Hochschule

Ein weltweites Netzwerk

Berlins Touro-Rektorin Jane Williams-Boock Foto: Gregor Matthias Zielke

Hochschule

Ein weltweites Netzwerk

Auf dem Berliner Campus wird das 50-jährige Jubiläum der jüdisch-amerikanischen Touro University gefeiert

von Gernot Wolfram  17.11.2022 09:33 Uhr

Als Rabbi Bernard Lander 1971 das Touro College in New York gründete, war nicht abzusehen, dass in den nächsten 50 Jahren aus dieser Initiative ein außergewöhnliches weltweites jüdisches Hochschulnetzwerk entstehen würde. Einst mit 35 Studierenden gestartet, konnte das College schon wenige Jahre später über 1000 Studierende verzeichnen. Lander wählte den Namen für sein College in Erinnerung an die Familie Touro. Der aus Holland stammende Rabbiner Isaac Touro gründete die älteste Synagoge auf dem amerikanischen Kontinent.

Seit 2003 gibt es auch einen Ableger des mittlerweile zur Universität gewordenen College in Berlin. Untergebracht in einer Villa über dem Stößensee im Berliner Grunewald, die in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts für den jüdischen Kaufmann Paul Lindemann von dem Bauhaus-Architekten Bruno Paul erbaut wurde, entwickelte sich das private College ebenso schnell und erfolgreich wie das amerikanische Pendant.

phänomen Vor allem ein Phänomen sticht heraus. Neben Studienfächern wie Psychologie, Cybersecurity und Business Administration kann man in Berlin einen Studiengang wählen, der einmalig in Deutschland ist: Master of Arts in Holocaust Communication und Tolerance.

Die Auseinandersetzung mit der Frage, wie ein Menschheitsverbrechen wie der Holocaust so erforscht und erzählt werden kann, dass die Forschungsergebnisse zu einem neuen Verständnis von Toleranz und Respekt führen, zieht internationale Studierende an. So trifft man auf dem Campus junge Menschen aus Indien ebenso wie aus muslimischen Ländern. Die Touro University versteht sich als weltoffen und sucht den interreligiösen Dialog.

Zum 50-jährigen Bestehen der New Yorker Touro University wurde nun am Berliner Campus zu einem Festakt und einer Konferenz eingeladen, die sich mit der Geschichte der polnischen Juden und dem Holocaust beschäftigte. Die Rektorin Jane Williams-Boock zeigte sich sichtlich erfreut, dass in diesem Haus, in das nach der Vertreibung der Familie Lindemann 1935 der damalige Reichskirchenminister Hanns Kerrl einzog, wieder ein lebendiger pluralistischer Geist weht.

Sorge Während des Festaktes betonte Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, dass es in Bezug auf Antisemitismus häufig nicht viel wissenschaftliche Expertise benötige, um ihn zu erkennen. Was er jedoch mit Sorge beobachte, sei, dass in der deutschen Gesellschaft zunehmend »crossing lines« überschritten würden, etwa wenn die »Nakba« im Zusammenhang mit dem Holocaust diskutiert werde.

Er negierte dabei nicht, dass es kritische Diskurse geben müsse. Die Frage sei nur, wie die Auswahl der Sprecher ist. Wie vielfältig sind die Positionen, wie viele Seiten werden gehört? Auch für die Studierenden hatte er einen Rat: »Es ist gut, wenn man Ihnen sagt: ›Think out of the box.‹ Das setzt aber voraus, dass man erst einmal in die Box schaut und sieht, was drin ist. Das ist der Beginn von Professionalität.«

Dass es der Berliner Touro University ernst ist mit einer ausgewogenen Auswahl von Gästen, zeigte sich auch an den Vortragenden. Viele Forscherinnen aus Polen sprachen auf den Podien. Zeitgenössische Perspektiven aus dem Museumskontext wurden mit historischen Blickwinkeln kontrastiert.

kompetenz Dass digitale Kompetenz tief in der DNA der Hochschule verankert ist, betonte der New Yorker Professor für Jüdische Studien, Simcha Fishbane, der darauf hinwies, dass sich die Universität lange vor den Lockdowns auf Online-Unterricht eingestellt habe. Der Präsident der Universität, der Mediziner Alan Kadish, betonte die fundierte Medizinausbildung der Touro University in den USA.

Mag man die Verbindung von Holocaust-Studien mit medizinischen Fächern auch nicht symbolisch überstrapazieren, so zeigt sich doch etwas Heilsames in einem Universitätskonzept, das die Verschiedenartigkeit der Erkenntniszugänge zentral stellt.

Sachsen-Anhalt

Judenfeindliche Skulptur in Calbe künstlerisch eingefriedet

Die Kunstinstallation überdeckt die Schmähfigur nicht komplett. Damit soll die Einfriedung auch symbolisch dafür stehen, die Geschichte und den immer wieder aufbrechenden Antisemitismus nicht zu leugnen

 19.11.2025

Berlin

450 Einsatzkräfte schützen jüdische Einrichtungen

Zudem seien im laufenden Jahr zwei Millionen Euro in bauliche Sicherheitsleistungen für jüdische Einrichtungen investiert worden sowie 1,5 Millionen Euro in mobile Sicherheitsleistungen für jüdische Gemeindeeinrichtungen

 19.11.2025

Ehrung

»Gräben aufgerissen«

Der Preis Augsburger Friedensfest ehrt Personen, die sich um ein friedvolles Miteinander der Religionen bemühen. Jetzt ging er an Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Er äußert sich bei der Verleihung kritisch

von Christopher Beschnitt  18.11.2025

Leipzig

Henriette Goldschmidt: Feministin der ersten Stunde

Sie wollte Frauen durch Bildung und Erwerbstätigkeit mehr Unabhängigkeit ermöglichen: Henriette Goldschmidt eröffnete in Leipzig die erste »Hochschule für Frauen«. Vor 200 Jahren wurde sie geboren

von Katharina Rögner  17.11.2025

Judenhass

Charlotte Knobloch warnt: Zukunft jüdischen Lebens ungewiss

Die Hintergründe

 16.11.2025

Porträt der Woche

Bühne und Heimweh

Emiliia Kivelevich inszeniert Theater zwischen Kunst, Glaube und Migration

von Christine Schmitt  16.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Israel

Voigt will den Jugendaustausch mit Israel stärken

Es gebe großes Interesse, junge Menschen zusammenzubringen und Freundschaften zu schließen, sagt der thüringische Regierungschef zum Abschluss einer Israel-Reise

von Willi Wild  13.11.2025

Karneval

»Ov krüzz oder quer«

Wie in der NRW-Landesvertretung in Berlin die närrische Jahreszeit eingeleitet wurde

von Sören Kittel  13.11.2025