In München-Sendling wurden im Juli vier Erinnerungszeichen für Karl Simon sowie Lisette Lilie, Betty Landauer und Julian Marcuse der Öffentlichkeit übergeben. Sie erinnern an Münchnerinnen und Münchner, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden und über die bislang wenig bekannt war. Im Rahmen eines Erinnerungsprojektes haben nun Auszubildende der Wohnungsbaugesellschaft »Münchner Wohnen« in Zusammenarbeit mit der Abteilung Public History im städtischen Kulturreferat ihre Biografien recherchiert und sie bei einer Gedenkveranstaltung verlesen.
Dazu bemerkte Christian Müller, Geschäftsführer von Münchner Wohnen: »Die Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus hat sich zu einem wichtigen Teil der Ausbildung unserer Nachwuchskräfte entwickelt.« Stadträtin Heike Kainz, die Oberbürgermeister Dieter Reiter vertrat, bekräftigte: »Je länger die grausamen Geschehnisse im ›Dritten Reich‹ zurückliegen, umso wichtiger ist es, dass diese nicht in Vergessenheit geraten und sich vor allem junge Menschen damit auseinandersetzen.«
Lisette Lilie, geborene Oppenheimer, lebte nach dem Tod ihres Mannes seit 1931 in einer Sendlinger Siedlung der GEWOFAG, wie die Wohnungsbaugesellschaft damals hieß. Zeitweise arbeitete sie für das Bekleidungsgeschäft von Isidor Bach, der 1936 noch in die Schweiz emigrierte. Die Nationalsozialisten vertrieben Lilie zunächst in die »Judensiedlung Milbertshofen« und deportierten sie 1942 nach Theresienstadt. Im Alter von 73 Jahren wurde sie 1942 in Treblinka ermordet.
Sie erinnern an Münchnerinnen und Münchner, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden und über die bislang wenig bekannt war.
Auch der Jugendliche Karl Simon lebte mit seiner Familie in einem Haus der GEWOFAG in der Kraelerstraße. Seit früher Kindheit litt er unter epileptischen Anfällen. Er wurde 1942 im Alter von 16 Jahren in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar ermordet. Betty Landauer war bereits seit 1914 in der SPD und der USPD politisch aktiv. Ob sie sich auch noch in der Weimarer Zeit engagierte, lässt sich nicht sicher belegen. Sie lebte in der Maronstraße in einer Wohnung der Wohnungsbaugesellschaft, die 1938 allen jüdischen Bewohnern kündigte. Im November 1941 wurde Landauer nach Kaunas deportiert und dort ermordet.
Der Neurologe Julian Marcuse engagierte sich in der Gesundheitsreformbewegung. Auch er war aktives Mitglied der SPD. Bis 1935 betrieb er eine Praxis in der Pfeuferstraße. 1942 wurde er nach Theresienstadt deportiert und dort noch im selben Jahr ermordet.
Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hob bei der Gedenkveranstaltung die wachsende Bedeutung der Erinnerungskultur in unserer Zeit hervor: »Was diese Menschen in ihrem Leben für ihre Familie und für die Gesellschaft geleistet hatten, zählte ab 1933 nichts mehr. Aber heute zählt es wieder etwas. Heute erinnern wir uns ihrer als Menschen.«