Cottbus

Für das leibliche Wohl ist gesorgt

Frische Challe gibt es jeden Schabbat, aber auch für die Hohen Feiertage hat Galina Bibikova einiges vorbereitet. Foto: Maria Ugoljew

Cottbus

Für das leibliche Wohl ist gesorgt

Wie sich die Jüdische Gemeinde auf die Hohen Feiertage vorbereitet und welche Rolle Köchin Galina Bibikova dabei spielt

von Maria Ugoljew  18.09.2017 10:56 Uhr

»Ich bin dafür verantwortlich, was bei uns auf den Tisch kommt«, sagt Galina Bibikova. Die 50-Jährige liebt es zu kochen, »das war schon immer so«. Ihre Gemeindemitglieder in Cottbus zu verköstigen, bereitet ihr Freude. Ob zu den bevorstehenden Hohen Feiertagen oder als Abschluss des Schabbats – sie sorgt ganzjährig für deren leibliches Wohl.

Für Rosch Haschana steht das Menü fest, »nur der Fisch fehlt uns noch. Einen mit Kopf zu bekommen, ist wirklich nicht einfach«. Gekocht wird in der Küche des Gemeindezentrums, das mitten in der Altstadt liegt. In wenigen Gehminuten gelangt man von dort aus zur Synagoge, die vor gut zwei Jahren eröffnet wurde.

Das jüdische Bethaus war einst eine evangelische Kirche. 2011 hatte der Gemeindekirchenrat die Übergabe des Bauwerks an die jüdische Gemeinde beschlossen, drei Jahre später wurde die Kirche dann entwidmet. Damit war der Weg frei, die Räume mit neuem Leben zu erfüllen. Für die Jüdische Gemeinde, die 1998 neu gegründet wurde, ging damals ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Stolz und euphorisch nahmen die Mitglieder ihr neues Gebäude in Besitz. 70 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes hatte Brandenburg wieder ein jüdisches Bethaus. Eine kleine Sensation, die nicht nur in Cottbus für einige Schlagzeilen sorgte.

Feiern »Seitdem wir die Synagoge haben, feiern wir natürlich alles dort«, sagt Galina Bibikova. Vor zwei Jahren habe sich vor dem Eingang auch die Sukka befunden. Klein und gemütlich sei sie gewesen, erinnert sich die gebürtige Saratowerin. Früher, als es die Synagoge noch nicht gab, sei Rabbiner Shaul Nekrich – damals Landesrabbiner Brandenburgs, heute Rabbi der Jüdischen Gemeinde Kassel – mit einer mobilen Variante nach Cottbus gekommen.

»Nun haben wir allerdings eine richtig große, in der circa 30 Personen Platz finden.« Aufgebaut werde die neue Sukka nicht mehr vor der Synagoge, sondern vor dem Gemeindezentrum. »Die Erlaubnis der Stadt liegt dafür selbstverständlich vor. Wir essen alle darin, aber es übernachtet dort keiner von uns.«

Galina Bibikova lebt seit 2003 mit ihrer Familie in Cottbus. Ihr Mann sei zwar kein Jude, interessiere sich aber sehr für die Religion und die Kultur. »Er kommt auch gern mit in die Synagoge, feiert mit uns.« Zu Hause versuche sie, stets koscher zu kochen. Dabei hat sie den jährlich erscheinenden Ratgeber »Rabbi, ist das koscher?« immer zur Hand. Dort könne sie nachlesen, wo sie welche Produkte kaufen kann.

Berufsleben Ihre Kochkünste stellt die 50-Jährige jedoch nicht nur der Jüdischen Gemeinde Cottbus oder ihrer eigenen Familie zur Verfügung. Vor einigen Jahren habe sie die Möglichkeit bekommen, sich umschulen zu lassen, erzählt Bibikova. Nun ist sie als professionelle Köchin in einem Hotel angestellt. Damit hat sie beruflich eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In Russland arbeitete Galina Bibikova erst als Näherin, dann wurde sie Fitnesscoach. Nun sei sie beruflich endlich angekommen. »Das hat sich alles wunderbar ergeben.«

Für die Gemeindemitglieder kocht sie neben neuen Rezepten auch alte aus ihrer Heimatstadt nach. Diese habe sie auch dank ihrer beiden Kinder wiederentdeckt. »Als im Jahr 2000 in Saratow eine jüdische Schule aufmachte, habe ich sie dort sofort angemeldet«, erzählt sie. Von da an seien zu Hause erneut alle Feste gefeiert und Traditionen gelebt worden. »Auch meine Mutter hat sich darüber sehr gefreut.«

Omelett Heute ist Galina Bibikova eine von rund 400 Mitgliedern in der Jüdischen Gemeinde Cottbus. Bei Weitem nicht alle nehmen regelmäßig an den Festen oder Gebeten teil. Damit es für die, die kommen, kulinarisch nicht langweilig wird, lässt sich die Köchin immer wieder etwas Neues einfallen. »Am Schabbat gibt’s zum Beispiel auch mal ein Omelett oder ein Nudelgericht. Ich mag die Abwechslung«, sagt Bibikova.

Im kommenden Jahr freue sie sich auf Chanukka. »Da kommt immer eine Musikgruppe zu uns.« Und schon jetzt denkt Bibikova an Purim. »Das wird bei uns natürlich nicht so groß gefeiert wie in Berlin oder Potsdam, aber auch wir machen es uns hier schön.« Der Tisch werde dann reich gedeckt, »auch Masken und Kostüme gehören unbedingt dazu«.

Berlin

Für Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

 30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025