Hamburg

»Hier geht es um Menschen«

Marco Moreno erzählte in Hamburg von der Hilfsoperation der israelischen Armee an der syrischen Grenze. Foto: Moritz Piehler

Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hatte am Montag gemeinsam mit Keren Hayesod zu einer ganz besonderen Chanukkafeier eingeladen. Bevor Rabbiner Shlomo Bistritzky die Chanukkakerzen entzündete, war mit Marco Moreno ein ehemaliger Kommandeur der israelischen Armee (IDF) in die Hansestadt gekommen, um von der Operation »Guter Nachbar« zu berichten, die er maßgeblich mit aufgebaut hat.

Moreno, der mittlerweile im Ruhestand ist, hatte zuvor bereits drei weitere deutsche Städte besucht, um von der Hilfsoperation der israelischen Armee zu erzählen, die mit Spenden des Keren Hayesod finanziell unterstützt wird.

Philipp Stricharz, der Vorsitzende der Hamburger Gemeinde, freute sich besonders, einen Vertreter der IDF zum Lichterfest in seiner Gemeinde begrüßen zu dürfen. »Wir feiern zwar an Chanukka nicht den militärischen Sieg über die Griechen, sondern das Wunder, dass das Öl für acht Tage ausreichte«, sagte Stricharz zur Begrüßung der Gäste im gut gefüllten Gemeindesaal. »Aber was die IDF heute im Norden Israels leistet, ist auch ein Wunder, das in die Welt hinausstrahlt.«

GRENZREGION In seinem Vortrag berichtete Moreno von den Anfängen der Operation. Zu Beginn des Krieges sah sich Moreno mit einer unübersichtlichen Situation konfrontiert. Unzählige nichtstaatliche Akteure gruppierten sich auf der syrischen Seite der fast 100 Kilometer langen Grenze mit Israel: von der Al-Nusra-Front bis ISIS und verschiedenen Organisationen, die eine Bedrohung für Israel darstellten. Moreno war mit der Aufgabe betraut, die Situation zu evaluieren. Sich militärisch einzumischen, war keine Option. Die Grenzen zu schließen und mit Gewalt zu verteidigen, schien die erste logische Konsequenz für die IDF. »Das Militär denkt nicht gerne über den Tellerrand hinaus«, erzählte Moreno mit einem Augenzwinkern.

Marco Moreno:
»Wir entschieden uns,
das Richtige zu tun«

Doch dann sei etwas – auch für ihn – Ungewöhnliches geschehen. »Wir entschieden uns, das Richtige zu tun.« Als jüdische Armee habe man nicht einfach danebenstehen und zusehen können, wie ein Genozid verübt wurde. »Wir sind inzwischen eine starke Armee, doch wahre Stärke ist es, Gnade und Mitgefühl zu zeigen«, erklärte er die Entscheidung. Mehr als 4000 verwundete Syrer sind seitdem in israelischen Krankenhäusern behandelt worden, mehr als 250 Tonnen Lebensmittel wurden ausgeliefert. Insgesamt eine Milliarde Euro hat die Operation in sechs Jahren gekostet, viel wurde durch Spenden wie die des Keren Hayesod finanziert.

CHANCEN Doch die Langzeitwirkung mag viel größer sein als die kurzfristige menschliche Hilfe. Moreno fand klare Worte: »Es geht hier nicht um Politik. Es geht um Menschen und Kinder.« Die Operation habe die Wahrnehmung Israels bereits überall im Nahen Osten maßgeblich verändert. »Wir haben hier die Chance, Vertrauen für Generationen aufzubauen.«

Lange wurde die Nachricht von der Operation »Guter Nachbar« nicht offiziell verbreitet. Noch heute wissen viele Menschen, vor allem in Europa, nichts vom humanitären Einsatz der israelischen Armee. Erst nach einer Weile öffnete sich die IDF anderen Hilfsorganisationen und NGOs. Bis die syrische Armee die Grenze wieder übernahm und die Übergänge schloss, arbeiteten mehrere Organisationen bei der medizinischen Versorgung mit der IDF zusammen.

»Egal, was man von der IDF halten mag, ich kenne keine andere Armee der Welt, die das Leben ihrer eigenen Soldaten aufs Spiel setzen würde, um dem Feind zu helfen«, betonte Moreno. Denn offiziell hat es zwischen Syrien und Israel nie einen Friedensvertrag gegeben. Auch für die Besucher der Chanukkafeier war es eine beeindruckende Geschichte, die sie da aus Israel hörten.

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025

Trilogie

Aufgewachsen zwischen den Stühlen

Christian Berkel stellte seinen Roman »Sputnik« im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  26.10.2025

Dank

»Endlich, endlich, endlich!«

Die IKG und zahlreiche Gäste feierten die Freilassung der Geiseln und gedachten zugleich der Ermordeten

von Esther Martel  24.10.2025

Kladow

Botschaft der Menschlichkeit

Auf Wunsch von Schülern und des Direktoriums soll das Hans-Carossa-Gymnasium in Margot-Friedländer-Schule umbenannt werden

von Alicia Rust  24.10.2025

Osnabrück

Rabbiner Teichtal: »Unsere Aufgabe ist es, nicht aufzugeben«

»Wer heute gegen Juden ist, ist morgen gegen Frauen und übermorgen gegen alle, die Freiheit und Demokratie schätzen«, sagt der Oberrabbiner

 24.10.2025

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025