Corona

Freiheiten mit Vakzin

Gut geschützt durch die Impfung. Foto: Getty Images

Eine gewisse Impfmüdigkeit hat sich in Deutschland breitgemacht. Waren Termine für Impfungen vor einigen Monaten noch heiß begehrt, klagen nun Ärzte in den Impfzentren darüber, dass viele nicht mehr wahrgenommen werden. Und an manchen Orten häufen sich Berichte über große Chargen Impfstoff, der bald ungenutzt verfallen könnte.

Wie aber sieht es in den jüdischen Gemeinden aus? Haben sich die meisten Mitglieder schon impfen lassen, und sind dadurch wieder Veranstaltungen möglich? »Unsere Ü70, wie ich sie gern scherzhaft nenne, ist weitgehend voll geimpft«, sagt Valeryan Ryvlin, Vorsitzender der Gemeinde in Bad Kreuznach. 

CHOR Viele der in Vor-Corona-Zeiten alltäglichen Angebote können derzeit allerdings noch nicht wieder wie früher stattfinden, erklärt er. »Der Chor kann noch nicht wieder proben, die Sonntagsschule wird erst nach den Sommerferien wieder stattfinden, und der Schachklub trifft sich im Moment ausschließlich im Freien.«

Und in der gemeindeeigenen Bibliothek darf immer nur eine Person nach neuem Lesestoff suchen. »Die Bücherei ist für unsere Leute ein ganz wichtiger Ort. Besonders für die Älteren sind Bücher etwas, das man in die Hand nehmen kann«, sagt Valeryan Ryvlin. E-Books sind für sie keine Alternative, »die meisten sind mit dem Internet sozusagen nicht per Du, ein Buch muss gedruckt sein und nicht bloß eine Datei«.

»Wir schaffen das. Wir gehen gemeinsam da durch.« 

Valeryan Ryvlin

War es für die nicht internetaffinen Gemeindemitglieder nicht sehr schwierig, Impftermine zu bekommen? Nein, sagt Ryvlin, »unsere Sozialarbeiterin hat ihnen geholfen. Viele haben zwar keine eigene E-Mail-Adresse, aber sie hat dann die Terminbuchungen übernommen«. Das Landesimpfzentrum in Bad Sobernheim sei zwar 25 Kilometer entfernt, aber wer dort einen Termin bekommen habe, sei eben kostenlos hin- und wieder zurückgebracht worden.

Trotzdem merke man allen an, wie froh sie seien, »wieder ohne Angst in die Gemeinde kommen zu können, das ist für sie sehr wichtig«.

Die Hygienevorschriften gelten allerdings weiter, betont Ryvlin. »Wir halten weiter Abstand und tragen Masken. Außerdem habe ich von Anfang an streng darauf geachtet, dass es kein Händeschütteln zur Begrüßung gibt.« Insgesamt ist er sicher: »Wir schaffen das, wir gehen gemeinsam da durch, wie durch alle anderen Schwierigkeiten zuvor auch.«

»Wir haben keine konkreten Statistiken, aber die meisten erwachsenen Gemeindemitglieder sind schon geimpft«, sagt Alexander Mazo von der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. »Bei uns läuft es ohne Beanstandungen, ich habe noch nicht gehört, dass jemand es abgelehnt hätte, sich impfen zu lassen.«

Es gebe in Augsburg viele Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, erklärt er. »Wir haben gleich mehrere Impfzentren, man kann sich auch bei den Hausärzten anmelden, und in Betrieben wird ebenfalls geimpft. Außerdem scheint es keine Nachschubprobleme zu geben.« 

GESUNDHEITSAMT Gottesdienste seien unter den mittlerweile bekannten Einschränkungen wieder möglich. »Wir halten Abstand, tragen Maske und sind allgemein sehr vorsichtig. Der ganze Hygienekomplex wurde mit dem Gesundheitsamt abgestimmt.«Veranstaltungen könnten schon bald wieder eingeschränkt möglich sein. »Aber wenn heute oder morgen die Information kommt, dass sich die Lage verschärft, dann ändern wir unsere Pläne sofort wieder«, betont Mazo.

Gleichwohl hofft der Vorsitzende, dass »alles in absehbarer Zeit wieder so sein wird wie vor Corona«. Es stehen nämlich große Ereignisse an: Unter anderem wird die Synagoge saniert, die Vorplanung und die Voruntersuchungen haben bereits stattgefunden.

Auch bei den Jüngeren ist die Impfbereitschaft sehr groß.

Unter den älteren Gemeindemitgliedern seien es inzwischen fast 95 Prozent, die geimpft sind, schätzt Elvira Noa, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde im Lande Bremen. »Alle, die konnten, haben sich impfen lassen«, sagt sie. »Als es mit dem Impfen losging, haben wir bei allen möglichen Gelegenheiten darüber gesprochen und natürlich auch empfohlen, sich impfen zu lassen.

Die Gemeinde hat geholfen, Termine in den Zentren oder bei Ärzten zu machen, und wenn jemand nicht allein zur Impfung konnte, haben wir natürlich auch angeboten, zu fahren.« Sie habe sich sehr gefreut, »dass die Gemeindemitglieder so viel Vertrauen hatten und die Angebote wahrnahmen«, sagt Elvira Noa.

Auch bei den Jüngeren sei die Impfbereitschaft sehr groß. »Die Mitarbeiterinnen im Kindergarten der Gemeinde sind beispielsweise auch alle geimpft, das lief über die Behörden.«

Nun gelte: »Wir fangen wieder an. Bisher hatten wir alles immer nur in kleinen Gruppen gemacht, zum Beispiel an Sukkot. Da gab es mehrere Feiern hintereinander, gut durchorganisiert. Aber Ende des Monats werden wir ein größeres Grillfest haben, natürlich im Freien. Und vorher sprechen wir selbstverständlich die Regeln ab, wie immer.«

GOTTESDIENSTE Alexander Drehmann ist Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg-Mülheim/Ruhr-Oberhausen. »Jeder, der eine Impfung bekommen möchte, kann sich impfen lassen«, sagt er. Die Gottesdienste könnten nun wieder wie vor Corona stattfinden, »wer nicht geimpft ist, darf aber nur mit einem negativen Test teilnehmen«.

Insgesamt lasse die Impfbereitschaft in der Region allerdings nach. In Duisburg gibt es deswegen, wie in vielen anderen Städten auch, mittlerweile Extra-Impfaktionen, bei denen Menschen sich spontan zum Beispiel auf Supermarktparkplätzen impfen lassen können.

»Durchgehend alle Gemeindemitglieder sind froh über die Impfungen.«  

Walter Blender

»Durchgehend alle Gemeindemitglieder sind froh über die Impfungen«, sagt Walter Blender, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein. »Alle wissen ja schließlich, dass es vielleicht einmal einen Gottesdienst nur für Geimpfte geben wird und man dann wieder zusammen sein kann.«

Denn auch »die Geselligkeit und das Danach« würden sehr vermisst. In der Gemeinde sei natürlich viel diskutiert worden, »es gibt ja die Pflicht zum Gesundhalten«, und entsprechend wurden Impftermine »dort gebucht, wo man die Chance hatte, einen Termin zu bekommen, das war eine Selbstverständlichkeit«.

Und wer das allein nicht schaffte, weil es online für Menschen, die mit dem Internet nicht so vertraut sind, zu schwierig war, der erhielt Hilfe von der Gemeinde.

Corona, so lautet der Grundtenor aller Befragten, sei sicher die schlimmste Krise der Nachkriegszeit gewesen, aber wer sich impfen lasse, trage dazu bei, dass ein Leben wie vor der Pandemie wieder möglich werde.

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