Stuttgart

Opfer eines Schauprozesses

Bei der Übergabe des Platzes nannte Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der IRGW, den neu geschaffenen Ort »einen Raum für Vielfalt«. Foto: Brigitte Jähnigen

Es hat 26 Jahre gedauert, bis aus einem schäbigen Stuttgarter Hinterhof mit Tiefgarageneinfahrt ein wirklicher Platz im Herzen der Stadt wurde. Er ist Joseph Süß Oppenheimer (1698–1738) gewidmet, dem Geheimen Finanzrat am Hof des württembergischen Herzogs Karl Alexander. Weil Oppenheimer in judenfeindliche Intrigen des Landes geriet, wurde er nach einem Schauprozess 1738 getötet. Die Hinrichtung Oppenheimers war ein Spektakel und zog 20.000 Schaulustige an. Anschließend blieb der tote Körper Oppenheimers jahrelang unter freiem Himmel in einem Käfig am Galgen hängen und war den Rachegelüsten der Bevölkerung ausgesetzt.

Bei der Übergabe des Platzes nannte Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW), den neu geschaffenen Ort »einen Raum für Vielfalt«. Joseph Ben Issachar Süßkind sei, in der Gestalt des »Jud Süß« aus der Literatur- und Kulturgeschichte, vor allem jedoch durch den Propagandafilm der Nazis aus dem Jahr 1940 »bekannt«, so Traub.

Die Person hinter dem geschaffenen Zerrbild aber sei verborgen geblieben. Obendrein habe der Finanzrat später den Nazis dazu gedient, Judenhass zu befeuern. Für Barbara Traub ist Oppenheimers Geschichte unverändert aktuell. Seine Ermordung stehe »sinnbildlich für viele Episoden der Ausgrenzung in unserer Geschichte«. Der Platz, so Traub, sei ein geeigneter Ort, um Entwicklungen unserer Gesellschaft »bewusst zu reflektieren und zu erkennen, wie vielfältig wir sind«.

Für Barbara Traub ist Oppenheimers Geschichte unverändert aktuell

Die Vorstandssprecherin dankte der Stiftung Geißstraße – bei der offiziellen Übergabe des Platzes auch durch den Geschäftsführer der Stiftung, Michael Kienzle, vertreten –, dass sie fast drei Jahrzehnte auf die Aufwertung des Platzes hingewirkt hatte. Unter den Gästen stand neben Landtagspräsidentin Muhterem Aras der eigens aus Australien angereiste, in Stuttgart geborene Schoa-Überlebende Garry Fabian mit seiner Tochter.

Ihre Anwesenheit setze »ein Zeichen jüdischen Lebens«, freute sich Barbara Traub. Die junge jüdische Generation war mit einer Performance der Jugendgruppe »Halev« der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs vertreten. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Frank Nopper sieht in dem neuen Platz, der 2,5 Millionen Euro kostete, auch einen »Lernort für Schulklassen«, der über antisemitische Verzerrungen informiere.

Das Zentrum des Erinnerungsortes bilden drei Cortenstahlplatten, in die der Name Oppenheimers gefräst ist. Sie sind durch Stahlträger miteinander verbunden und bilden einen Pavillon. Mehrere Sitz­inseln laden zum Verweilen ein und zum Austausch über die Inhalte von Tafeln, die über das Leben und Sterben des Geheimen Finanzrats informieren.

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