Zahlreiche Schlüssel klimpern an seinem Gürtel. Denn Giorgi Giorgadze hat für alle Türen der Jüdischen Gemeinde Mannheim den passenden. Jeden Morgen kontrolliert der 47-Jährige, ob in den Gebäuden alles in Ordnung ist, er testet, ob überall das Licht funktioniert, schaut in die Küche und prüft die Geräte. Auch auf die Synagoge hat er ein Auge.
Meistens kann und muss er sich seine Aufgaben selbst einteilen. »Ich freue mich jeden Morgen auf meine Arbeit, ich bin hier glücklich«, sagt er.
In diesen Tagen hat Giorgi Giorgadze viel zu tun und muss oft länger als vorgesehen bleiben – es gab einen Rohrbruch im Gemeindezentrum, wo auch die Synagoge untergebracht ist. »Da ist viel Wasser geflossen.« Der Schaden konnte aber rasch behoben werden.
An seinen ersten Arbeitstag kann er sich noch gut erinnern
An seinen ersten Arbeitstag vor acht Jahren kann er sich noch gut erinnern: »In der Gemeinde gab es einen Frühlingsball, und ich musste viele Stühle und Tische wegräumen.« Seine Ehefrau, die Mitglied der Jüdischen Gemeinde Mannheim ist, hatte ihm damals geraten, sich dort zu bewerben. Seitdem hat er reichlich zu tun. »Derzeit stehen Laubharken sowie das Kürzen von Sträuchern und Büschen ganz oben auf meinem Plan.«
Seine nächste große Aufgabe wird es sein, den Chanukkaleuchter aus dem Keller hervorzuholen und aufzubauen. Zu Beginn seiner Arbeit stand er oft an der Eingangstür – auch, um Gemeindemitglieder oder Gäste zu begrüßen, damit sie wissen, wer er ist. »Viele kannten bereits meine Frau und meine beiden Söhne«, sagt er. »Jetzt also auch mich.«
Giorgadze stammt aus Georgien, zog aber wegen der Arbeit nach Kasachstan. Dort führte er eine eigene Baufirma, die sich auf den Innenbereich spezialisiert hatte. In Kasachstan lernte er seine Frau kennen. 2008 zog die Familie nach Mannheim. Am Anfang fand er als Kurier eine Anstellung – doch die Möglichkeit, als Hausmeister in der Gemeinde zu arbeiten, reizte ihn viel mehr.
»Langeweile? Kenne ich bei meiner Arbeit nicht«
Während Giorgi Giorgadze in Mannheim für Ordnung sorgt, ist einige Kilometer weiter südlich, in Stuttgart, ein anderer Mann engagiert für seine Gemeinde tätig: Alexander Reznitchi. »Langeweile? Kenne ich bei meiner Arbeit nicht, ich bin ständig unterwegs«, berichtet der ehemalige Sportlehrer und heutige Hausmeister mit einem Schmunzeln. Voller Tatendrang erzählt er davon, wie er am vergangenen Wochenende in der Synagoge die Technik für die Veranstaltung zum Pogromnachtgedenken aufbauen musste. Reznitchi ist bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs angestellt. »Ich habe sogar einen Titel«, sagt er ein wenig stolz: »Leiter der Hausmeisterei.«
Als er mit seiner Familie im Jahr 2000 aus Moldawien nach Deutschland kam, wusste er, dass es schwer für ihn werden würde, beruflich noch einmal durchzustarten. Er musste erst einmal Deutsch lernen. Bis dahin lagen viele Stationen hinter ihm: eine Ausbildung zum Straßenbaumeister, der Militärdienst – davon ein Jahr in Afghanistan –, eine Ausbildung zum Goldschmied und schließlich eine Weiterbildung an der Fachhochschule zum Sportlehrer. »Aber als Lehrer verdiente ich zu wenig, deshalb wurde ich Schreiner.«
Schon morgens, wenn er das Gebäude betritt, strahlt Viaceslavas Nikonovas.
In seiner Anfangszeit in Stuttgart arbeitete Alexander Reznitchi als Hausmeister in einem Fitnessstudio. Seine Tochter, die zum Religionsunterricht in die Gemeinde ging, brachte ihn dazu, sich dort zu bewerben. Als Aushilfe fing er an, bis eine feste Stelle frei wurde und er sie übernehmen konnte. Das war vor 21 Jahren.
Inzwischen kann er die »gute Seele« der Gemeinde genannt werden, denn der heute 65-Jährige ist immer zur Stelle: Sei es, dass eine Glühbirne durchgebrannt ist, Stühle herbeigeschafft oder Türen geöffnet werden müssen. Oft bleibt er auch länger in der Gemeinde – beispielsweise beim nächsten Chanukka-Ball, für den er wieder viel vorbereiten muss.
»Ich würde sagen, dass ich alle Mitglieder kenne, die die Gemeinde besuchen«, sagt er, »aber sie kennen mich noch besser.« Mit manchen von ihnen sei er mittlerweile befreundet.
Jedes Jahr zu Sukkot baut er die Laubhütte auf
Was Alexander Reznitchi in Stuttgart auszeichnet – Tatkraft, technisches Geschick und Nähe zu den Gemeindemitgliedern –, findet sich auch im Westen Deutschlands am Niederrhein wieder: In Mönchengladbach kümmert sich Alexander K., der aus Sicherheitsgründen seinen Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, um »seine« Gemeinde. Der Ingenieurmechaniker kam mit seinen Eltern, seiner Frau und der Tochter vor 24 Jahren aus Odessa nach Deutschland. »Aber einen Monat nach unserer Ankunft verstarb mein Vater und sollte hier beerdigt werden«, erzählt er. So kam er erstmals in Kontakt mit der jüdischen Gemeinde. Später wurde er ihr Hausmeister.
Jeden Morgen beginnt Alexander K. damit, den Müll zu sortieren, das Gebäude zu kontrollieren und zu prüfen, ob alle Lampen funktionieren. Außerdem übernimmt er die Gartenarbeit und kümmert sich um den kleinen Teich auf dem Gelände. »Ich mag das Arbeiten an der frischen Luft«, sagt er. Zu den Feiertagen richtet er Tische und Stühle her, und jedes Jahr zu Sukkot baut er die Laubhütte auf. »Ich habe hier viele Freunde gefunden. Man kennt mich. Ich bin sehr dankbar, hier arbeiten zu dürfen«, erzählt der 54-Jährige.
Nicht nur in den großen Städten, auch in der Jüdischen Gemeinde zu Dessau ist ein Hausmeister im Einsatz. Hier bringt sich Viaceslavas Nikonovas mit handwerklichem Können und viel Engagement ein. Er ist 2002 aus Litauen nach Deutschland gekommen und hat vier Ausbildungen absolviert: Er ist Fliesenleger, Maler, Trockenbauer und Maurer. Schon morgens, wenn er das Gebäude betritt, strahlt er. Dann hat er meist schon eine Idee, wie er den Tag gestalten wird. Wenn das Wetter gut ist, arbeitet er am liebsten auf dem Friedhof oder auf dem Gemeindegrundstück. Dann holt er den Besen heraus, fegt oder harkt Laub. Auch die Reinigung der großen Fensterfronten der Synagoge, die erst vor zwei Jahren eingeweiht wurde, steht regelmäßig auf seinem Plan.
Besonders die älteren Gemeindemitglieder mögen ihn
Seit März 2022 ist Viaceslavas Nikonovas bei der Jüdischen Gemeinde zu Dessau als Hausmeister angestellt. »Eine gemeinsame Bekannte gab mir damals den Tipp, mich zu bewerben«, berichtet er. Seitdem ist sein Bekanntenkreis deutlich gewachsen – er hat viele neue Menschen kennengelernt. Besonders die älteren Gemeindemitglieder mögen ihn. Denn zu seinen Aufgaben gehört es auch, ihnen bei Bedarf zu helfen: Lampen aufzuhängen, kleine Reparaturen zu übernehmen oder für sie einzukaufen. Da Nikonovas handwerklich sehr geschickt ist, hat er für die Gemeinde eigenhändig eine Chanukkia zusammengeschweißt, die jedes Jahr neu aufgebaut wird.
Ob in Mannheim, Stuttgart, Mönchengladbach oder Dessau – überall sind es Menschen wie Giorgi Giorgadze, Alexander Reznitchi, Alexander K. und Viaceslavas Nikonovas, die mit ihrer Arbeit die Gemeinden bereichern. »Sie halten nicht nur Gebäude instand, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl lebendig«, bringt es Aron Russ, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, auf den Punkt.