Interview

Fünf Minuten mit

Ihm gehen die Themen für die Kulturtage nicht aus: Rabbiner Joel Berger Foto: dpa

Interview

Fünf Minuten mit

Rabbiner Joel Berger über die Herausforderung, jüdische Kulturwochen zu organisieren

von Heidi Gromes-Hechtel  25.10.2010 15:35 Uhr

Herr Rabbiner Berger, Sie und Ihre Frau Noemi gestalten zum vierten Mal das Programm der Jüdischen Kulturwochen, die am 2. November beginnen. Wie gelingt es Ihnen, immer Neues zu bieten?
Weil sich das Leben ständig ändert und erneuert, und das jüdische Leben die eigene Wertordnung aus immer neuen Positionen betrachtet. Daraus ergeben sich auch neue Diskurse. Wer von den Rückkehrern der ersten Stunde hätte sich nach der Schoa je vorstellen können, dass in Deutschland wieder ein so reiches jüdisches Leben entstehen kann? Diesem Aufbruch, so ja auch das Motto, wollten wir Ausdruck geben. Gemäß Jesaja, Kapitel 62, Vers 10, Bücher der Propheten: »Ziehet durch die Tore, räumet den Weg des Volkes, bahnet die Bahn, räumet hinweg die Steine.«

Die Kulturwochen sollen den Dialog zwischen Juden und Nichtjuden fördern. Gestalten Sie das Programm eher nach religiösen oder kulturellen Aspekten?
Das kann man nicht pauschal beantworten, denn Stuttgart ist ein besonderes Pflaster. Hier gibt es die christlichen Kreise mit pie-tistischen Wurzeln, die großes Interesse an den jüdischen Quellen des Christentums haben. Andererseits sind da die säkularisierten Kreise, die man mit literarischen Themen oder politischen Diskursen zum Nahost-Konflikt gewinnt.

Werden vorwiegend deutsche oder auch russische Künstler präsentiert?
Das gesamte Programm ist in deutscher Sprache, weil wir alle Besucher erreichen wollen. Aber es ist uns auch wichtig, den begabten jungen Künstlern russischer Herkunft aus unserer Gemeinde ein Podium zu bieten. Damit wollen wir auch zeigen, dass die viel diskutierte Integration für uns kein Problem darstellt. Denn aus dem Kreis der Zuwanderer ist eine junge Akademikerschicht herangewachsen, die voll in die Gesellschaft integriert ist.

Aus welchem Fundus schöpfen Sie bei der Programmgestaltung?
Uns ist jede Kunstgattung lieb, wenn sie etwas Wertvolles darstellt. Beispielsweise haben wir im Fernsehen einen Dokumentarfilm »Geboren im KZ« gesehen und werden ihn nun bei den Kulturwochen zeigen. Wir hatten bedeutende Schriftsteller wie David Grossman oder Maxim Biller in Stuttgart und wollen im nächsten Jahr David Safir präsentieren. Stolz sind wir, dass Tamas Ungvari aus Budapest kommt, ein umfassend gebildeter Europäer.

Was erwarten die Besucher?
Sie wollen Neues und Interessantes hören und sehen, auch dazulernen und unterhalten werden. Übrigens auch mit den Klischees wie Klezmermusik und jüdischem Witz. Wir wollen Schwellenängste abbauen und vor allem: Auf keinen Fall langweilen.

Mit wie vielen Besuchern rechnen Sie?
Wir haben ein Stammpublikum von etwa 4.000 Besuchern. Vor allem die musikalischen Veranstaltungen ziehen auch junges Publikum an, darunter viele Studierende aus der Musikhochschule.

Sie planen auch für das nächste Jahr wieder Kulturwochen?
Selbstverständlich. Die Bibel und dasaktive Leben bieten noch genug Stoff.

Mit dem Kurator der Jüdischen Kulturtage in Stuttgart sprach Heidi Gromes-Hechtel.

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Misrachim

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025