Erfurt

Gemeinsame Bewerbung?

Erfurt: Alte Synagoge Foto: Pierre Kamin

Erfurt

Gemeinsame Bewerbung?

Thüringen will mit Rheinland-Pfalz den UNESCO-Weltkulturerbetitel beantragen. Doch die Schum-Städte zögern

von Esther Goldberg  16.06.2015 10:52 Uhr

Aus einer Zeitungsmeldung erfuhren Verantwortliche des Landes Thüringen und der Stadt Erfurt, dass in Rheinland-Pfalz Stimmung gegen einen gemeinsamen Antrag mit Thüringen auf den Titel »UNESCO-Weltkulturerbe« gemacht wird. Demnach hatte Joachim Glatz, Chef der Landesdenkmalpflege und der Generaldirektion Kulturelles Erbe in Rheinland-Pfalz, den Vorschlag des Erfurter Oberbürgermeisters Andreas Bausewein abgelehnt, über eine gemeinsame Bewerbung zu reden.

Dabei kommt das Bemühen der Thüringer um die gemeinsame Bewerbung der Länder nicht von ungefähr: Genau vor einem Jahr hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) sowohl die Schum-Städte Speyer, Worms und Mainz als mittelalterliche Zentren jüdischer Gelehrsamkeit als auch Erfurt auf die sogenannte Tentativliste (Vorschlagsliste) Deutschlands gesetzt.

Für die Rheinland-Pfälzer könnte der Welterbetraum 2020 wahr werden, für die Thüringer ein Jahr später. »Eine Expertenkommission hatte jedoch nahegelegt, einen gemeinsamen Antrag zu prüfen«, sagt Erfurts Kulturdirektor Tobias Knoblich. Damit würde die Chance steigen. »Eine solche Prüfung und das Miteinander machen inhaltlich Sinn«, versichert auch Sarah Laubenstein, Erfurts UNESCO-Beauftragte.

kriterien Um eine Chance auf den Welterbetitel zu bekommen, sind drei Kriterien zwingend: Einmaligkeit, Authentizität und Integrität. Genau deshalb mache eine gemeinsame Bewerbung Sinn, findet Maria Stürzebecher, ebenfalls UNESCO-Beauftragte der Stadt. Abgesehen von der alten Synagoge, die als eines der besterhaltenen Häuser aus dem Mittelalter gilt, gibt es auch die Mikwe und das »Steinerne Haus«. »In Erfurt werden jüdischer Ritus, jüdisches Alltagsleben und christlich-jüdische Koexistenz im Mittelalter durch so viele authentische Zeugnisse belegt wie sonst nirgends auf der Welt«, sagt Laubenstein.

Dass Wissenschaftler über die Einmaligkeit und Besonderheit von Spuren jüdischer Vergangenheit streiten, ist legitim. »Selbstverständlich war Erfurt nie eine Schum-Stadt, aber wir sind repräsentativ für das aschkenasische Judentum im Mittelalter und auch für das jüdisch-christliche Miteinander«, versichert Laubenstein. Knoblich sagt, der Einwand aus Rheinland-Pfalz, eine gemeinsame Bewerbung nicht zu prüfen, widerspreche jeglicher Logik.

Tatsächlich waren Mainz und Erfurt im Mittelalter historisch eng verknüpft. Der Mainzer Erzbischof war der Stadtherr von Erfurt. »Mit Sicherheit gab es vielfältige Verbindungen«, sagt Laubenstein. Sie wurden teils anhand von Grabsteinen nachgewiesen. Ein Grabstein etwa ist der Familie Kalonymos zugedacht: Diese jüdische Familie, die aus Norditalien nach Rheinland-Pfalz kam, hat auch in Erfurt Spuren hinterlassen.

bewerbung Warum also positioniert sich Rheinland-Pfalz so vehement gegen eine gemeinsame Bewerbung? »Das tun wir doch gar nicht. Die Meldung in der Zeitung war eine Information, die gar keine werden sollte«, rudert Joachim Glatz zurück. So eindeutig wollte er nicht verstanden werden.

»Wir brauchen aber den Nachweis, dass Erfurt tatsächlich für das jüdische Leben im Mittelalter eine besondere Rolle gespielt hat«, erklärt er. »Die Kooperation mit Erfurt war immer fruchtbar«, versichert er gegenüber der Jüdischen Allgemeinen. Er werde demnächst nach Erfurt reisen, denn es gebe wohl weitere Quellen, die die gemeinsame Vergangenheit belegen. Glatz scheut sich davor, allzu deutlich von der selbstständigen Bewerbung der Schum-Städte zu sprechen.

»So eine Äußerung wäre kontraproduktiv«, sagt Erfurts Kulturdirektor Tobias Knoblich. Der Druck auf Rheinland-Pfalz und Thüringen auf eine gemeinsame Bewerbung werde wachsen. Denn aus internationaler Sicht ist diese Form der Kleinstaaterei nicht zu verstehen. »Wir halten am gemeinsamen Vorgehen fest und sind dabei, für Anfang nächsten Jahres ein Symposium in Erfurt zu organisieren«, erklärt Thüringens Kulturminister Benjamin-Immanuel Hoff. »Unser Ziel ist die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Das wollen wir gemeinsam mit Rheinland-Pfalz vorantreiben.«

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025

»Gila & Nancy«

Rüschen und Rote Bete

Das Restaurant von Eyal Shani verbindet israelisches Fine Dining und Drag. Unsere Autorin hat probiert

von Alicia Rust  22.10.2025

Beratung

»Betroffene sollen wissen: Wir sind da«

Katja Kuklinski arbeitet bei der Düsseldorfer Servicestelle für Antidiskriminierung. Ein Gespräch über Lehrerfortbildung, Anfragen nach dem 7. Oktober und ihre eigene Familiengeschichte

von Katrin Richter  21.10.2025

Leipzig

Zeichen, die Mut machen

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier besuchte am 7. Oktober die Gemeinde zu einem Gespräch und besichtigte die Sukka

von Katharina Rögner  21.10.2025

Solidarität

»Dieses Land ist unser Land«

Anlässlich des Jahrestags der Hamas-Massaker kamen auf Initiative des Bündnisses »DACH gegen Hass« rund 1500 Menschen auf dem Münchener Königsplatz zusammen

von Esther Martel  21.10.2025

Buchvorstellung

Sprache, Fleiß und eine deutsche Geschichte

Mihail Groys sprach im Café »Nash« im Münchener Stadtmuseum über seine persönlichen Erfahrungen in der neuen Heimat

von Nora Niemann  20.10.2025

Chemnitz

Erinnerungen an Justin Sonder

Neben der Bronzeplastik für den Schoa-Überlebenden informiert nun eine Stele über das Leben des Zeitzeugen

 19.10.2025

Porträt der Woche

Leben mit allen Sinnen

Susanne Jakubowski war Architektin, liebt Tanz und die mediterrane Küche

von Brigitte Jähnigen  19.10.2025