Interview

Fünf Minuten mit…

Herr Grünbaum, Mitte Februar hatte Zentralratspräsident Dieter Graumann sein Vermittlungsangebot im Fall der zerstrittenen Jüdischen Gemeinde zu Berlin erneuert. Welche Rolle spielt dabei das Schieds- und Verwaltungsgericht?
Mittlerweile liegt eine Entscheidung unseres Gremiums vor, wonach wir derzeit zuständig sind. Es gab einen Antrag, der allerdings nichts mit den Neuwahlen zu tun hatte. In diesem Rahmen war bereits strittig, ob das Schieds- und Verwaltungsgericht beim Zentralrat der Juden überhaupt zuständig ist oder nicht. Wir sind es nur dann, wenn auf Ebene der Mitgliedsgemeinde keine eigene Schiedsgerichtsbarkeit vorhanden ist.

Was bei der Berliner Gemeinde zutrifft.
Das ist das Problem. Gemäß der Satzung gibt es den Schiedsausschuss der Gemeinde, der allerdings seit gut einem Jahr nicht mehr besetzt ist. In diesem Zusammenhang wurde entschieden, dass es nicht allein auf das formale Vorhandensein einer Schiedsgerichtsbarkeit ankommt, sondern auch darauf, dass diese funktionsfähig ist. Im Falle der Jüdischen Gemeinde zu Berlin wurde das – solange dieser Ausschuss nicht besetzt ist – verneint. Mit der Konsequenz, dass die Schiedsgerichtsbarkeit beim Zentralrat sich für zuständig erklärt hat. Das heißt, dass sie nun auch für weitere Anträge zur Verfügung steht.

Erkennen dies die verschiedenen Parteien in der Berliner Gemeinde an?
Beide Parteien wirken an dem Verfahren mit.

Wie sind die formellen Abläufe?
Es muss ein Antrag gestellt werden, der der gegnerischen Seite zugestellt wird. Jede der Parteien hat die Möglichkeit, einen eigenen Schiedsrichter zu benennen, und diese beiden Schiedsrichter wählen dann den Vorsitzenden einer Kammer, die immer aus drei Personen besteht. Dann beginnt das klassische Prozessverfahren.

Welche Bedeutung und Wirkung hat ein Urteil des Schieds- und Verwaltungsgerichts?
Moralisch gesehen hat es ein nicht unerhebliches Gewicht. Die Verfahren, die wir führen, sind fachlich gute Entscheidungen, die einer weitergehenden Überprüfung in jedem Fall standhalten. Rechtlich müssen unsere Entscheidungen für vollstreckbar erklärt werden – für den Fall, dass eine der Parteien sich nicht an den Schiedsspruch hält. Im Regelfall haben sich die Gemeinden immer an die Schiedssprüche gehalten.

Die Gemeinden sind autonom. Wenn sich eine Gemeinde nicht an das Urteil hält, kann dann ein ordentliches Gericht entscheiden?
Nein, nur die Frage der Vollstreckbarkeit wird vor einem ordentlichen Gericht – im Regelfall das Oberlandesgericht Frankfurt/Main – geprüft. Allerdings prüft es nur das ordnungsgemäße Verfahren, ob rechtsstaatliche Prinzipien eingehalten wurden und ob die Entscheidung mit dem »ordre public«, der öffentlichen Ordnung, übereinstimmt. Für die jüdische Gemeinschaft sind das Themenkreise wie die Frage der Redefreiheit, Religionsausübung und demokratische Grundprinzipien. Wenn zum Beispiel ein Schiedsgericht auf die Idee käme, dass Wahlen auch dann wirksam sind, wenn der Zettel vom Vorstand ausgefüllt und den einzelnen Mitgliedern in die Hand gedrückt wurde, dann wäre das ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip.

Sollte es zu gar keiner Einigung kommen, was passiert dann?
Dann entscheiden wir. Es gibt mündliche Verhandlungen, die Parteien kommen zu uns. Es gelingt uns sehr häufig, dass wir auch vergleichsweise Einigungen erzielen. Denn häufig ist eine fehlende Kommunikation und Moderation die Ursache von Konflikten.

Mit dem Vorsitzenden des Schieds- und Verwaltungsgerichts beim Zentralrat der Juden in Deutschland sprach Katrin Richter.

Interview

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