Kompakt

Kulturerbe, Erinnerung, Schule

Der »Judenhof« in Speyer Foto: imago images / Danita Delimont

Mainz

Rheinland-Pfalz hat den Antrag auf das Unesco-Welterbe für die mittelalterlichen jüdischen Städte Speyer, Worms und Mainz vorgestellt. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) unterzeichnete das rund 1000 Seiten umfassende Dokument am Montag in Mainz. Der Antrag zu den drei sogenannten SchUM-Städten soll am 23. Januar bei der Unesco in Paris eingereicht werden. Frühestens im Sommer kommenden Jahres könnte die Weltkulturorganisation sie dann in die Welterbe-Liste aufnehmen. Dreyer sagte, der Antrag solle das Wissen um die deutsch-jüdische Geschichte wachhalten. Die kulturelle Blüte in den SchUM-Städten zeuge von einem außergewöhnlichen Kulturtransfer zwischen christlicher Mehrheitsgesellschaft und jüdischen Gemeinden. Die Ministerpräsidentin erinnerte aber auch an Ausgrenzung, Verfolgung und Vertreibung. Heute gelte es, die kulturelle Vielfalt als »gemeinsame Chance« zu sehen. Der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf (SPD) sieht das Vorhaben als gute Basis, die Kulturstätten für die Nachwelt zu bewahren. Nach den Worten der Vorsitzenden des SchUM-Vereins, Stefanie Seiler, wäre eine Aufnahme ins Unesco-Welterbe »insbesondere in Zeiten des wachsenden Antisemitismus weltweit ein besonderes Zeichen, das in seiner Wirkung kaum überschätzt werden kann«. Der Begriff SchUM setzt sich aus den hebräischen Anfangsbuchstaben für die drei Städte zusammen: Schin (Sch) für Schpira (Speyer), Waw (U) für Warmaisa (Worms) und Mem (M) für Magenza (Mainz). kna

Gelsenkirchen

Die Stadt Gelsenkirchen erinnert mit einer renovierten Gedenkstele an ihren Ehrenbürger Kurt Neuwald. Der jüdische Geschäftsmann war nach der Schoa als einer der wenigen Überlebenden in seine Heimatstadt zurückgekehrt und hatte dort die jüdische Gemeinde wesentlich mit aufgebaut. Viele Jahre war Kurt Neuwald Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Nordrhein, gehörte dem Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland an und war fast 40 Jahre Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen. In der Schoa hatte Neuwald, der 1906 in der Ruhrgebietsstadt zur Welt kam und 2001 dort starb, 28 Familienangehörige verloren. Bürgermeisterin Martina Rudowitz betonte bei der Einweihung der renovierten Stele, wie wichtig Versöhnung und Toleranz gerade in diesen Tagen sind, in denen Hass und Rassismus wieder um sich greifen. »Wir sind gut beraten, uns immer wieder daran zu erinnern, was Kurt Neuwald getan hat für die Gesellschaft.« Das Versöhnungswerk Neuwalds spricht Daniel Schmidt, Leiter des Instituts für Stadtgeschichte, das die Geschichte von Kurt Neuwald dokumentiert hat, an. »Wir können es gar nicht genug würdigen.« Die silber-blaue Stele mit ausgewählten Stationen seines Lebens hatte der städtische Grafiker Uwe Gelesch 2003 entworfen. Dass die Stele in Sichtweite des Wohnhauses ihres Vaters stehe, sei sehr bedeutend, betonte Judith Neuwald-Tasbach, heutige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde. Den Entschluss ihres Vaters, nach Gelsenkirchen zurückzukommen, beschrieb sie als »sehr mutigen Schritt«. ja

Frankfurt

Die Isaak-Emil-Lichtigfeld-Grundschule in Frankfurt kann voraussichtlich in den Osterferien in einen Neubau umziehen. Das teilten Harry Schnabel vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Architekt Markus Leben am Montag mit. Die Lichtigfeld-Schule war bislang im Philanthropin untergebracht. Mit inzwischen 560 Jungen und Mädchen sei es dort jedoch zu eng geworden. Die Gemeinde baut auch die gymnasiale Oberstufe aus, berichtete die Frankfurter Rundschau. Damit könnten erstmals wieder nach 80 Jahren Kinder an einer jüdischen Schule das Abitur machen. Die rund 300 Lichtigfeld-Grundschüler ziehen auf das frühere Gelände der Montessori-Schule an der Westendstraße um. Das Areal schließt an das Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum in der Savignystraße an. Dort werden bereits rund 80 Kinder der Eingangsstufe unterrichtet. ja

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