinend niemals die Geduld verliert.

Wissenschaftliche Studien bestätigen diesen Eindruck: Wer in einem Chor singt, fühlt sich subjektiv emotional besser, baut Stress ab und stärkt zugleich die körperlichen Abwehrkräfte. »Zudem bleiben wir eine offene Gruppe. Wer Interesse am gemeinsamen Singen hat oder einfach nur einmal Chorluft schnuppern will, ist herzlich willkommen und kann sich auf Facebook jederzeit über unsere Termine informieren.«

München

Knobloch lobt Merz-Rede in Synagoge

Am Montagabend wurde in München die Synagoge Reichenbachstraße wiedereröffnet. Vor Ort war auch der Bundeskanzler, der sich bei seiner Rede berührt zeigte. Von jüdischer Seite kommt nun Lob für ihn - und ein Appell

von Christopher Beschnitt  16.09.2025

Auszeichnung

Düsseldorfer Antisemitismusbeauftragter erhält Neuberger-Medaille

Seit vielen Jahren setze sich Wolfgang Rolshoven mit großer Entschlossenheit gegen Antisemitismus und für die Stärkung jüdischen Lebens in Düsseldorf ein, hieß es

 16.09.2025

Erinnerung

Eisenach verlegt weitere Stolpersteine

Der Initiator des Kunst- und Gedenkprojekts, Gunter Demnig aus Köln, die Stolpersteine selbst verlegen

 16.09.2025

Porträt der Woche

Passion für Pelze

Anita Schwarz ist Kürschnerin und verdrängte lange das Schicksal ihrer Mutter

von Alicia Rust  16.09.2025

Bayern

Merz kämpft in wiedereröffneter Synagoge mit Tränen

In München ist die Synagoge an der Reichenbachstraße feierlich wiedereröffnet worden, die einst von den Nationalsozialisten zerstört wurde. Der Bundeskanzler zeigte sich gerührt

von Cordula Dieckmann  16.09.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Erstes Konzert in Magdeburger Synagoge

Die Synagoge war im Dezember 2023 eröffnet worden

 15.09.2025

Thüringen

Jüdisches Bildungsprojekt »Tacheles mit Simson« geht erneut auf Tour

Ziel des Projektes sei es, dem Aufkommen von Antisemitismus durch Bildung vorzubeugen, sagte Projektleiter Johannes Gräser

 15.09.2025

Essen

Festival jüdischer Musik mit Igor Levit und Lahav Shani

Der Festivalname »TIKWAH« (hebräisch für »Hoffnung«) solle »ein wichtiges Signal in schwierigen Zeiten« setzen, hieß es

 15.09.2025

Berlin

Margot Friedländer Preis wird verliehen

Die mit insgesamt 25.000 Euro dotierte Auszeichnung gehe an Personen, die sich für Toleranz, Menschlichkeit, Freiheit und Demokratie einsetzen

 15.09.2025