Rezension

Eine spannende und eine traurige Zeitreise

Ich finde es echt gut, dass es jetzt ein Buch gibt, in dem es um Purim geht und das hier und heute spielt. Das Tollste dabei ist natürlich, dass ich in diesem Buch vorkomme. Ich bin sogar eine der Hauptpersonen, und eigentlich bin ich eine Heldin. Ich heiße Bella, bin zehn Jahre alt und ein echtes Berliner Mädchen, und ich glaube, dass Frau Neubert wegen meiner wirklich sehr langen Haare auf mich aufmerksam geworden ist.

Frau Neubert ist die Dame, die das Buch geschrieben hat. Frau Neubert stand Freitagmittag beim Bäcker in der Danziger Straße, und ich stand da auch. Sie hat mich angesehen und dann gerade heraus gefragt: »Hättest du vielleicht Lust, in meinem Buch die Hauptrolle zu spielen?« Wow, habe ich gedacht und so cool wie möglich gefragt: »Worum soll es denn in diesem Buch gehen?« »Du machst eine Zeitreise, weil du unbedingt einem Mädchen helfen möchtest, das vor über 70 Jahren gelebt hat.«

»Und wobei soll ich dem Mädchen helfen?«, fragte ich. »Du schaffst es, dass die wertvolle Esther-Krone des Mädchens ihre magische Kraft zurückbekommt ...« – oh Mann, aus mir soll also so etwas wie ein weiblicher Harry Potter werden – »... und die Familie vor Bösem schützt«.

Lemberg Zeitreisebücher habe ich zwar schon ziemlich viele gelesen, aber natürlich noch keines, in dem ich selbst vorkomme ... »Wie heißt eigentlich dieses Mädchen, dem ich helfe?«, wollte ich wissen. »Klara«, antwortete die Schriftstellerin. »Klara? Wie meine Oma aus Lemberg?« »Klara. Wie deine Oma aus Lemberg, genauer gesagt, aus Drohobycz«, sagte die Schriftstellerin, und mir wurde ganz schwindlig.

Als ich an der Bäckertheke an der Reihe war, wusste ich nicht mehr, was ich kaufen sollte. »Wie immer, Bella?«, fragte Frau Kahn. Ich nickte nur und sah mich nach Frau Neubert um. Die war aber wie vom Erdboden verschwunden.

Irgendwann lag dann in unserem Briefkasten das Buch Bella und das Mädchen aus dem Schtetl. Ich bin vorne drauf und richtig hübsch getroffen. Überhaupt gefallen mir die Bilder sehr gut. Das Buch finde ich auch sehr spannend, und ich mag es, welche Geborgenheit von den Familien in der Geschichte ausgeht. Aber zwei Sachen gefallen mir auch nicht so gut: Klara belehrt mich ständig (als ob ich nicht selbst alles zu Purim wüsste ...).

vergangenheit Was mir außerdem nicht gefällt, ist, dass sich die Bella im Buch einmal sehr wünscht, die Vergangenheit zu ändern, sodass keiner der Juden in Lemberg in der Schoa getötet würde. Aber natürlich geht das nicht, und ich will nicht wissen, wie traurig sich dann ein Kind fühlen muss.

Außerdem möchte ich, sollte ich jemals wieder mit Frau Neubert beim Bäcker stehen, fragen, was sie damit gemeint hat, wenn sie mich sagen lässt: »Vielleicht war alles so geschehen, wie es geschehen musste?« Ich habe das Gefühl, dass das ein sehr, sehr schwerer Satz ist. Oder versteht ihr den? Um diese Frage zu beantworten, müsst ihr natürlich erst einmal das Buch lesen ... Bella (bei der Purim-Party erkennt ihr mich an der Esther-Krone mit den funkelnden Steinen).

Als Bella hat sich unsere Autorin Katrin Diehl verkleidet.

Marina B. Neubert: »Bella und das Mädchen aus dem Schtetl«. Illustrationen von Lina Boden. Ariella, Berlin 2015, 110 S., 12,99 €

Essay

Vorsichtig nach vorn blicken?

Zwei Jahre lang fühlte sich unsere Autorin, als lebte sie in einem Vakuum. Nun fragt sie sich, wie eine Annäherung an Menschen gelingen kann, die ihr fremd geworden sind

von Shelly Meyer  26.10.2025

Stuttgart

Whisky, Workshop, Wirklichkeit

In wenigen Tagen beginnen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt die Jüdischen Kulturwochen. Das Programm soll vor allem junge Menschen ansprechen

von Anja Bochtler  26.10.2025

Porträt

Doppeltes Zuhause

Sören Simonsohn hat Alija gemacht – ist aber nach wie vor Basketballtrainer in Berlin

von Matthias Messmer  26.10.2025

Trilogie

Aufgewachsen zwischen den Stühlen

Christian Berkel stellte seinen Roman »Sputnik« im Jüdischen Gemeindezentrum vor

von Nora Niemann  26.10.2025

Dank

»Endlich, endlich, endlich!«

Die IKG und zahlreiche Gäste feierten die Freilassung der Geiseln und gedachten zugleich der Ermordeten

von Esther Martel  24.10.2025

Kladow

Botschaft der Menschlichkeit

Auf Wunsch von Schülern und des Direktoriums soll das Hans-Carossa-Gymnasium in Margot-Friedländer-Schule umbenannt werden

von Alicia Rust  24.10.2025

Osnabrück

Rabbiner Teichtal: »Unsere Aufgabe ist es, nicht aufzugeben«

»Wer heute gegen Juden ist, ist morgen gegen Frauen und übermorgen gegen alle, die Freiheit und Demokratie schätzen«, sagt der Oberrabbiner

 24.10.2025

Universität

»Jüdische Studis stärken«

Berlin bekommt als eines der letzten Bundesländer einen Regionalverband für jüdische Studierende. Mitgründer Tim Kurockin erklärt, wie sich der »JSB« künftig gegen Antisemitismus an den Hochschulen der Hauptstadt wehren will

von Mascha Malburg  23.10.2025

Sport

»Wir wollen die Gesellschaft bewegen«

Gregor Peskin ist neuer Vorsitzender der Makkabi-Deutschland-Jugend. Ein Gespräch über Respekt, neue Räume für Resilienz und interreligiöse Zusammenarbeit

von Helmut Kuhn  23.10.2025