Partnerschaft

Freunde fürs Leben

Jugendliche aus Deutschland und Israel bei ihrer Show »The Way Out« Foto: Claudia Irle-Utsch

»Ihr seid es!« Zvi Cohen sagt seine Botschaft ganz klar. Seine Hoffnung auf eine bessere Welt richtet sich an junge Menschen: an Jugendliche, an junge Erwachsene. Zvi hat die Schoa überlebt, er kennt den Schrecken, der trotz des »Nie wieder!« immer noch und wieder Früchte treibt. Dennoch gibt er dem Frieden, der Verständigung, der Versöhnung eine Chance.

»Ihr müsst auf Freundschaft bauen!« Dieser Appell bleibt auch am Ende einer Aufführung stehen, die einen Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Partnerschaftsjubiläum der Kreise Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer markiert. 16 Jugendliche aus Deutschland und aus Israel unterstreichen mit Theater, Musik und Tanz, was möglich werden kann, wenn Menschen füreinander einstehen.

FREUDE Mit »The Way Out« interpretieren sie Hans Krásas im September 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt uraufgeführte Kinderoper Brundibár auf eine sehr heutige Weise. Sie setzen die Geschichte von Pepícek und Aninka in den erzählerischen Rahmen einer Escape-Room-Story. Hinaus aus der Enge des Raums geht es nur, wenn die dort Verhafteten gemeinsam handeln. Das verstehen sie spät, aber zu ihrem Glück dann doch. Die Freude ist groß, sie äußert sich in einem Lied: »We’ve Won a Victory«.

Die Jugendlichen waren sich ihrer Verantwortung bewusst, ein so großes Thema neu zu bearbeiten. Zusammen haben sie eine Form gefunden. Letztlich über die Universalsprache Musik und auch dank des unbedingten Willens, ihre Botschaft weiterzugeben: Der Weg zueinander birgt die Lösung. Scheinbar Unmögliches wird möglich, Gerechtigkeit hat eine Chance. Diese Erfahrung können junge Leute in Siegen-Wittgenstein und Emek Hefer seit über 50 Jahren machen.

Am 8. August 1973 wurde die erste kommunale Partnerschaft zwischen zwei Landkreisen in Deutschland und in Israel nach dem Zweiten Weltkrieg offiziell besiegelt. Eine Geschichte mit einer Vorgeschichte: Bereits im Oktober 1966 reiste eine Delegation aus dem Siegerland nach Emek Hefer. Aus persönlichen Kontakten war der starke Wunsch gewachsen, in der Auseinandersetzung mit der deutschen NS-Vergangenheit einen Weg zu finden, auf dem Deutsche und Israelis ins Gespräch kommen könnten. Hier wie dort gab es engagierte Menschen, die diese – damals überhaupt nicht unumstrittene – Idee mittrugen.

engagement Im Siegerland trieb der 1938 geborene gesellschaftspolitisch aktive Helmut Peter die Sache voran. In Israel warb etwa die Schoa-Überlebende Edda Meir dafür, Brücken zu bauen in eine neue Zukunft, die die Vergangenheit gleichwohl nicht vergisst. Das Engagement auf beiden Seiten zeigte Wirkung: 1967 kam eine kleine Gruppe aus Emek Hefer nach Siegen. Seitdem besuchen Jugendliche und auch Erwachsene einander Jahr für Jahr.

Daniel Donskoy schenkte dem Publikum eine Menge Songs.

Aus Partnern sind Freunde geworden. Und aus Freunden auch Partner, wie die Geschichte von Heinz und Ruth zeigt: 1970 fliegt Heinz Röcher aus Freudenberg mit nach Emek Hefer, ist einer von vielen in dieser ersten, ganz großen Jugendaustauschgruppe. Land und Leute lassen ihn nicht los, und so folgt zwei Jahre später ein Israel-Trip auf eigene Faust. Er lernt Ruth kennen.

Die Israelin und der Deutsche verlieben sich ineinander. Heinz bleibt, findet Arbeit zunächst in einem Kibbuz. Heiraten allerdings können die beiden damals in Israel nicht. In Deutschland ist das 1976 möglich. Im Zuge der deutschen Wendezeit verändern Heinz und Ruth noch einmal sehr bewusst ihren Lebensmittelpunkt, ziehen 1994 nach Chemnitz. Sie etabliert an den Schulen in Sachsen den jüdischen Religionsunterricht, wird als Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Chemnitz zur treibenden Kraft der noch ganz jungen Städtepartnerschaft mit dem israelischen Kiryat Bialik.

PIONIERIN Das Ehepaar Röcher gehörte in Siegen zu den Ehrengästen des Festakts zum 50-jährigen Partnerschaftsjubiläum. Im Apollo-Theater gratulierte auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und positionierte sich deutlich: Juden und Nichtjuden hätten »hier bei uns« ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft. Für Antisemiten gelte das nicht. Jugendliche, die an Austauschprogrammen teilnähmen, seien »nicht verführbar für Verhetzungen«, so Wüst. Auch deshalb dankte er sowohl den Initiatoren von einst für ihre damals richtungsweisende Idee als auch denen, die diese am Leben erhalten. »Ich finde es beeindruckend, wie aktiv dieser rege Austausch ist.«

Eine musikalisch-schillernde Note brachte der so vielseitige Künstler Daniel Donskoy in das Geschehen ein. Gemeinsam mit seiner Band schenkte er dem Publikum eine Menge Songs zum Feiern. Unter die Haut ging seine Hommage an die israelischen Gäste. Denn sein Cover von »Ani Ve’ata« war einer der besonders emotionalen Momente im Programm. Arik Einsteins »Ich und du werden die Welt verändern« schlug inhaltlich den stimmigen Bogen zur Botschaft des jungen Brundibár-Projekts. Es liegt also – an uns!

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