Hameln

Im Schutze zweier Eichen

Endlich angekommen: Rachel Dohme in der neuen Synagoge Foto: epd

Jahrelang hat Rachel Dohme mit ihrer Gemeinde in provisorisch eingerichteten Räumen Gottesdienste gefeiert. »Jetzt sind wir angekommen», sagt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hameln, während Handwerker dem Neubau den letzten Feinschliff verleihen. 1997 wurde die Hamelner Gemeinde von russischsprachigen Zuwanderern gegründet, heute zählt sie 200 Mitglieder.

Schlicht Weiß sind die Wände im Inneren der Synagoge. Der Boden ausgelegt mit geöltem und geräuchertem dunklen Eichenparkett, ein dunkelblauer Davidstern ziert ein rundes Oberlicht über der Bima. »Schlicht wie unsere Gemeinde«, erläutert Dohme. »Hier finden die heiligen Toraschriften ihren Platz«, sagt sie und deutet hinter zwei große, mit hebräischen Messingbuchstaben verzierte Glastüren des Toraschrankes.

Rund 12.000 Euro hat die neue Rolle gekostet, die die New Yorker Rabbinerin Jo David zur Eröffnung aus Amerika mitbringt. New Yorker Spender und der Arbeitskreis christlicher Kirchen aus Hameln haben die Kosten übernommen.

Errichtet wurde der Neubau genau an der Stelle, wo vor mehr als 70 Jahren schon einmal ein jüdisches Gebetshaus stand. Nur die mit Brandschutz verfüllten Grundmauern des Vorgängerbaus, der in der Reichspogromnacht 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde, blieben erhalten. Jetzt erhebt sich auf ihnen der ellipsenförmige, schlichte Nachfolgebau.

Bei den Ausschachtungsarbeiten wurden noch bunte Glasscherben und Porzellanteile aus der alten Synagoge gefunden. Sie sollen bald in einer Dauerausstellung im Hamelner Museum zu sehen sein.

weiblich »Es gibt Anzeichen dafür, dass die alte Synagoge liberal ausgerichtet war«, sagt die gebürtige Amerikanerin Dohme. Auch die heutige Gemeinde hat sich der liberalen Ausrichtung des Judentums angeschlossen. Frauen und Männer haben die gleichen religiösen Rechte und Pflichten. »Wir haben mit Irit Shillor auch eine Frau als Rabbinerin.«

Ohne die Hilfsbereitschaft vieler Spender wäre der rund eine Million Euro teure Bau kaum möglich gewesen. Das Land Niedersachsen, die Stadt Hameln und der Landkreis Hameln-Pyrmont übernahmen rund zwei Drittel der Kosten. Den Rest finanziert eine eigens für den künftigen Erhalt der Synagoge gegründete Stiftung durch Spenden und ein Darlehen.

Von allen Seiten habe sie nur positive Rückmeldungen bekommen, sagt Dohme. »Als wir mitten in den Bauarbeiten waren, kamen zwei kleine muslimische Jungs aus der Nachbarschaft. Ich habe sie herumgeführt und ihnen alles erklärt.« Jetzt fiebert sie dem ersten Schabbatgottesdienst am Freitagabend entgegen. Die Gemeinde wird ihn ganz für sich feiern. Die Vorsitzende ist sich sicher: »Alle unsere Mitglieder werden kommen.«

Voll wird es in der Synagoge auch zur offiziellen Eröffnung am Sonntag. Schließlich findet der Neubau international Beachtung. Neben dem niedersächsischen Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) richten der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan J. Kramer, und der Europa-Präsident der Weltunion für progressives Judentum, Leslie Bergmann, das Wort an die Gemeinde.

Im ersten Stock der Synagoge wird bald der Gemeindechor üben. Interessierte finden hier Deutsch-, Yoga- und Literaturkurse, und junge Juden werden auf ihre Bar- oder Batmizwa vorbereitet. Dohmes Blick schweift zu den zwei Pyramiden-Eichen vor der Synagoge. Die beiden Bäume sind gepflanzt worden, als die erste Synagoge 1879 eingeweiht wurde: »Ich hoffe, sie beschützen unser neues Gotteshaus länger als das alte.« ja/epd

Jom Haschoa

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