Jubiläum

Nachdenken, nicht nachglauben

Julius H. Schoeps Foto: Mike Minehan

Dass diese Woche das Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg eröffnet werden konnte, ist auch und besonders das Verdienst von Julius H. Schoeps, der am heutigen 1. Juni 70 Jahre alt geworden ist. Der Historiker, der seit 1992 das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien leitet, gibt sich aber auch in diesem Fall nicht mit ersten Erfolgen zufrieden. Jetzt gilt es, in den Berufungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass in dem Zentrum auch Platz ist für ein lebendiges Judentum.

Aufklärung Schoeps ist es wichtig, in die jüdische Tradition eingebunden zu sein. Sein aufgeklärtes Judentum bedeutet ihm Nachdenken, nicht Nachglauben, und unter seinen letzten Veröffentlichungen ist nicht von ungefähr die Monografie des Unternehmers und Pädagogen David Friedländer, eines Protagonisten der jüdischen Aufklärung. Der Wissenschaftsorganisator Schoeps, der in den 1980er-Jahren das Duisburger Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte aufbaute, Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Wien war und die Mendelssohn-Akademie in Halberstadt einrichtete, bezieht immer wieder pointiert Stellung.

Sein Lebensthema ist die deutsch-jüdische Historie, die auch seine eigene Familiengeschichte ist: Ein gutes halbes Jahr, nachdem er im schwedischen Exil seiner Eltern geboren worden war, wurde sein Großvater in Theresienstadt ermordet. Es ist Jahr für Jahr ein anrührender Moment, wenn Schoeps in der Blücher-Kaserne in Berlin-Kladow zusammen mit dem Lazarett-Regiment 31 der Bundeswehr des Todestages dieses preußischen Sanitätsoffiziers gedenkt.

Zur Familiengeschichte gehört auch das »Glück der Mendelssohns«, so der Titel des gewichtigen Buches, mit dem er diesen Vorfahren seine Reverenz erweist und für die er auch vor Gericht zog: Als Sprecher der Erben des Bankiers Paul von Mendelssohn-Bartholdy stritt er vergebens für die Restitution von Kunst- und Grundbesitz.

Herzl Schoeps versteht die Kunst des Vernetzens; als Erzähler verbindet er große Linien mit Liebe zum Detail und lehrt uns immer wieder, weniger verkürzt zu denken. So gibt er in seiner siebenbändigen Edition der Briefe und Tagebücher von Theodor Herzl verblüffende Sätze wieder, die so gar nicht unserem Klischee entsprechen: Ein Jahr vor seinem bahnbrechenden Werk über den »Judenstaat« notierte Herzl beispielsweise einen verblüffenden Wunsch: »Wenn ich etwas sein möchte, wäre es ein preußischer Altadliger.«

Zu den weniger bekannten Tätigkeiten des Publizisten gehört die Herausgabe der renommierten Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte, des Forums der von seinem Vater Hans-Joachim Schoeps begründeten Gesellschaft für Geistesgeschichte, die den Geist einer Zeit zu erfassen versucht – ein Ausgleich zu ganz aktuellen Bestandsaufnahmen wie seine Dokumentation »Rechtsextremismus in Brandenburg«.

Julius H. Schoeps will sich weiterhin der jüdischen Geschichte widmen, und diese Arbeit geht weit über die Grenzen von Berlin und Potsdam hinaus: Sein jüngstes Projekt hat er sich in Kroatien geschaffen. Geplant ist ein Moses-Mendelssohn-Institut an der Universität Zagreb.

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