Diesen Satz kennen viele: »Wer ein Haus baut, will bleiben«, sagte Salomon Korn bei der Eröffnung des von ihm mitentworfenen Gemeindezentrums der Jüdischen Gemeinde Frankfurt im September 1986. Der zweite, sehr aktuelle Teil des Ausspruchs ist indes weniger geläufig: »Und wer bleiben will, erhofft sich Sicherheit.« Der Architekt des Frankfurter Gemeindezentrums sollte die Geschicke seiner Gemeinde fortan prägen – zunächst als Vorstandsmitglied und seit 1999 als Vorsitzender und Nachfolger des legendären Ignatz Bubis.
Im vergangenen Jahr trat Salomon Korn nicht mehr zur Gemeinderatswahl an. Der heute 82-Jährige machte so den Weg für einen Generationenwechsel im Vorstand frei. Auch Leo Latasch trat bei der Wahl nicht mehr an. Der 1952 geborene Rettungsmediziner gehörte, ebenso wie Korn, über drei Jahrzehnte dem Gemeindevorstand an, wo er unter anderem für das Altenzentrum, Soziales und Sicherheit zuständig war.
Dass die Frankfurter Gemeinde in den vergangenen Jahrzehnten derart florieren konnte, ist maßgeblich auf Korns und Lataschs ehrenamtliches Wirken zurückzuführen. Nicht zuletzt wegen ihrer guten Beziehungen zur Kommunal- und Landespolitik sowie zur Polizei gilt die Jüdische Gemeinde Frankfurt als bundesweites Vorbild. Ebenso agiert sie weitestgehend skandalfrei.
So erscheint es nur folgerichtig, dass Korn und Latasch am 3. September mit der höchsten Auszeichnung ihrer Gemeinde, dem Ehrensiegel in Silber, bedacht wurden. Die Ehrung ist dem Siegel der im Nationalsozialismus untergegangenen Israelitischen Gemeinde Frankfurt nachempfunden und wird Menschen zuteil, die sich laut Gemeinde »in besonderem Maße und aus vollem Herzen für die jüdische Gemeinschaft in Frankfurt eingesetzt haben«.
Zuletzt erhielten die Zeitzeugin Eva Szepesi und Hessens ehemaliger Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) das Ehrensiegel.
Zuletzt erhielten die Zeitzeugin Eva Szepesi und Hessens ehemaliger Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) das Ehrensiegel. Auch das Engagement der beiden aktuellen Preisträger geht über Frankfurt hinaus: Leo Latasch gehört etwa bis heute dem Vorstand der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) an, Salomon Korn war von 2003 bis 2014 Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Der einstige Zentralratspräsident Dieter Graumann hielt im Ignatz Bubis-Gemeindezentrum die Laudatio auf seinen langjährigen Vorstandskollegen Salomon Korn. Frankfurts Bürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg (Bündnis 90/Die Grünen) übernahm die Würdigung von Leo Latasch. Als Dezernent für Soziales organisierte er in den 90er-Jahren die Betreuung und Integration jüdischer Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion.
Salomon Korn genießt ein hohes Ansehen in der Politik und gilt als kundiger Publizist und Redner. »Mit dieser Auszeichnung ehren wir zwei wahre Menschen, wie sie im besten jiddischen Sinne definiert sind«, schreibt der Gemeindevorstand über Korn und Latasch. Beide seien »große Persönlichkeiten, die mit Haltung, Weitblick und tiefer Menschlichkeit (…) Verantwortung übernommen haben, sowohl für unsere Gemeinde als auch für das gesellschaftliche Miteinander in unserer Stadt«.
Dass das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden gefährdet ist, zeigte sich zuletzt an der deutlichen Häufung anti-israelischer Veranstaltungen und Aufmärsche im Frankfurter Stadtgebiet. So würdigt die Jüdische Gemeinde Frankfurt zwei Vertreter ihres womöglich ausgehenden goldenen Zeitalters: In Salomon Korns und Leo Lataschs Amtszeit fielen Meilensteine wie der Einzug der I. E. Lichtigfeld-Schule ins historische Philanthropin-Gebäude, die Erneuerung und Aufstockung des Staatsvertrages mit dem Land Hessen und die Errichtung des Neubaus der Lichtigfeld-Schule auf dem Areal des Gemeindezentrums.
Ein Weggefährte Korns und Leo Lataschs, der ebenfalls ein würdiger Träger des Ehrensiegels gewesen wäre, fehlte an diesem Abend: Harry Schnabel wirkte über viele Jahre im Frankfurter Gemeindevorstand und im Zentralratspräsidium, wo er bis zu seinem plötzlichen Tod am 7. September 2023 unter anderem den Bau der Jüdischen Akademie verantwortete.