München

»Leuchtturm der Gemeinde«

Josef Uni sel. A. Foto: Daniel Schvarcz

Mein Herz und mein Verstand tragen schwer an dem sicheren Wissen, dass Josef Uni sichrono livracha nie wieder an seinem Platz in der Synagoge sitzen wird – dass er nie wieder an seinem Platz dort oben auf der Bima stehen wird.

Es ist der Abschied von diesem warmherzigen Menschen, der so unendlich wehtut. Und es ist zugleich das Gefühl, von einer ganzen Welt Abschied nehmen zu müssen, die von Menschen wie Josef Uni sel. A. symbolisiert wurde, die in ihnen und durch sie bis heute fortlebte und die mit ihnen unweigerlich sterben wird. Eine jüdische Welt, wie es sie wohl nie wieder geben wird – nicht in unserem Land und vielleicht gar nicht mehr.

Lebensmut Josef Uni sel. A. (21. Dezember 1918 in Rowno/Polen – 3. April 2014 in München) hatte Schrecklichstes erlebt und gesehen und hatte sich dennoch niemals den eigenen Lebensmut nehmen lassen oder gar den Willen und das Können, anderen Menschen den ihren zu stärken.

Josef Uni sel. A. hatte stets ein Lächeln im Gesicht – selbst noch, als es ihm schon ganz schlecht ging. Immer hatte er einen beinahe jugendlich-schelmischen Spruch auf den Lippen, der uns zum Lachen brachte. Dabei war er nie banal, sondern immer weise – in allem, was er sagte, sei es als Witz verpackt oder zitiert als Weisheit.

Josef Uni sel. A. war so reich an religiösem Wissen und zugleich gesegnet mit der Gabe, diese seine Leidenschaft für unseren Glauben zu vermitteln und zu übertragen. Sein Amt als Gabbai in der Synagoge in der Reichenbachstraße und dann hier am Jakobsplatz war nie eben ein leichtes. Es erfordert nicht nur ein enormes religiöses Wissen und Können, sondern vor allem auch ein Höchstmaß an Gespür für Menschen, an Gerechtigkeitsempfinden, an der Fähigkeit, auszugleichen, zu vermitteln und zu versöhnen.

Ratgeber Josef Uni sichrono livracha verfügte über all das – und noch viel mehr. Er war eine Säule in unserer Gemeinschaft, als Mitglied, als Mitpalelim, als Gabbai, als »a Mensch«, wie ich nur wenige kennenlernen durfte. Er war ein wertvoller, kluger und sensibler Ratgeber, auf den ich mich blind verlassen konnte.

An diesem Tag des Abschieds durchdringt mich neben dem Schmerz und der unendlichen Trauer auch der sehnliche Wunsch, dass es Menschen gibt, die Josef Unis Vorbild folgen. Menschen, die dafür einstehen, dass unsere Gemeinschaft weiterlebt, dass unsere Religion, unsere Tradition weiterlebt – dass Jüdischkeit weiterlebt. Und dass die Synagoge als Quell und Hort des religiösen Lebens weiter bestehen bleibt. Um deren Zukunft machte er sich die größten Sorgen!

Wir können ihn nicht ersetzen, aber wir können, nein, wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass seine Ängste sich realisieren. Wir müssen unsere Religion behüten. Eine volle Synagoge, nicht nur zu bestimmten Anlässen oder den Hohen Feiertagen, sondern jeden Tag, oder zumindest jeden Schabbat – das wäre sein Wunsch gewesen. Lassen Sie ihn uns erfüllen! Lassen Sie uns gemeinsam die Erinnerung an Josef Uni sel. A. und die Welt, für die er stand, wachhalten. Sein Erbe ist ein Auftrag – vor allem an die Jüngeren. Vergesst nicht, woher ihr kommt – und wohin ihr gehört.

Weisheit Verehrter, lieber Josef Uni sel. A., Du warst ein Leuchtturm unter uns. Wir verdanken Dir so viel. Ich danke G’tt für jede Begegnung mit Dir, für jedes Lächeln, das Du uns geschenkt hast, und für jede Weisheit, die Du uns gelehrt hast.

Ich verneige mich vor Dir – ein letztes Mal. In tief empfundener Dankbarkeit und Hochachtung. Du wirst sehr fehlen. Du Freund, Du Mensch. Möge Deine Seele eingebunden sein in das Bündel des ewigen Lebens.

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  30.10.2025

Nachruf

Gestalter mit Weitblick

Für Jacques Marx war die Gemeindearbeit eine Lebensaufgabe. Eine persönliche Erinnerung an den langjährigen ehemaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen

von Michael Rubinstein  30.10.2025

Ehrung

Demokratiepreis für Graphic Novel über Schoa-Überlebende

Die Schoa-Überlebenden Emmie Arbel gewährte Zeichnerin Barbara Yelin vier Jahre lang Einblicke in ihr Leben

 30.10.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  30.10.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 29.10.2025

Schwielowsee

Shlomo Afanasev ist erster orthodoxer Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg

Militärrabbiner gibt es bereits in Deutschland. Nun steigt der erste orthodoxe Rabbiner bei der Bundeswehr in Brandenburg ein

 29.10.2025

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025