München

Ein Symbol der Hoffnung

Bereits die ersten Teilnehmer, die sich, in Rot gekleidet und Plakate mit Bildern der durch die Hamas entführten Geiseln in die Höhe haltend, am Sonntagabend auf dem Marienplatz einfanden, wurden mit »Allahu Akbar«-Rufen eines Passanten konfrontiert. Trotz solcher und anderer lautstarker Anfeindungen blieben die Organisatoren aber dabei: Man dürfe sich durch hasserfüllte Parolen nicht provozieren lassen.

Der Protestzug von »Run 4 Their Lives«, der sich am vorvergangenen Wochenende schließlich in Bewegung setzte, war schon aufgrund seines Ziels ein besonderer, denn er endete am Geschwister-Scholl-Platz direkt vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität. Gegenüber, auf dem Professor-Huber-Platz, betreiben seit gut zwei Wochen »propalästinensische« Aktivisten das »Palästinacamp«, eine Art Zeltstadt, in der Symbole autoritärer Regime wie des Iran einträchtig neben israelfeindlichen Losungen zu sehen sind.

»Wir stehen mit unseren Freunden und Unterstützern einheitlich für das Leben.«

Grischa Judanin

Die an amerikanische Vorbilder angelehnte Aktion war gegen den Willen der Universität und nur per Gerichtsbeschluss genehmigt worden. Auf ihrer Website weisen die Organisatoren, eine vom Verfassungsschutz beobachtete linksextreme Vereinigung, zwar alle Vorwürfe des Antisemitismus zurück. Allgegenwärtige Aufforderungen zum »Widerstand« gegen »Apartheid« und »Genozid« werden aber geduldet – ebenso wie die »Intifada!«-Rufe, die an diesem Sonntag mehrfach zur pro-israelischen Kundgebung auf der anderen Straßenseite herüberschallten.

Videowand auf dem Geschwister-Scholl-Platz

Um den anti-israelischen Verzerrungen ein klares Zeichen entgegenzusetzen, hatten Grischa Judanin, Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde, und Gerald Hetzel von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Passau eine Initiative auf den Weg gebracht, um auf dem Geschwister-Scholl-Platz eine Videowand aufzustellen, die durchgehend Aufnahmen der Gewaltverbrechen der Hamas vom 7. Oktober zeigt und so an den Kontext des aktuellen militärischen Konflikts erinnert. Eine überwältigende Spendenbereitschaft und der unermüdliche Einsatz vieler Freiwilliger, die die Videoinstallation Tag und Nacht bewachten und Fragen beantworteten, ließen die Idee schließlich Wirklichkeit werden.

Auch die Präsidentin der Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, war sofort überzeugt von der Aktion: »In dieser Zeit voller Schmerz, in der überall vergessen, gelogen und ausgeblendet wird, muss die Wahrheit für alle sichtbar bleiben.« Nichts anderes wollten die Initiatoren dieser Videowand erreichen, so Knobloch, »und genau das wollen wir auch«.

An diesem Sonntag zeigte die Videowand aber etwas ganz anderes: Zu Lag BaOmer war ein großes Lagerfeuer zu sehen, als leuchtendes Symbol der Hoffnung in Zeiten der Trauer. Die siebenwöchige Trauerzeit zwischen Pessach und Schawuot ist traditionell an diesem Tag unterbrochen. »Run 4 Their Lives«-Aktivist Guy Katz betonte in seiner Ansprache, dass Trauer in einer Zeit, da jüdische Frauen und Männer in den Tunneln Gazas sterben, geboten sei. Zugleich blieben auch in der Trauer Miteinander und Hoffnung unerlässlich. Diese Zusammenkunft sei deshalb auch nicht ihrem Wesen nach politisch, sondern ziele darauf, die Schicksale der Geiseln im öffentlichen Bewusstsein zu halten.

Auch Grischa Judanin ergriff das Wort: »Wir stehen mit unseren Freunden und Unterstützern einheitlich für das Leben. Wir müssen nicht laut sein, um für Licht und Leben einzustehen.« Judanin bedankte sich explizit bei Initiator Hetzel sowie bei Stadt und Polizei, die an diesem Abend besondere Präsenz zeigte. Nicht zuletzt deshalb kam es trotz der lauten Zwischenrufe von der anderen Straßenseite zu keinen Vorfällen, auch die Zuhörer ließen sich nicht irritieren. Sie lauschten den Rednern, ließen sich später auf Picknick-Decken auf der Wiese nieder und tauschten sich bei israelischer Musik aus. Die Atmosphäre war locker, wenn auch von Trauer geprägt.

Eine israelische LMU-Studentin bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Solidarität und Präsenz.

Eine israelische LMU-Studentin bedankte sich bei den Anwesenden für ihre Solidarität und Präsenz. Sie habe in den letzten Wochen zahlreiche Sticker mit antisemitischen Tropen aus Hörsälen entfernen und sich Anfeindungen und Vorwürfen stellen müssen, Israel betreibe kolonialistische Politik: »Es ist im Moment wirklich beängstigend, in die Uni zu gehen.« Umso wichtiger seien solche Zeichen der Verbundenheit. Eine Kommilitonin stimmte spontan ein: »Zu sehen, wie viele Menschen regelmäßig und unermüdlich ihre Verbundenheit mit uns zeigen, hilft sehr.«

Gespräche über die Geiseln und Gefahren für die Demokratie

Neben Musik waren auf dem Platz auch Gespräche über die Geiseln, Gefahren für die Demokratie, über die Angst, auf offener Straße einen Davidstern zu tragen, und die Bedeutung des Zusammenhalts zu hören. Eine Teilnehmerin, die bereits vor Aufstellung der Videowand regelmäßig zur vom Bündnis »München ist bunt!« ausgerichteten täglichen Mahnwache gekommen war, erklärte, natürlich würde sie ihre Abende lieber unbeschwert genießen – »aber das lassen die Zeiten und Entwicklungen nicht zu«. Die Demokraten müssten jetzt zusammenstehen: »Es geht gerade um nicht weniger als alles.«

Auf der Leinwand sind noch bis Ende Mai Aufnahmen der von der Hamas entführten Geiseln und Zusammenschnitte des 7. Oktober 2023 zu sehen. Die Lagerfeuer zu Lag BaOmer sind mittlerweile erloschen, aber die Hoffnung auf die Rückkehr der Geiseln bleibt ungebrochen.

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