Erinnerung

Kompromiss in Göttingen

Vorbereitung zur Verlegung der vier Stolpesteine Foto: Christine Schmitt

»Natürlich bin ich nicht zur Verlegung gegangen«, sagt Eva Tichauer Moritz, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde für Göttingen und Südniedersachsen. Sie lehne dieses Kunstprojekt von Gunter Demnig ab, weil mit den Stolpersteinen die jüdische Kultur und der in vielen jüdischen Namen enthaltene Name Gottes mit Füßen getreten werde.

Auch Schoa-Überlebende, mit denen sie gesprochen habe, hätten die Stolpersteine teils mit drastischen Worten abgelehnt, sagt Tichauer Moritz. Sie hatte ein Projekt gestartet und Überlebende aus Göttingen in Israel, USA, Holland, Chile, Brasilien aufgesucht und interviewt. Und sie ist sich sicher, dass auch Rosa Katz, für die vor Kurzem ein Stein verlegt wurde, dies abgelehnt hätte. Rosa Katz war in die USA emigriert.

Zustimmung Jaqueline Jürgenliemk, Vorsitzende der jungen Jüdischen Gemeinde zu Göttingen, sieht es anders. »Ich habe nach der Verlegung den Angehörigen, unter ihnen auch der Sohn von Rosa Katz, noch unsere Synagoge gezeigt, und sie waren sowohl von der Verlegung als auch von dem neuen jüdischen Leben hier sehr gerührt und bewegt«, sagt Jürgenliemk, deren Gemeinde etwa 160 Mitglieder zählt. Und in den umliegenden Ortschaften und Städten wie Dransfeld, Seesen und Duderstadt gebe es schon lange Stolpersteine. Die Jüdische Gemeinde spricht sich für diese Form des Erinnerns aus. Sie würde gerne möglichst viele Gedenksteine setzen.

Mehr als 13 Jahre stritten die beiden Gemeinden über die Verlegung von Stolpersteinen. Jetzt wurden zehn Stolpersteine in der Innenstadt verlegt. Etwa 200 Interessierte kamen, darunter etliche Angehörige. Die längste Anreise hatten Zoe und Ralf Ibson, Enkeltochter und Sohn von Rosa Katz, aus der Groner Straße 9. Sie leben in Washington.

Vor 13 Jahren hatte die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Göttingen angeregt, diese Erinnerung an jüdische NS-Opfer verlegen zu lassen. Sie lud damals zu einer Diskussion ein, zu der Eva Tichauer Moritz und viele Interessierte kamen. Die Jüdische Gemeinde gab es damals noch nicht. »Es endete mit einem Eklat«, erzählt Heiner J. Willen, jetziger Vorsitzender der Gesellschaft. Tichauer Moritz habe zu verstehen gegeben, dass sie dagegen sei. Die Stadt Göttingen sei daraufhin nicht bereit gewesen, dieses Projekt gegen den Wunsch einer jüdischen Institution zu verwirklichen.

Gedenkorte Willen fand das sehr »bedauerlich«, da es in Göttingen mit dem Mahnmal der früheren Synagoge nur einen zentralen Gedenkort gab. Er wünschte sich ein Erinnern an mehreren Plätzen. »Die Stadt war 1933 braun, und für die Juden wurde es sehr schnell sehr schwer«, sagt Willen. Er hatte gemeinsam mit anderen Aktiven in einer Privatinitiative angeregt, auf privaten Grund einen Stolperstein für Hedwig Steinberg verlegen zu lassen. Schüler recherchierten die Biografien der ehemaligen Bewohner, und die Eigentümer des Hauses unterstützten das Projekt. Die Diskussion kam somit in Gang.

Im Herbst 2012 gab es erneut Gespräche, mit dabei waren neben Tichauer Moritz auch Vertreter der neu entstandenen zweiten Jüdischen Gemeinde. Sie einigten sich auf den Kompromiss, wenn sich ein Angehöriger für eine Verlegung ausspreche, werde auch Tichauer Moritz ihren Widerstand aufgeben. Auch der Göttinger Kulturausschuss und der Stadtrat stimmten zu.
Jetzt recherchieren Historiker und Mitglieder des Geschichtsvereins die Schicksale der Familien und möchten die Ergebnisse demnächst im Internet veröffentlichen. Die GCJZ übernimmt die Koordination. Vier Anträge lägen bereits vor, erklärt Willen, auch von Angehörigen von Opfern.

Chabad

»Eine neue Offenheit«

Seit 20 Jahren ist Heike Michalak Leiterin der Jüdischen Traditionsschule. Ein Gespräch über Neugier, das Abenteuer Lernen und die Ängste der Eltern

von Christine Schmitt  05.12.2025

WIZO

Tatkraft und Humanität

Die Gala »One Night for Children« der Spendenorganisation sammelte Patenschaften für bedürftige Kinder in Israel

von Ellen Presser  05.12.2025

Porträt der Woche

Mit Fingerspitzengefühl

Hans Schulz repariert Fahrräder und spricht mit seinen Kunden auch über Israel

von Alicia Rust  05.12.2025

Ratsversammlung

»Die Gemeinden sind das Rückgrat der jüdischen Gemeinschaft«

In Frankfurt kamen 90 Delegierte aus den Landesverbänden zusammen, um aktuelle Anliegen und Sorgen zu besprechen. Gastredner war Kulturstaatsminister Wolfram Weimer

von Katrin Richter  03.12.2025

Jewish Quiz

»Fast wie bei den Samstagabend-Shows«

Am Wochenende raten in Frankfurt über 500 Jugendliche um die Wette. Dabei geht es um mehr als bloße Wissensabfrage, betonen die Organisatoren der Veranstaltung

von Helmut Kuhn  03.12.2025

Berlin

Ein Nachmittag voller Licht

Mitzwa Express lädt zum traditionellen Chanukka-Basar in die Synagoge Pestalozzistraße ein

 03.12.2025

Chemnitz

Sachsen feiert »Jahr der jüdischen Kultur«

Ein ganzes Jahr lang soll in Sachsen jüdische Geschichte und Kultur präsentiert werden. Eigens für die Eröffnung des Themenjahres wurde im Erzgebirge ein Chanukka-Leuchter gefertigt

 03.12.2025

Programm

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 4. Dezember bis zum 10. Dezember

 03.12.2025

Berlin

Prozess um Attentat am Holocaust-Mahnmal fortgesetzt

Das überlebende Opfer, der 31-jährige spanische Tourist Iker M., wollte am Mittwoch persönlich vor dem Kammergericht aussagen

 03.12.2025