Halle/Saale

Gemeinschaftswerk

Die Synagoge in Halle schmückten Hunderte von bunten Blumen. Die Jüdische Gemeinde der Saale-Stadt hatte allen Grund zu feiern: Nach über 70 Jahren zog eine neue Torarolle in das Gotteshaus ein.

Unter feierlichen Gesängen trugen Rabbiner Alexander Kahanovsky und die Gemeindemitglieder die neue Rolle in die 1894 erbaute Synagoge. Passanten blieben stehen und wippten zaghaft zur Musik des Festumzugs. Unter den 200 Gästen befanden sich fast 50 Rabbiner, denn neben dem Einzug der neuen Sefer Tora beging die Gemeinde an diesem Wochenende eine weitere Veranstaltung: Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz (ORD) veranstaltete ihre Tagung erstmals in der Stadt an der Saale.

Aus ganz Deutschland waren die Teilnehmer angereist, und auch internationale Gäste wie Vertreter der Zionistischen Weltorganisation sowie Rabbiner aus Großbritannien und Israel nahmen teil.

Anerkennung Für den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde zu Halle, Max Privorozki, war die Entscheidung für seine Stadt als Tagungsort auch eine Anerkennung der aktiven Gemeindearbeit. Ein eindrucksvoller Beweis sei die einzigartige Finanzierung des Tora-Ankaufs. »Mehr als 100 Gemeindemitglieder haben dafür gespendet«, erzählt Privorozki. »Selbst die Kinder und Jugendlichen haben fleißig mitgesammelt.«

Den fehlenden Betrag für die 20.000 Euro teure Torarolle zahlte die Gemeinde. Mit dem Auftrag wurde ein Sofer-Institut in Jerusalem betraut. Nach einem Jahr, in dem der Sofer, der Schriftgelehrte, Buchstabe für Buchstabe geschrieben hatte, konnten Privorozki und Kahanovsky das Herzstück ihrer Synagoge endlich aus der israelischen Hauptstadt abholen.

Sechs Torarollen besitzt die Gemeinde bisher. »Ihr genaues Alter ist unbekannt«, sagt Privorozki. Er vermute aber, dass sie aus der Zeit vor der Schoa stammten. Keine dieser Rollen eigne sich mittlerweile noch für das Gebet, weswegen sich die Gemeinde bisher mit einer Leihgabe des Rabbinerseminars zu Berlin behelfe.

Integriert Max Privorozki resümierte zufrieden, wie gut man mittlerweile in der Stadt angekommen sei. »Nach angespannten Jahren und Zerwürfnissen innerhalb der Gemeinde sind wir mittlerweile ein fester Bestandteil Halles«, sagte er. Mit der eigenen Torarolle fühle man sich jetzt auch endlich als vollständige Gemeinde.

»Es ist ein sehr froher Tag für uns, denn die Torarolle ist das Wichtigste in der Synagoge«, freute sich der Gemeindevorsitzende, während die Feiernden die Synagoge erreichten. Rasch füllte sich das Gotteshaus, unter die Feiernden waren auch Vertreter der Politik wie Stadtrat Karamba Diaby (SPD). Auch der evangelische Propst Johann Schneider, Regionalbischof von Halle-Wittenberg, saß im Publikum.

In seiner Ansprache lobte Sachsen-Anhalts Landesrabbiner Meir Roberg die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern und ihrer Gemeinde: »Dass durch diese gemeinsame Finanzierung – zehn Tage vor Schawuot – die Gemeinde wieder mit einer eigenen Torarolle für das Gebet ausgestattet wird, ist wunderbar!« Das Lob gab Kahanovsky in seiner Dankesrede an die Frauen der Gemeinde weiter, denn sie hätten besonders viel gesammelt. Und auch seine Frau sei ihm eine Stütze gewesen: Während des Aufenthaltes in Jerusalem hielt sie ihn via Skype über die Geschicke der Gemeinde auf dem Laufenden.

Es war Bildungsdezernent und Beigeordneter für Soziales, Tobias Kogge (CDU), der daran erinnerte, dass der Einzug einer neuen Torarolle noch keine Normalität bedeute: Erst wenn auch andere Städte solch aktive Gemeinden wie Halle vorzuweisen hätten, könne von einer Revitalisierung des Judentums in Deutschland die Rede sein. »Dies ist ein besonderer Tag für Halle, denn mit der Torarolle kehrt die Weisheit in die Stadt zurück«, sagte Kogge.

Tradition Das Vorstandsmitglied der ORD, Rabbiner Aharon Ran Vernikovsky, verwies auf die Bedeutung der Tora, diese beinhalte die Wahrheit über das Leben von Juden. »Wir leben sie seit 3300 Jahren, das muss uns erstmal jemand nachmachen!«, betonte er. Statt mit einer Rede rundete der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla den Festakt mit einem Lied ab, ehe die Gäste zu Buffet und Gesprächen übergingen.

Für Rabbiner Kahanovsky jedoch war der Tag noch lange nicht vorbei: Die ORD-Konferenz, die noch bis zum nächsten Abend lief, bedeutete für ihn und seinen Gemeindevorsitzenden einen großen logistischen Aufwand. Eine Stadt wie Halle im wenig religiösen Osten verfüge über kein Hotel, das auf Rabbinerkonferenzen vorbereitet sei.

Die koschere Bewirtung der Gäste übernahm die Gemeinde daher selbst. Unter dem Konferenzthema »Holocaust und Gebet« diskutierten die Teilnehmer über die geistliche Führung von Rabbinern während der Schoa und hörten dazu unter anderem Vorträge von Rabbiner Yoel Smith und Rabbiner Avraham Krieger.

Nach Abschluss der Konferenz fuhr Alexander Kahanovsky am Abend nach Berlin und brachte die geliehene Torarolle ins Rabbinerseminar zurück. »Ich freue mich, nach Halle zurückzukehren, in meine Gemeinde mit eigener Torarolle.«

Chemnitz

Erinnerungen an Justin Sonder

Neben der Bronzeplastik für den Schoa-Überlebenden informiert nun eine Stele über das Leben des Zeitzeugen

 19.10.2025

Porträt der Woche

Leben mit allen Sinnen

Susanne Jakubowski war Architektin, liebt Tanz und die mediterrane Küche

von Brigitte Jähnigen  19.10.2025

Miteinander

Helfen aus Leidenschaft

Ein Ehrenamt kann glücklich machen – andere und einen selbst. Menschen, die sich freiwillig engagieren, erzählen, warum das so ist und was sie auf die Beine stellen

von Christine Schmitt  19.10.2025

Architektur

Wundervolles Mosaik

In seinem neuen Buch porträtiert Alex Jacobowitz 100 Synagogen in Deutschland. Ein Auszug

von Alex Jacobowitz  17.10.2025

Nova Exhibition

Re’im, 6 Uhr 29

Am 7. Oktober 2023 feierten junge Menschen das Leben. Dann überfielen Hamas-Terroristen das Festival im Süden Israels. Eine Ausstellung in Berlin-Tempelhof zeigt den Horror

von Sören Kittel  17.10.2025

Meinung

Entfremdete Heimat

Die antisemitischen Zwischenfälle auf deutschen Straßen sind alarmierend. Das hat auch mit der oftmals dämonisierenden Berichterstattung über Israels Krieg gegen die palästinensische Terrororganisation Hamas zu tun

von Philipp Peyman Engel  16.10.2025

Erinnerung

Gedenken an erste Deportationen aus Berlin am »Gleis 17«

Deborah Hartmann, Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, warnte mit Blick auf das Erstarken der AfD und wachsenden Antisemitismus vor einer brüchigen Erinnerungskultur

 16.10.2025

Bonn

Hunderte Menschen besuchen Laubhüttenfest

Der Vorsitzende der Synagogen-Gemeinde in Bonn, Jakov Barasch, forderte mehr Solidarität. Seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 hätten sich hierzulande immer mehr Jüdinnen und Juden aus Angst vor Übergriffen ins Private zurückgezogen

 13.10.2025

Hamburg

Stark und sichtbar

Der Siegerentwurf für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge steht fest

von Heike Linde-Lembke  09.10.2025