Gedenken

Fenster in die Vergangenheit

An dem Gedenkakt nahmen drei Generationen von Nachfahren der Familie teil. Foto: Tom Hauzenberger

In München ist schon lange bekannt, dass das erste jüdische Todesopfer der sogenannten Kristallnacht der Kaufmann Joachim Both war, der in seiner Wohnung in der Lindwurmstraße 185 von einem SA-Mann namens Hans Schenk erschossen wurde. Nun ist an seinem ehemaligen Geschäfts- und Wohnhaus, das Both 1920 erworben hatte, ein Erinnerungszeichen für ihn und seine Frau Maria, deren jüdische Vornamen Chaim und Marjem lauteten, enthüllt worden.

An dem Gedenkakt, der im Kulturzentrum LUISE in der Ruppertstraße 5 mit einer höchst informativen Performance der Historiker Andreas Heusler, Barbara Hutzelmann, Maximilian Strnad und Eva Tyrell begann, die über jüdisches Leben in Sendling, Aufstieg und Enteignung jüdischer Firmen und die Geschichte der Familie Both geforscht hatten, nahmen Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Stadträtin Anne Hübner und drei Generationen von Nachfahren der Familie teil.

Tochter Fanny war bereits im August 1938 mit ihrem Mann Fritz Kammer in die USA emigriert.

Tochter Fanny war bereits im August 1938 mit ihrem Mann Fritz Kammer in die USA emigriert. Sie war also außer Landes, als ihr Vater kaltblütig ermordet wurde, und wusste bis zu ihrem Tod 1973 nicht, dass ihre Mutter Marjem im November 1941 nach Kaunas in Litauen deportiert wurde.

Der Sohn Max wurde in der Nacht vom 9. November 1938 verhaftet, erlebte mit, wie die Reste des zerstörten Herren­bekleidungsgeschäfts an einen Konkurrenten des Vaters gingen und wie Haus und Wohnung zwangsgeräumt wurden. 1939 gelang Max die Flucht nach England. Das Verfahren gegen den Mörder Schenk wurde eingestellt, weil ihm keine »unedlen Motive« nachzuweisen waren. Das Landesentschädigungsamt, das Max Both und seine Schwester Fanny Kammer anriefen, bewilligte eine lächerlich geringe Entschädigungssumme. Die Ablehnung des letzten Widerspruchs im März 1974 erlebte auch Max Both nicht mehr.

Der Besuch des Enkels Ronald Kammer aus den USA und des Urenkels James Both aus England wurde zur Zusammenkunft weit verzweigt lebender Nachfahren. Sie besuchten das Grab von Joachim Both am Neuen Israelitischen Friedhof und nahmen auch an der Erinnerung für Malwine Porsche, geborene Kammer, einer Tante von Fritz Kammer, in der Akademiestraße 19 teil.

Jedes Erinnerungszeichen öffne ein Fenster in die Vergangenheit, sagte Charlotte Knobloch an diesem Morgen. Es gehe darum, die Ermordeten nicht zu vergessen: »Vor allem aber müssen wir bestehen, wo die Gesellschaft meiner Kindheit versagt hat.« Sie meinte damit »Wegschauen und Teilnahmslosigkeit, das Gefühl, nicht gemeint zu sein«.

Teilnehmer des Mitzvah Day 2016 in Berlin

Tikkun Olam

»Ein Licht für die Welt«

Der Mitzvah Day 2025 brachte bundesweit Gemeinden, Gruppen und Freiwillige zu mehr als 150 Projekten zusammen

 23.11.2025

München

Nicht zu überhören

Klare Botschaften und eindrucksvolle Musik: Die 39. Jüdischen Kulturtage sind eröffnet

von Esther Martel  23.11.2025

Berlin

Gegen den Strom

Wie der Ruderklub »Welle-Poseidon« in der NS-Zeit Widerstand leistete und bis heute Verbindung zu Nachfahren seiner jüdischen Mitglieder pflegt

von Alicia Rust  23.11.2025

Porträt

Glücklich über die Befreiung

Yael Front ist Dirigentin, Sängerin, Komponistin und engagierte sich für die Geiseln

von Alicia Rust  22.11.2025

Berufung

Schau mal, wer da hämmert

Sie reparieren, organisieren, helfen – und hören zu: Hausmeister von Gemeinden erzählen, warum ihre Arbeit als »gute Seelen« weit mehr ist als ein Job

von Christine Schmitt  21.11.2025

Mitzvah Day

Im Handumdrehen

Schon vor dem eigentlichen Tag der guten Taten halfen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Zentralrats bei der Berliner Tafel, Lebensmittel zu prüfen

von Sören Kittel  20.11.2025

Interview

»Selbst vielen Juden ist unsere Kultur unbekannt«

Ihre Familien kommen aus Marokko, Libyen, Irak und Aserbaidschan. Was beschäftigt Misrachim in Deutschland? Ein Gespräch über vergessene Vertreibungsgeschichten, sefardische Synagogen und orientalische Gewürze

von Joshua Schultheis, Mascha Malburg  20.11.2025

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025