Publikation

Lebendiges Judentum

Titelbild des Themenhefts »Jüdisches Leben in Deutschland« Foto: PR

Publikation

Lebendiges Judentum

Die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit stellte ihr neues Themenheft »Jüdisches Leben in Deutschland« vor

von Katrin Diehl  16.12.2021 08:38 Uhr

Im vergangenen Jahr hatte die Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, eine nachgeordnete Einrichtung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, das Themenheft Antisemitismus herausgebracht. Die Publikation war in Kooperation mit dem Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, Ludwig Spaenle (CSU), entstanden.

Dem folgte nun, auch an die Feierlichkeiten »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« anknüpfend, die Publikation Jüdisches Leben in Deutschland. In ihr kommen ausschließlich innerjüdische Stimmen aus Deutschland zu Wort. Dabei sei es ihnen wichtig gewesen, so Rupert Grübl, Direktor der Landeszentrale, »ein breites Spektrum an Persönlichkeiten aus der jüdischen Gemeinschaft zu Wort kommen zu lassen«.

Ausschließlich innerjüdische Stimmen kommen zu Wort.

Zusammen mit Spaenle und Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sowie des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern, stellte Grübl das neue Themenheft jetzt vor, das »explizit nicht auf Judenfeindschaft« eingehen wollte, »sondern auf das ›ganz normale‹ jüdische Leben in Deutschland«.

INTERVIEWS In ihm sind Namen des öffentlichen Lebens, aus dem kulturellen wie akademischen Kreis, vertreten. Es kommen Menschen zu Wort, die hinter oder vor den Kulissen über das Judentum, auch vermittelnd, informieren, sich mit lauten oder leisen Tönen starkmachen für mehr Selbstverständlichkeit, die eigene Identität leben zu können, und die sich natürlich auch immer wieder mit dem Antisemitismus befassen. Denn, und das fällt auf, wer über jüdisches Leben in Deutschland redet, redet über ein Leben trotz Antisemitismus, kommt daher aus der Thematik schwer heraus.

Die Schriftstellerin und Journalistin Mirna Funk verliert darüber fast die Nerven. Das zumindest vermittelt ihr scharfer, glossenhafter Text »Sieben lange Jahre«, in dem sie fragt: »Habe ich nicht alles, was ich zu jüdischem Leben heute, zu Antisemitismus, zu Israel und Palästina und zum Holocaust denke, fühle, meine, glaube und weiß, längst aufgeschrieben? (…) Reichte das nicht? Wiederhole ich mich nicht langsam?«

Neben Essays finden sich im Heft ausführliche Interviews wie zum Beispiel mit der Filmemacherin Alexa Karolinski (Oma & Bella, Unorthodox), dem Musiker Gil Ofarim, dem Zentralratspräsidenten Josef Schuster selbst oder mit Eva Haller, Präsidentin der Europäischen Janusz Korczak Akademie.

schulen Michael Brenner, Historiker und Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München sowie Direktor des Center of Israel Studies an der American University in Washington, D.C., weist unter der Überschrift »Wir müssen uns sehr davor hüten, die jüdische Geschichte auf eine Verfolgungsgeschichte zu reduzieren« auf die verschiedenen Identitäten, die jeder in sich trage, hin. Er wirft ein, dass man »auf sehr viele Arten und Weisen definieren« könne, was jüdische Identität nun ausmache, dass »jeder Mensch anders denkt und jeder Mensch auch den Antisemitismus anders empfindet«.

Einige Essays lassen sich als wissenschaftliche Abhandlungen lesen, wie zum Beispiel der von Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, der sich mit dem Thema des »Jüdischen Museums« als gar nicht so einfach zu definierender Institution befasst. Rebekka Denz, unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Judaistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg, beschäftigt sich mit dem Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (1893–1938).

In dem Heft wird die Vielfalt jüdischer Identitäten deutlich.

Levi Israel Ufferfilge, Rabbiner-Anwärter, Religionspädagoge und Autor, gibt in seinem Text einen Überblick über die jüdische Schullandschaft in Deutschland. Es ist ein Text, der starkes Engagement für die Sache spüren lässt und mit einer Art Appell endet: »Denn künftig müssen noch mehr Jüdinnen und Juden noch bessere Verantwortungsträger in einer schrumpfenden Gemeinschaft mit ihren vielen bedeutenden Einrichtungen werden, um nicht nur jüdische Institutionen, sondern auch jüdisches Leben in Deutschland an sich dauerhaft zu erhalten.«

GESELLSCHAFT Josef Schuster hält die neue Publikation für »ein ganz wichtiges Heft«, weil es jüdisches Leben heute zeige und dies »in seiner ganzen Vielfalt«. Damit lasse sich, und darauf hofft er, die Thematik in der Breite der Gesellschaft verankern. Gleichzeitig wünscht er sich in den Schulen »fächerübergreifend die Thematisierung jüdischen Lebens vor 1933 und auch nach 1945« sowie die Berührung mit dem lebendigen Judentum, und dies eben nicht nur in den Großstädten, sondern auch in Orten und Kommunen, in denen es keine jüdischen Gemeinden gibt.

Spaenle beschreibt daran anschließend die Spannweite jüdischen Lebens, wie er sie immer wieder erleben kann. »Wir treffen junge Leute, die noch in der ehemaligen Sowjetunion geboren wurden und sich jetzt bei uns politisch engagieren, und wir treffen alte Menschen, die den Holocaust überlebt haben.« Für ihn folge aus der Tatsache, dass das jüdische Leben »dieses Land seit 1700 Jahren mitgeprägt« habe, die Verpflichtung, sich seinem Schutz »noch stärker zuzuwenden«. Gerade deshalb dringt er darauf, jüdisches Leben wie die Bekämpfung des Antisemitismus als »ein Staatsziel« zu formulieren.

Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.): »Einsichten und Perspektiven Themenheft 2/21. Jüdisches Leben in Deutschland«
www.blz.bayern.de

Chabad

»Eine neue Offenheit«

Seit 20 Jahren ist Heike Michalak Leiterin der Jüdischen Traditionsschule. Ein Gespräch über Neugier, das Abenteuer Lernen und die Ängste der Eltern

von Christine Schmitt  05.12.2025

WIZO

Tatkraft und Humanität

Die Gala »One Night for Children« der Spendenorganisation sammelte Patenschaften für bedürftige Kinder in Israel

von Ellen Presser  05.12.2025

Porträt der Woche

Mit Fingerspitzengefühl

Hans Schulz repariert Fahrräder und spricht mit seinen Kunden auch über Israel

von Alicia Rust  05.12.2025

Ratsversammlung

»Die Gemeinden sind das Rückgrat der jüdischen Gemeinschaft«

In Frankfurt kamen 90 Delegierte aus den Landesverbänden zusammen, um aktuelle Anliegen und Sorgen zu besprechen. Gastredner war Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

von Katrin Richter  03.12.2025

Jewish Quiz

»Fast wie bei den Samstagabend-Shows«

Am Wochenende raten in Frankfurt über 500 Jugendliche um die Wette. Dabei geht es um mehr als bloße Wissensabfrage, betonen die Organisatoren der Veranstaltung

von Helmut Kuhn  03.12.2025

Berlin

Ein Nachmittag voller Licht

Mitzwa Express lädt zum traditionellen Chanukka-Basar in die Synagoge Pestalozzistraße ein

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025