Dresden

Organisierte Hilfe

Helfende Hände: Es können nie genug sein. Foto: imago

Dresden

Organisierte Hilfe

Gemeindemitglieder gründen das Betreuungswerk Bikur Cholim

von Teresa Stelzer  23.08.2010 13:52 Uhr

Sie haben es angepackt. Elf Ehrenamtliche gründeten am 18. August in Dresden den Verein Bikur Cholim, um hilfsbedürftigen alten und kranken Gemeindemitgliedern noch besser helfen zu können. »Wir greifen damit eine alte Tradition auf: Vor 1933 ist die jüdische Sozialarbeit in Dresden überwiegend über Vereine und Stiftungen gelaufen«, erklärt Johanna Stoll vom Vorstand. »Jetzt nehmen wir der Gemeinde ein bisschen Last von den Schultern.«

Bisher lief die Vermittlung von Hilfe immer über die Sozialabteilung der Gemeinde. Doch da die Anfragen sich häufen, ist eine bessere Organisation dringend notwendig. Der Verein bekommt viel Arbeit, obwohl viele ältere Gemeindemitglieder bereits von üblichen Pflegediensten betreut werden. Der Grund liegt in der Überalterung der Gemeinde, die Hälfte ihrer Mitglieder ist älter als 60 Jahre, mehr als 90 Prozent stammen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. »Viele von ihnen sind Holocaustüberlebende. In ihrer Heimat wurde das Thema nicht aufgearbeitet und so brechen schmerzliche Erinnerungen im Alter durch«, erläutert Inessa Lukach.

Trauma Die Zahnärztin ist selbst vor einigen Jahren aus der Ukraine gekommen. Heute arbeitet sie in der medizinischen Beratung der Gemeinde, leitet den Treff für Holocaustüberlebende und wirkt nun auch bei Bikur Cholim mit. Übliche Pflegedienste seien mit den traumatisierten Patienten oft überfordert, sagt sie. »Dazu kommen Sprachprobleme, denn nur wenige Pflegekräfte sprechen Russisch«, ergänzt Elena Tanaeva. Die 51-Jährige hat als Sozialarbeiterin der Gemeinde viele Erfahrungen sammeln können. Die Helfer von Bikur Cholim sollen bei Haus- und Krankenhausbesuchen übersetzen oder ärztliche Anweisungen und Antragsformulare erläutern. Zudem regt der Verein Rabbinerbesuche an.

Geschult werden die Helfer in Seminaren der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Bikur Cholim möchte zudem einen Telefondienst einrichten, Fördergelder aquirieren und noch mehr Mitarbeiter finden. Eine kleine Aufwandsentschädigung gibt es ab 20 Arbeitsstunden pro Woche. Auf diese Zeit kommt Inessa Lukach schnell. Schon jetzt nimmt sie bis zu sechs Terminen pro Woche wahr. »Diese können zwei, aber auch vier Stunden dauern und immer fahre ich mit Bus und Bahn quer durch die ganze Stadt«, erzählt sie.

Empathie Das Gefühl, jemandem geholfen zu haben, gibt ihr Kraft. »Ein Ehrenamtlicher braucht Empathie, und er muss gut zuhören können«, sagt Elena Tanaeva. Sollte sie mal Hilfe brauchen, wünscht sie sich: »ein großes Haus, in dem alle versorgt werden. Jeder hat dort sein eigenes Zimmer, aber es wird auch gemeinsam gefeiert oder auch getrauert werden.« Bis es in Dresden eine solche jüdische Einrichtung gibt, haben die Ehrenamtlichen von Bikur Cholim jedoch alle Hände voll zu tun.

Interview

Holocaust-Überlebender Weintraub wird 100: »Ich habe etwas bewirkt«

Am 1. Januar wird Leon Weintraub 100 Jahre alt. Er ist einer der letzten Überlebenden des Holocaust. Nun warnt er vor Rechtsextremismus und der AfD sowie den Folgen KI-generierter Fotos aus Konzentrationslagern

von Norbert Demuth  16.12.2025

Magdeburg

Neuer Staatsvertrag für jüdische Gemeinden in Sachsen-Anhalt

Das jüdische Leben in Sachsen-Anhalt soll bewahrt und gefördert werden. Dazu haben das Land und die jüdischen Gemeinden den Staatsvertrag von 2006 neu gefasst

 16.12.2025

Bundestag

Ramelow: Anschlag in Sydney war Mord »an uns allen«

Erstmals gab es in diesem Jahr eine Chanukka-Feier im Bundestag. Sie stand unter dem Eindruck des Anschlags auf eine Feier zum gleichen Anlass am Sonntag in Sydney

 16.12.2025

Attentat in Sydney

»Was würden die Opfer nun von uns wollen?«

Rabbiner Yehuda Teichtal hat bei dem Attentat in Sydney einen Freund verloren und wenige Stunden später in Berlin die Chanukkia entzündet. Ein Gespräch über tiefen Schmerz und den Sieg des Lichts über die Dunkelheit

von Mascha Malburg  16.12.2025

Berlin

Chanukka-Licht am Brandenburger Tor entzündet

Überschattet vom Terroranschlag in Sydney wurde in Berlin das erste Licht am Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Der Bundespräsident war dabei

 15.12.2025

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  15.12.2025

Berlin

Straße nach erster Rabbinerin der Welt benannt

Kreuzberg ehrt Regina Jonas

 12.12.2025

Berlin

Jüdisches Museum bekommt zusätzliche Förderung

Das Jüdische Museum in Berlin gehört zu den Publikumsmagneten. Im kommenden Jahr feiert es sein 25. Jubiläum und bekommt dafür zusätzliche Mittel vom Bund

 12.12.2025

Chanukkia

Kleine Leuchter, große Wirkung

Von der Skizze bis zur Versteigerung – die Gemeinde Kahal Adass Jisroel und die Kunstschule Berlin stellen eine gemeinnützige Aktion auf die Beine. Ein Werkstattbesuch

von Christine Schmitt  12.12.2025