Berlin

Ein Tag der Trauer

Die Jüdische Gemeinde zu Berlin hat am Mittwoch der Opfer der Pogromnacht vor 78 Jahren gedacht. An der Gedenkveranstaltung im Gemeindehaus in der Fasanenstraße nahmen Gäste aus Politik und Zivilgesellschaft sowie Vertreter von SPD, CDU, Grünen, der Linken und der FDP sowie der Kirchen und des Diplomatischen Korps teil, darunter Petra Pau (Die Linke), Vizepräsidentin des Bundestages, Ralf Wieland (SPD), Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Bürgermeister und Innensenator Frank Henkel (CDU) sowie Volker Beck, Grünen-Bundestagsabgeordneter und religionspolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Der Zentralrat der Juden in Deutschland wurde durch seinen Geschäftsführer Daniel Botmann vertreten.

Gemeindevorsitzender Gideon Joffe dankte insbesondere den Überlebenden und Zeitzeugen für ihr Kommen. »Wir haben größte Hochachtung vor Ihnen und sind äußerst dankbar für Ihre Bereitschaft, uns von Ihren Erlebnissen aus dieser grauenhaften Zeit zu erzählen«, begrüßte Joffe die Zeitzeugen.

lehren Es gebe »wenige Länder, in denen ein Tag in der Geschichte mit so vielen Widersprüchen und Schicksalen verbunden« sei wie der 9. November, sagte Joffe. Für die jüdische Gemeinschaft sei dieser Tag ein Trauertag und werde es ewig bleiben.

Es sei aber auch insofern ein Freudentag, als mit dem Fall der Mauer und der Öffnung der Grenzen 1989 die jüdischen Gemeinschaft in Deutschland »eine Verjüngungskur« erfahren hätte und viele Gemeinden dank der Kontingentflüchtlinge wieder aufgeblüht oder neu entstanden seien. »Grundsteine werden gelegt, Synagogen gebaut – damit passiert genau das Gegenteil von dem, woran wir heute erinnern: die Zerstörung jüdischer Gotteshäuser und Geschäfte 1938«, unterstrich Joffe.

Dennoch sei »Erinnerung ohne Denken kein Gedenken«, mahnte Joffe. So regte er etwa an, den 9. November an Schulen zum Anlass zu nehmen – etwa im Rahmen eines für alle verbindlichen Projekttages –, sich aktiv mit den Lehren aus der Geschichte und den Folgen von Rassismus und Antisemitismus auseinanderzusetzen.

Der 9. November markiere den »Übergang zu systematischer Verfolgung der deutschen Juden, die nur kurze Zeit später in die Ermordung der Juden Europas mündete«, griff Innensenator Frank Henkel Joffes Anregung auf. So fanden die Novemberpogrome in aller Öffentlichkeit statt. »Was die Nazis verharmlosend ›Reichskristallnacht‹ nannten, war in Wirklichkeit ein Fanal«, betonte Henkel in seiner Ansprache.

Memoiren An dieses Fanal erinnerte auch die Schauspielerin Nina Hoger. Sie las aus den Erinnerungen Eines Morgens waren alle weg von Klaus Appel, der Berlin 1939 mit einem der letzten Kindertransporte Richtung England verlassen konnte. Appel schildert darin unter anderem, wie er als 13-Jähriger die folgenden Tage nach der Pogromnacht erlebte. Sein Bericht ist zugleich eine Hommage an seine 21 Angehörigen, die im Holocaust ermordet wurden, darunter sein Vater, sein Bruder und seine Großmutter. Er endet mit den Worten: »Wir müssen von uns ›alles geben‹, was wir wissen.«

Auch ihre Namen wurden am Mittwochabend vor dem Gemeindehaus verlesen. An einem Pult auf dem Gehsteig standen wie jedes Jahr seit 1996 Berliner Bürger, vor sich das Gedenkbuch des Landes Berlin, und verlasen in alphabetischer Reihenfolge die Namen der 55.696 ermordeten Juden der Stadt, während die Repräsentanten von Gemeinde, Zentralrat, Politik und Diplomatie vor dem Gemeindehaus Kränze niederlegten. Gemeindekantor Simon Zkorenblut sang das El Male Rachamim, und Gemeinderabbiner Jonah Sievers sprach das Kaddisch.

Traditionell nehmen vor allem Schüler des Jüdischen Gymnasiums Moses Mendelssohn an der Namenslesung teil – für sie ist es bereits seit Jahren ein fester Projekttag. Beteiligen kann sich aber auch jeder andere Berliner. In diesem Jahr war auch eine Schulklasse der Charlottenburger Anna-Freud-Schule anwesend.

Berlin

Für mehr Sichtbarkeit

Wenzel Michalski wird Geschäftsführer des Freundeskreises Yad Vashem. Eine Begegnung

von Christine Schmitt  30.04.2025

Hanau

Das zarte Bäumchen, fest verwurzelt

Vor 20 Jahren gründete sich die jüdische Gemeinde – zum Jubiläum wurde eine neue Torarolle eingebracht

von Emil Kermann  30.04.2025

20 Jahre Holocaust-Mahnmal

Tausende Stelen zur Erinnerung - mitten in Berlin

Selfies auf Stelen, Toben in den Gängen, Risse im Beton - aber auch andächtige Stille beim Betreten des Denkmals. Regelmäßig sorgt das Holocaust-Mahnmal für Diskussionen. Das war schon so, bevor es überhaupt stand

von Niklas Hesselmann  30.04.2025

KZ-Befreiungen

Schüler schreibt über einzige Überlebende einer jüdischen Familie

Der 18-jährige Luke Schaaf schreibt ein Buch über das Schicksal einer Jüdin aus seiner Heimatregion unter dem NS-Terrorregime. Der Schüler will zeigen, »was Hass und Hetze anrichten können«

von Stefanie Walter  29.04.2025

Schweiz

Junger Mann wegen geplanten Anschlags auf Synagoge Halle verhaftet

Die Anschlagspläne soll er laut Staatsanwaltschaft zwischen Juli 2024 und Februar 2025 wiederholt in einer Telegram-Chatgruppe angekündigt haben

 29.04.2025

Berlin

Bebelplatz wird wieder zum »Platz der Hamas-Geiseln«

Das Gedenkprojekt »Platz der Hamas-Geiseln« soll laut DIG die Erinnerung an die 40 in Geiselhaft getöteten Israelis und an die 59 noch verschleppten Geiseln wachhalten

 28.04.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an Warschauer Ghetto-Aufstand

Zum Abschluss der Namenslesung vor dem Jüdischen Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße ist für den Abend ein Gedenken mit Totengebet und Kranzniederlegung geplant

 28.04.2025

Düsseldorf

Erinnerungen auf der Theaterbühne

»Blindekuh mit dem Tod« am Schauspielhaus stellt auch das Schicksal des Zeitzeugen Herbert Rubinstein vor

von Annette Kanis  27.04.2025

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025