Jahrestag

Gedenken in den Pyrenäen

Mehr als 6.500 Juden aus dem deutschen Südwesten wurden am 22. Oktober 1940 von den Nazis ins französische Zwischenlager Gurs deportiert – in der »Vorhölle von Auschwitz« kamen Hunderte Menschen ums Leben. Mit großem Einsatz kämpft die Israelitische Religionsgemeinschaft (IRG) Baden dafür, die jüdischen Gräber zu erhalten. Während die Grabstätten der deutschen Soldaten längst gesichert sind, gilt es, allein in Gurs 1.000 und in mehreren kleinen Gemeinden rund um Gurs etwa 700 Grabstätten zu erhalten.

Initiative »Wir brauchen dringend die politische Unterstützung«, sagte der IRG-Vorsitzende Wolfgang Fuhl. Die IRG strebt eine Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland an. »Uns ist das Thema ein großes Anliegen, und es wäre schön, wenn es jetzt – zum 70. Jahrestag der Deportation – auf den Weg gebracht werden könnte.« Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) war am vergangenen Sonntag mit dem Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stefan J. Kramer, und einigen Landesministern nach Gurs gefahren, um der Ermordeten zu gedenken.

Ihm sei es ein »Anliegen«, betonte Mappus, »im ersten Amtsjahr als Ministerpräsident gemeinsam mit Ihnen der Opfer zu gedenken«. IRG-Chef Fuhl, der mit der Vorstandssprecherin der IRGW aus Stuttgart, Barbara Traub teilnahm, zeigte sich erfreut über das Engagement der Landesregierung. »Ich bin froh, dass Sie sich des Themas annehmen«, sagte Fuhl. »Wir alle haben zu lange gezögert, das alles aufzuarbeiten.« Etliche Gräber seien bereits für immer verschwunden.

Mappus und der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) haben sich bereits in einer gemeinsamen Kabinettssitzung der Landesregierungen über das Thema ausgetauscht. Sie wollen nach Lösungen suchen, damit die Grabstätten aller Deportierten erhalten und gepflegt werden können. Nach Schätzungen der IRG sind in den ersten drei Jahren etwa 200.000 Euro nötig, um die Gräber wieder herzurichten. In den Folgejahren beliefen sich die Kosten auf 50.000 bis 100.000 jährlich, sagte Paul Dörr, der für die IRG eine Dokumentation erstellte, um die Bundesratsinitiative vorzubereiten.

Aufhebung Im Oktober 1940 wurden jüdische Einwohner aus Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Baden-Baden, Freiburg und Konstanz nach Frankreich deportiert. Allein im Lager Gurs starben 2.000 Menschen. Nur etwa 20 bis 30 Menschen überlebten. Die meisten der deportierten und gestorbenen Juden sind in Gurs bestattet. Nach Ablauf der geltenden Konzession (15, 30, 50 Jahre) werden die Grabstätten eingeebnet. »Im jüdischen Glauben kommt dem Grab eine besondere Bedeutung zu. In ihm wartet der Verstorbene auf die Auferstehung und daher werden jüdische Grabstellen traditionell nicht aufgehoben«, betonte Landesrabbiner Benjamin Soussan, der die Gruppe in Südfrankreich begleitete. dpa/ja

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025