ELES

Ort jüdischer Selbstbehauptung

Einfach zur Tagesordnung übergehen – das wollte und konnte an diesem Abend keiner der Anwesenden. Einen Tag nach dem rechtsextremistisch und antisemitisch motivierten Anschlag auf eine Synagoge im sachsen-anhaltinischen Halle mit zwei Todesopfern und weiteren Verletzten stand die Zehnjahresfeier des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks (ELES) im Lichthof des Jüdischen Museums Berlin am 10. Oktober unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse vom Vortag.

Eine Schweigeminute für die Toten und Verletzten des Terrorangriffs eröffnete den Abend. Die rund 340 Gäste – unter ihnen neben vielen Stipendiaten und Ehemaligen des jüdischen Studienwerks auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sowie Rabbiner und ELES-Direktor Walter Homolka – erhoben sich zum Gedenken an die Ermordeten.

»Ich bin die dumpfe Verachtung leid, die kaum verhohlene Bereitschaft zu Gewalt.«
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier

Zorn Der Bundespräsident, der eigentlich gekommen war, um Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern sowie Schirmherrin von ELES, mit der Verleihung der Ernst Ludwig Ehrlich Medaille für die Wissenschaften und Künste zu ehren, fand zu Beginn seiner Laudatio deutliche Worte. »Mich ergreift Zorn über die nicht enden wollende Dummheit, Feigheit und Brutalität der Angriffe auf die jüdische Gemeinschaft in unserem Land«, sagte das Staatsoberhaupt.

»Ich bin die dumpfe Verachtung leid, die kaum verhohlene Bereitschaft zu Gewalt, das offene Schüren von Hass gegen Minderheiten, gegen demokratische Institutionen in unserem Land«, betonte Steinmeier. »Ich bin es leid, dass Rechtsextremismus offen das Wort geredet wird und diese Borniertheit klammheimliche Zustimmung findet. Ich sage es deutlich: Wer dafür auch nur einen Funken Verständnis aufbringt, der macht sich schuldig.«

Dass unter den Gästen an diesem Abend auch vier Personen waren, die zum Versöhnungstag Jom Kippur am Gottesdienst in der Hallenser Synagoge teilgenommen hatten, mache ihn sehr froh, sagte der Bundespräsident. »Ich wünsche Ihnen, dass Sie über die Angst und den Schrecken hinwegkommen mögen.«

Ehrung Die Worte zu Halle waren nötig. Nach ihnen ging der Bundespräsident zum Feierlichen über. Die zu ehrende Charlotte Knobloch sei für ihn stets ein »Orientierungslicht« gewesen, betonte Steinmeier. Sie habe sich um Deutschland verdient gemacht, sei immer eine Stimme gegen Ausgrenzung und Vorurteile gewesen und für ein aufgeklärtes Miteinander der Religionen eingetreten. Knobloch habe stets die Demokratie verteidigt.

Die resolute Frau habe geholfen, die Gemeinden in Deutschland aufzubauen und sich niemals entmutigen lassen. »Wer heute als Demokrat angegriffen wird, muss sich als Demokrat verteidigen«, sagte Steinmeier. »Lassen Sie uns daher zusammenstehen gegen Hass und Gewalt.« Knobloch dankte dem Bundespräsidenten für seine »wunderbaren und berührenden Worte«.

ELES trage entscheidend dazu bei, das Zukunftspotenzial der jüdischen Gemeinschaft in Gänze auszuschöpfen, sagt Charlotte Knobloch.

Auch sie widmete den ersten Teil ihrer Rede der Schwere und Trauer des Tages. »Auch bei einem festlichen Anlass wie diesem dürfen wir nicht vergessen, dass im Hinblick auf die Normalität und Sicherheit jüdischen Lebens noch viel zu tun bleibt«, sagte Knobloch. Doch gerade aus diesem Grund sei eine Institution wie ELES so wichtig für die jüdische Community in Deutschland. ELES trage seit seiner Gründung 2009 entscheidend dazu bei, das Zukunftspotenzial der jüdischen Gemeinschaft in Gänze auszuschöpfen, betonte Knobloch. »Es bringt junge jüdische Menschen zusammen, schafft Netzwerke, stiftet Zusammenhalt und wirkt so auch weit über die jüdische Welt hinaus.«

Qualifizierung Dem konnte sich Zentralratspräsident Schuster nur anschließen. Gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Antisemitismus in der Gesellschaft brauche die jüdische Gemeinschaft gut ausgebildete, qualifizierte junge Menschen, die sich mit hohem Verantwortungsbewusstsein für das Judentum in Deutschland engagieren.

»ELES-Stipendiaten können auf ihrem Weg nicht nur die Angebote des Studienwerks nutzen, sondern sie können sich vernetzen. Der Austausch stärkt die jüdische Identität«, sagte Schuster in seiner Festrede. Der Dialog mit Vertretern anderer Religionsgemeinschaften und die Kooperation etwa mit dem muslimischen Begabtenförderungswerk Avicenna sei darüber hinaus ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von ELES. »Es sind genau solche Ansätze, die wir in unserer Gesellschaft dringend brauchen«, betonte Schuster.

»Ich persönlich bin nicht bereit, das, was unsere Großeltern und Eltern aufgebaut haben, preiszugeben.« Zentralratspräsident Josef Schuster

Zu seiner Stimmungslage nach dem Anschlag von Halle sagte der Zentralratspräsident: »Ich persönlich bin nicht bereit, das, was unsere Großeltern und Eltern aufgebaut haben, preiszugeben.« Er sei nicht bereit, »auch nur einen Millimeter zu rücken«, nur, weil Rechtsextremisten das so wollten.

Für diese Worte gab es großen Applaus im Saal. Die jüdische Selbstbehauptung gegen die Hasser und Antisemiten war neben der Feier des besonderen Jubiläums eines besonderen Studienwerks der Leitgedanke an diesem Abend. Jo Frank, der Geschäftsführer von ELES, unterstrich diesen Gedanken. »ELES ist ein Ort lebendigen Judentums und damit ein Ort jüdischer Selbstbehauptung«, sagte Frank.

Das jüdische Studienwerk habe inzwischen bereits 800 Stipendiaten gefördert und habe sich vorgenommen, in Zukunft noch viele weitere Hundert zu unterstützen. Auch für diese Worte gab es großen Applaus. Der ELES-Geschäftsführer bedankte sich bei allen Unterstützern und Förderern des Studienwerks. Danach lud er alle Gäste zum Empfang ein. Doch bevor alle zu Wein und Brezeln aufstanden, wurde das Adon Olam gesungen. Und alle stimmten ein.

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