Berlin

Es braucht nur Mut

Oft sind es die ganz einfachen Fragen, die zum Nachdenken anregen oder deren Antworten den Grund offenbaren, weshalb sich Menschen gesellschaftlich engagieren. Und so ist es bei den ELNET Awards mittlerweile gute Tradition, den Preisträgerinnen und Preisträgern solche vermeintlich einfachen Fragen zu stellen. »Wie sind Sie dazu gekommen, dass Sie sich so stark einsetzen und damit ein leuchtendes Vorbild für viele andere sind?«, wollte beispielsweise Nancy Faeser, Bundesministerin a. D., vom Fußballverein BSG Chemie Leipzig wissen.

»Fußball ist das Brennglas der Gesellschaft«, betonte Isabell Bloch von den Fans des Leipziger Vereins. »Wir erleben viele Diskriminierungsvorwürfe, und wir als Verein, der keine jüdischen Wurzeln hat, werden antisemitisch angefeindet.« Daher wollen die Fans im Stadion und auf den Tribünen das Versprechen »Nie wieder!« geben. Wie das aussieht, zeigen regelmäßig riesige Banner, auf denen Sätze wie »Gegen jeden Antisemitismus – in den Köpfen, in den Stadien, in den Parlamenten« steht.

Für dieses Engagement wurde der sächsische Verein am Dienstagabend nun mit dem ELNET Award in der Kategorie »Sport« ausgezeichnet. Die Preise des European Leadership Network werden bereits zum fünften Mal vergeben. Sie zeichnen Persönlichkeiten, Institutionen oder Projekte aus, die sich in ihrer Arbeit für die Stärkung der europäisch-israelischen Beziehungen und für das jüdische Leben in Europa einsetzen.

In diesem Jahr standen die ELNET Awards unter der Schirmherrschaft von Joachim Gauck, Bundespräsident a.D., der in seiner Rede die Wichtigkeit des Miteinander-Redens und auch des Zuhörens betonte. »Schweigen ist es nicht, was uns weiterhilft«, sagte Gauck.

Um Sprechen und Zuhören geht es auch beim Projekt »Kolot«, das 2024 von der Psychologin und Verhaltenswissenschaftlerin Marina Chernivsky gegründet wurde. Die Initiative, die an die Tradition der Oral History anknüpft, lässt Jüdinnen und Juden nach dem 7. Oktober 2023 zu Wort kommen.

Daniel Kühnel, Musikprofessor und Intendant der Symphoniker Hamburg, machte in seiner Laudatio deutlich, wie sehr sich die Kunst- und Kulturszene nach dem Überfall der Terrororganisation Hamas verändert hat, wie jüdische und israelische Künstlerinnen und Künstler gecancelt werden, weil sie Juden sind oder sich für Israel einsetzen.

»Schweigen ist es nicht, was uns weiterhilft.«

Joachim Gauck,
Bundespräsident a. D.

Auch bei Kolot kommen Künstlerinnen und Künstler zu Wort, die berichten, wie sich der 7. Oktober aus jüdischer Perspektive angefühlt hat. Sie machen Erfahrungen sichtbar, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft an den Rand gedrängt werden, und bewahren die Erzählungen jüdischer Protagonistinnen und Protagonisten. Dafür erhielt Chernivsky, die auch Vorständin der OFEK e.V. Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung ist, den ELNET Award in der Kategorie »Kultur«.

Wie schrecklich es sein muss, sein eigenes Gesicht öffentlich in Zusammenhang mit übelsten Beschimpfungen und Bedrohungen zu sehen, musste Nicholas Potter erfahren. Der »taz«-Journalist, der sich in seiner Arbeit mit politisch linkem Antisemitismus und Judenfeindlichkeit in der Kulturszene befasst – »nicht mit Schaum vor dem Mund, sondern sehr sachlich und analytisch«, wie die Laudatorin, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, es beschrieb –, sah sich in diesem Jahr wiederholt einer Hetz- und Rufmordkampagne ausgesetzt. Einschüchtern lässt sich der 35-Jährige dadurch nicht. Für die Qualität seiner Recherche und für seinen Mut erhielt der Journalist den ELNET Award in der Kategorie »Medien«.

Dass das Engagement gegen Antisemitismus nach dem 7. Oktober 2023 auch still und trotzdem wahrnehmbar daherkommen kann, dafür steht Karoline Preisler, die für ihren Einsatz mit kleinen Plakaten, Blumen und bloßer Anwesenheit bei »propalästinensischen« Demonstrationen den diesjährigen Ehrenpreis bekam. Die Berliner Juristin erhielt die Auszeichnung aus den Händen der Laudatorin und Juryvorsitzenden Michaela Engelmeier. »Du bist für mich eine Heldin, ein Leuchtturm der Menschlichkeit«, betonte Engelmeier.

Der Kampf gegen Antisemitismus und der Schutz jüdischen Lebens in Europa sei jedoch dringlicher denn je, betonte Carsten Ovens, Vorsitzender von ELNET. Die Awards würden herausragendes Engagement gegen diese beunruhigende Entwicklung würdigen, »der gesellschaftliche Wandel muss aber von uns allen getragen werden – aus der Mitte der Gesellschaft heraus«.

Und das Engagement für diesen Wandel sei manchmal – wie die Fragen – ganz einfach. Es braucht dazu eigentlich nur Mut.

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