Seminar

Nachhilfe für Lehrer

Jeder vierte Mensch auf diesem Erdball ist Moslem. Allein in Frankfurt am Main leben 78.000 Glaubensangehörige, die sich in 27 Moscheen zum Gebet versammeln. Die Zahl muslimischer Schüler an Frankfurts Schulen steigt, aber was wissen die Lehrer über Glauben und religiöse Lebenspraxis dieser Kinder? Um dieses Defizit aufzuarbeiten, trafen sich Anfang Oktober Religions-, Geschichts-, Politik- und Ethiklehrer aus dem Rhein-Main-Gebiet zum »Interreligiösen Dialog, die Begegnung zwischen Judentum und Islam«.

Selbstschutz Jüdische Kinder geben in öffentlichen Schulen oftmals ihre Herkunft und Identität nicht zu erkennen. Ein verständlicher Selbstschutz, denn neben dem deutschen gebe es auch einen »muslimischen Antisemitismus«, hat Türkan Kanbicak, Berufsschullehrerin an der Frankfurter Franz-Böhm-Schule, beobachtet.

Kanbicak selbst wurde in der Türkei geboren, kam als Kind vor 40 Jahren nach Deutschland. Ihren Berufswunsch, Lehrerin zu werden, konnte sie nur auf Umwegen verwirklichen. An ihrem ersten Tag in der Schule begrüßte sie der Schulleiter mit der Frage, was sie im Kollegium zu suchen habe: »Bei uns putzen Türken und unterrichten nicht.«

Kanbicak ist mit ihren Klassen nach Auschwitz und Krakau gefahren, sie hat mit ihnen Synagogen besichtigt und über jüdische Bräuche und Traditionen gesprochen. »Aber vor dem Nahost-Konflikt habe ich kapituliert«, räumt sie ein. Für Manfred Levy, den Leiter des Pädagogischen Zentrums in Frankfurt, ist sie die ideale Partnerin im interreligiösen Dialog.

Beispiele Anhand der Exponate im Jüdischen Museum schildert Levy jüdisches Leben und jüdische Traditionen, von der Geburt über die Brit Mila, Barmizwa und Hochzeit bis zum Begräbnis. Kanbicak erklärt entsprechende Rituale und Vorschriften im Islam. Mehrfach zitiert Kanbicak den Koran: Der Prophet Mohammed empfiehlt seinen Gläubigen, »dem Bekenntnis Abrahams zu folgen«. Und sogar auf den Schabbat nimmt der Koran Bezug.

Bei den Speisevorschriften lassen sich allerdings Unterschiede feststellen: »Die Trennung von milchiger und fleischiger Nahrung gibt es im Islam nicht«, meint Turkan Kanbicak. »Dafür dürft Ihr Alkohol trinken, während Mohammed jeden berauschenden Trank« verboten habe.

Authentizität Glaubwürdige Repräsentanten ihrer jeweiligen Religion und Kultur habe sie erlebt, fasst Ulrike Zufall, Lehrerin für Latein und evangelische Religion an einem Frankfurter Gymnasium, ihren positiven Eindruck zusammen. Das ist auch das Ziel des Pädagogischen Zentrums, einer Einrichtung von Jüdischem Museum und Fritz-Bauer-Institut. Es möchte modernes jüdisches Leben in Deutschland zeigen, und den Islam jenseits von Kopftuch- oder Burkaverbot. Dass man Tradition und Vorschriften der eigenen Religion ernst nehmen kann, ohne sich vor der Lebenswirklichkeit zu verschließen, haben Türkan Kanbicak und Manfred Levy eindrucksvoll bewiesen.

Biografie

»Traut euch, Fragen zu stellen«

Auch mit 93 Jahren spricht die Schoa-Überlebende Eva Szepesi vor Schülern. Nun hat sie ein Bilderbuch über ihre Geschichte veröffentlicht

von Alicia Rust  06.07.2025

Freiwilligendienst

Helfen und lernen

Vier Israelis erzählen, warum sie ehrenamtlich in Deutschland arbeiten

von Christine Schmitt  06.07.2025

Porträt der Woche

Die Welt verbessern

Noam Quensel möchte sich engagieren und das Judentum nach außen tragen

von Eugen El  06.07.2025

München

Das Schweigen brechen

Stephan Lebert und Louis Lewitan stellten ihr neues Buch »Der blinde Fleck« über ein deutsches Tabu und seine Folgen vor

von Helen Richter  03.07.2025

Sport

Fit mit Makkabi

Schmerzt der Rücken? Fehlt die Kraft? Wir haben vier Übungen für alle, die fit im Alltag werden wollen. Gezeigt hat sie uns Noah von Makkabi

von Katrin Richter  03.07.2025

Berlin

»Wie vorm Berghain«

Avi Toubiana über das Kosher Street Food Festival, organisatorische Herausforderungen und Warteschlangen

von Helmut Kuhn  06.07.2025 Aktualisiert

Lesung

Familiengeschichten

Der Autor Daniel Zylbersztajn-Lewandowski stellte im »taz-Café« zwei Bücher über seine Vorfahren vor – und lernte bislang unbekannte Verwandte kennen

von Alicia Rust  03.07.2025

Chemnitz

Marx und Mikwe

Die Jüdische Gemeinde präsentiert sich im Kulturhauptstadtjahr zwischen Baustelle, Geschichte und Begegnung. Ein Ortsbesuch

von Anett Böttger  02.07.2025

Meinung

Nicht ohne meine Klimaanlage!

Warum sich Deutschland im Sommer an Israel ein Beispiel nehmen sollte

von David Harnasch  02.07.2025 Aktualisiert