Zeitzeuge

Glück in Zeiten des Unglücks

Der Regisseur und Drehbuchautor Celino Bleiweiß Foto: privat

Mit dem israelbezogenen Vortrag von Ben Segenreich zur »Woche der Brüderlichkeit« ging nach 37 Jahren für das Kulturzentrum der Israelitischen Kultusgemeinde erst einmal der Vorhang zu.

Es ist offenkundig, dass die Corona-Pandemie für Monate, manche Fachleute nehmen gar die Jahreszahl 2022 in den Mund, alles verändert. Iwrit-Unterricht per Skype – damit beendete Gila Melzer ihr Wintersemester. Inwieweit sich dies ab Mai fortführen lässt – ohne die gesellige Gemeinschaft im Unterrichtsraum –, wird sich zeigen.

coronavirus Termin um Termin, zu dem man sich viele Gäste gewünscht hätte, musste bereits abgesagt werden. Das Coronavirus legte alles radikal lahm: das heitere Purim-Spiel ebenso wie die Erinnerung an den 100. Geburtstag von Mietek Pemper, den Vordenker von Oskar Schindlers echter Liste.

Auch die Gedenkstunde in der Synagoge »Ohel Jakob« zum 77. Jahrestag des Aufstands im Warschauer Ghetto und zum 75. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager musste entfallen, weil die Pandemie nur zu bändigen ist, wenn Menschen Abstand halten. Je mehr, desto besser.

Das Kulturzentrum der jüdischen Gemeinde will die Verbindung zu seinem lernbegierigen, kontaktfreudigen Publikum aber unbedingt aufrechterhalten. Das Programm läuft also, nur anders und bis auf Weiteres mit digitalen Werkzeugen wie Skype, Zoom und Videoclip, das heißt, im virtuellen Raum.

Der Erste, der sich darauf einließ, war der Regisseur und Drehbuchautor Celino Bleiweiß. Kameraerprobt trug er seine Erinnerungen nicht am Stehpult vor dem Toraschrein der Münchner Hauptsynagoge vor, sondern vor einer Webcam in seiner selbst gewählten Auszeit in Israel, wohin er mit einem der letzten regulären Flüge noch gelangt war.

pässe Eine ARD-Fernsehdokumentation aus dem Jahr 2014 mit dem damals 76-Jährigen trug den Titel »Das geschenkte Leben«. Seinen Vortrag 2020 benannte der Zeitzeuge mit »Glück in Zeiten des Unglücks«. Beides trifft zu. Denn er überlebte nur, weil ein Mann namens Richard Bleiweiß die amerikanischen Pässe seiner ermordeten Ehefrau und Tochter verwendete, um der 20-jährigen Sarah Katz und ihrem noch nicht einmal fünf Jahre alten Cousin Mechl Feiler damit eine Chance zum Überleben zu geben.

Der Austausch von Juden mit amerikanischer Staatsbürgerschaft gegen deutsche Kriegsgefangene gelang zwar nicht, doch die Austauschbaracke im KZ Bergen-Belsen war besser als der Transport in ein Vernichtungslager. Die dreiköpfige Überlebensgemeinschaft Bleiweiß bewahrte nach der Befreiung durch die Rote Armee das Geheimnis ihrer Entstehung.

Unter dem Namen Celino Bleiweiß gelang dem so neu Geborenen in der DDR und ab 1984 in Westdeutschland eine Karriere in der Film- und Fernsehbranche. 2012 inszenierte Bleiweiß für die Europäische Janusz Korczak Akademie das Musical Anatevka.

In diesem Kontext traf er Henny Brenner, geborene Wolf. Die Zeitzeugin, die zum Jom Haschoa 2014 in der Münchner Hauptsynagoge gesprochen hatte, erinnerte sich an ihn. Nach dem Krieg war er mit seinen (Pflege-)Eltern zu Gast bei den Wolfs in Dresden gewesen. Die Welt ist manchmal klein wie ein Schtetl.

Die Ansprache von Celino Bleiweiß ist über www.ikg-m.de jederzeit abrufbar.

Gedenken

Neues Denkmal für jüdische Häftlinge in Gedenkstätte Ravensbrück

Etwa 20.000 Jüdinnen und Juden sind im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg inhaftiert gewesen. Die heutige Gedenkstätte hat nun ein neues Denkmal enthüllt - im Beisein von Überlebenden

von Daniel Zander  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

 06.11.2025 Aktualisiert

Reaktionen

Zohran Mamdanis Sieg spaltet die jüdische Gemeinschaft

Während ein Drittel der New Yorker Juden den neuen Bürgermeister gewählt hat, haben andere Angst, dass dessen Antizionismus ihre Sicherheit gefährdet

 06.11.2025

Hamburg

Viel mehr als Klezmer

In der Hansestadt haben die zweiten Jüdischen Kulturtage begonnen. Bis Mitte Dezember erwartet die Besucher ein breit gefächertes Programm – inklusive einer jiddisch-hebräischen Oper

von Heike Linde-Lembke  06.11.2025

Düsseldorf

»Eine Stimme, wo andere schwiegen«

Die Gemeinde zeichnet Wolfgang Rolshoven mit der Josef-Neuberger-Medaille aus

von Stefan Laurin  06.11.2025

Berlin

Andacht für Margot Friedländer: »Du lebst weiter«

Sie war Holocaustüberlebende, Berliner Ehrenbürgerin und eine eindrucksvolle Persönlichkeit. Gestern wäre Margot Friedländer 104 Jahre alt geworden. An ihrem Grab erinnern Freunde und Bekannte an sie

von Andreas Heimann  06.11.2025

Laudatio

»Wie hält man so etwas aus?«

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hielt die Laudatio auf Karoline Preisler anlässlich der Verleihung des Paul-Spiegel-Preises in Berlin. Eine Dokumentation

von Julia Klöckner  05.11.2025

Potsdam

Abraham-Geiger-Kolleg ordiniert zwei Rabbinerinnen

In Deutschlands größter Synagoge Rykestraße in Berlin-Prenzlauer Berg werden an diesem Donnerstag zwei Rabbinerinnen ordiniert. Zu der Feier wird auch Polit-Prominenz erwartet

 05.11.2025

Berlin

Davidstern-Gemälde an East Side Gallery beschmiert

Der Tatverdächtige konnte gefasst werden. Bei der Begehung seines Wohnhauses fand die Polizei mehrere Hakenkreuze

 05.11.2025