Lepizig

Hetzen vorm Gewandhaus

Plakate in Leipzig Foto: dpa

Ein eiskalter Wind fegt durch die Leipziger Innenstadt. Es ist Freitagabend, kurz nach sieben. Vereinzelt fallen Schneeflocken auf den Augustusplatz, die Temperatur nähert sich dem Gefrierpunkt. Das Klima auf dem großen Geviert zwischen Oper und Gewandhaus hat diesen bereits unterschritten. Obwohl sich nur um die 1500 Demonstranten vor der Bühne versammeln – deutlich weniger als vor einer Woche – ist die Kälte, die die meist jungen und überwiegend schwarz gekleideten Männer verbreiten, mit Händen zu greifen.

Das spüren auch die Tausenden Gegenprotestanten, die erneut die Polizei weiträumig auf Abstand hält. Ruft es vom Platz: »Wir sind das Volk!«, antwortet etwa das Bündnis »Leipzig. Courage zeigen«, das sich vor der Universität an die Sperrzäune drängt: »Wenn ihr das Volk seid, sind wir Flüchtlinge.«

Grölen Als wenige Minuten später Legida mit der Kundgebung beginnt, schwillt der verbale Schlagabtausch weiter an. Als erster spricht Silvio Rösler, ein früherer Aktivist der rechtskonservativen Splitterpartei DSU. Er hat die heutige Legida-Kundgebung angemeldet. Es müsse »endlich Klartext geredet werden zum Thema Islam, Asyl und Ausländer«, ruft er in die grölende Menge. Deutschland sei zwar »gastfreundlich«, aber nicht für jene, die es als »Selbstbedienungsladen und soziale Hängematte« nutzten. Plakate werden hochgehalten, auf einem steht: »Wulff und Merkel = Verrat am deutschen Volk«.

Buhrufe und Trillerpfeifen dringen von der Uni herüber. »Nazis raus!«, fordern die Gegendemonstranten. Sofort skandiert es aus der schwarzen Menge zurück: »Linke Schweine!« Ein älterer Herr in Pudelmütze, der dem Dialekt nach aus Sachsen-Anhalt stammt, schimpft: »Warum räumen denn die Bullen da nicht einfach ...!?« Sie hätten »doch Knüppel und Waffen«.

Sperrkette Zumindest hat die Polizei, die diesmal mit etwa 2000 Mann vor Ort ist, die Sache fest im Griff. Zwar versuchen immer wieder Grüppchen von Legida-Gegnern dichter an die Bühne zu kommen, doch die Sperrkette steht. Gefährliche Situationen wie in der Woche zuvor, als sich gewaltbereite Hooligans unmittelbar vor den Gegendemonstranten aufgebaut hatten, um sie aggressiv zu provozieren, und später sogar einen Fotografen niedertraten, gibt es diesmal nicht.

So kann auf dem Augustusplatz nun ein Herr im langen braunen Ledermantel reden. Er nennt sich Friedrich Fröbel und ruft mit sich überschlagender Stimme ins Mikrofon: »Welche Elite soll uns denn was erklären?« Die Berliner Politik habe doch längst abgewirtschaftet. Die Menge johlt: »Preußenschweine! Preußenschweine!«

Fußballfans Dann wird Fröbel konkreter. »Die ersten, die für den Erhalt unserer Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind«, verkündet er über den Platz, wo sich auch obskure Banner rechtsextremer Gruppen entdecken lassen, seien »nicht die Gründer von Pegida, sondern die Hooligans« gewesen. Mehr noch: Er vergleicht die Fußballradikalos, die wieder aus mehreren Bundesländern angereist sind, gar mit den Lützowschen Jägern im Befreiungskrieg gegen Napoleon.

Weitere Redner folgen, alle attackieren die aktuelle Politik, fordern mehr direkte Demokratie, beschimpfen die USA. »Ami go home!«, tönt es im Chor. Von jenseits der Polizeikette antworten die Gegendemonstranten: »Menschenrechte statt rechte Menschen«.

Auf die Frage, warum sie sich dieser Gefahr aussetzten, immerhin gebe es doch auch Meinungsfreiheit in Deutschland, zitieren zwei Mädchen vom NoLegida-Lager Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman. Er hatte am Vortag Leipzig besucht, da sein Land Partner von zwei gerade stattfindenden Fachmessen ist, und erklärt: »Diejenigen, die rassistisch und antisemitisch hetzen, nutzen demokratische Spielregeln, um die Demokratie zu verletzen.«

Sorgen Auch im Legida-Pulk finden sich, wenngleich nur vereinzelt, Frauen. Eine ist über 60 und Lehrerin, wie sie sagt. Ihr Vater wäre gar Kommunist gewesen, verrät sie. Darum sei sie absolut nicht gegen Ausländer. Doch was sich »seit zwei Jahren in Deutschland zusammenbraut«, mache ihr Sorgen. Die Politik habe sich »längst weit von den Menschen entfernt – die Reichen werden immer reicher, und dem kleinen Mann nehmen sie nun auch noch die Zinsen vom Sparkonto weg!« Darum sei sie hier.

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