IKG

Kooperation und Solidarität

Im Gemeindezentrum am Jakobsplatz ist wieder das Lachen von Kindern zu hören. Für Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, wirkt die schrittweise Wiederaufnahme des Schul- und Kindergartenbetriebs nach der langen Pause, die das Coronavirus erzwang, wie Balsam für die Seele. Aber sie stellt auch fest: »Es braucht Wachsamkeit, Umsicht und Respekt vor dem anderen, um im Interesse der ganzen Gemeinde diese Errungenschaften zu erhalten.«

Eine Gesprächsrunde unter dem Titel »Wir bleiben Herr der Lage«, die auf der Internetplattform »IKG LIVE!« übertragen wurde und in der Mediathek abrufbar ist, machte deutlich, dass die vergleichsweise moderaten Auswirkungen der Corona-Krise auf die Gemeinde kein Zufall waren. Der bereits seit einem Jahr bestehende Krisenstab, der mit Blick auf gesellschaftliche, schwer einschätzbare Entwicklungen ins Leben gerufen wurde, trug einen ganz entscheidenden Teil dazu bei.

Diesem vierköpfigen Krisenstab, der in engem Meinungs- und Informationsaustausch mit der Präsidentin und dem Vorstand der Gemeinde agiert, gehören Vizepräsident Yehoshua Chmiel, Geschäftsführer Steven Guttmann, Sicherheitschef Gilad Ben Yehuda und Guy Fränkel als Krisenmanager an. Für Steven Guttmann war es wie ein Sprung ins kalte Wasser. Er trat sein Amt als Geschäftsführer der Gemeinde Mitte März an, genau zu dem Zeitpunkt, als das Coronavirus das öffentliche Leben lahmzulegen begann.

gremium Eine wichtige Erkenntnis, die der Krisenstab schon zuvor gewonnen und in den verschiedensten Szenarien bereits durchgespielt hatte, erwies sich in der Praxis als hoch effizient: Ein personell kleines Gremium kann schnell und konsequent handeln. »Wir waren immer Herr der Lage und haben deshalb keinen einzigen akuten Corona-Fall in der Gemeinde«, konnte Vizepräsident Chmiel zufrieden feststellen.

Auf die konsequente Umsetzung der Maßnahmen ging Geschäftsführer Steven Guttmann näher ein.

Auf die konsequente Umsetzung der Maßnahmen ging Geschäftsführer Steven Guttmann näher ein. Als Beispiel nannte er die schnelle Umstellung nahezu aller Mitarbeiter auf Homeoffice-Modus. »Wir wollten einfach keine unnötigen Risiken eingehen«, erklärte er diese Vorgehensweise. Zugleich stellte er fest, dass alle wesentlichen Arbeitsabläufe in der Gemeinde trotz dieses tiefen Einschnitts aufrechterhalten werden konnten.

Guy Fränkel, der den Worten von Vizepräsident Chmiel zufolge in Fragen des Krisenmanagements bestens geschult ist, bezeichnete Kommunikation als das kleine Einmaleins in solch schwierigen Zeiten. Wissen zu teilen und Netzwerke auszubauen, sei unter diesen Voraussetzungen von elementarer Bedeutung, machte er deutlich.

digitalisierung Digitalisierung der Gemeinde über Nacht – diesen Begriff nahm Steven Guttmann in den Mund. Im Eiltempo hätten sich die Aktivitäten der Gemeinde ins Internet verlagert, auf unterschiedlichsten Ebenen und in zahlreichen Formaten. Eines dieser in Corona-Zeiten entstandenen Formate, die Internetplattform »IKG LIVE!«, soll als digitales Angebot erhalten bleiben, sagte er. Was den Geschäftsführer angesichts der Digitalisierung des Gemeindelebens besonders freut, ist die hohe Akzeptanz bei den Mitgliedern.

IKG-Vizepräsident Yehoshua Chmiel sprach noch einen anderen Erfahrungswert an, den der Krisenstab gewonnen hat: das hohe Maß an Solidarität und Gemeinsamkeit in der Gemeinde. So habe kein Disput über die erforderlichen Maßnahmen stattgefunden, stattdessen sei bei dem Versuch, die Krise gemeinsam zu meistern, Kooperation großgeschrieben worden. »Alle, wirklich alle«, sagte Chmiel, »haben an einem Strang gezogen.« Es sei nur schade, fügte er hinzu, dass es einer Krise bedürfe, um Gemeinsamkeit auf diesem hohen Level zu erleben.

Gemeinsames Handeln mit Augenmaß und Vorsicht wird nach Überzeugung von IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch noch länger notwendig sein. Zwar sei der Ausnahmezustand, wie er im Frühjahr geherrscht und zur Schließung ganzer Wirtschaftszweige geführt hat, inzwischen vorbei. »Von Planungssicherheit«, so Knobloch, »konnte unter diesen Umständen keine Rede sein.«

perspektive Nach der jüngsten »Lockerungsrunde«, schrieb sie in einer Mitteilung an die Gemeindemitglieder, zeichne sich nun eine etwas längerfristige Perspektive ab. Das gelte vor allem für den besonders stark betroffenen Schulbereich, der sich bisher nur zaghaft in die Normalität zurücktaste. Erfreut zeigte sich die IKG-Präsidentin über die Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Regelunterricht nach der Sommerpause wiederaufzunehmen.

Trotz der positiven Entwicklung bleibe die gesellschaftliche, vor allem aber die gemeindeinterne Solidarität unverändert wichtig, betonte Charlotte Knobloch.

Trotz der positiven Entwicklung bleibe die gesellschaftliche, vor allem aber die gemeindeinterne Solidarität unverändert wichtig, betonte Knobloch. Dazu gehöre auch, dass man vorsichtig bleibe. So sei es zwar ein »wunderbares Zeichen«, dass die Wochentagsgebete inzwischen wieder in der Hauptsynagoge stattfinden könnten, dies sei aber nicht ohne Beschränkungen möglich.

Charlotte Knobloch wies in diesem Zusammenhang auf die medizinische Forschung hin, die Gesang als Hochrisikotätigkeit mit extremem Übertragungspotenzial entdeckt habe. Unter diesen Umständen sei deshalb auch in den Räumen der IKG jede Art von Gesang strikt untersagt. Die Schutzmaßnahme ist auch für den Krisenstab alternativlos. Charlotte Knobloch setzt dabei weiterhin auf Verständnis.

»Die Hilfsbereitschaft und Solidarität der Gemeindemitglieder«, schrieb sie, »haben uns bislang verhältnismäßig gut durch die Krise gebracht, und ich habe vollstes Vertrauen, dass wir auch die verbleibenden Herausforderungen gemeinsam meistern werden.«

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