Frankfurt

Ein Haus für alle

Gut gelaunt beim Richtfest der Jüdischen Akademie: die Direktoren Doron Kiesel und Sabena Donath Foto: picture alliance / epd-bild

Als das Schaumweinglas mit einem lauten Knall auf dem Betonboden zerspringt, erklingt auf der zugigen Baustelle ein begeistertes »Mazel Tov!«. Soeben hat der in eine traditionelle Zimmermannskluft gekleidete Oberpolier Markus Lunkenheimer den »Richtspruch« sowie einen Segen gesprochen und mehrere Schluck Wein auf den fertiggestellten Rohbau der Jüdischen Akademie getrunken. Dann beginnt der Richtkranz, den mehrstöckigen Neubau emporzusteigen.

An der Frankfurter Senckenberganlage herrscht an diesem grauen Herbsttag eine feierliche Stimmung. Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland, des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt, der fußläufig gelegenen Jüdischen Gemeinde, des Architekturbüros Turkali und weiterer Ins­titutionen haben sich versammelt, um gemeinsam einen Meilenstein zu begehen: das Richtfest der Jüdischen Akademie des Zentralrats. Unter den Gästen sind auch zahlreiche am Baugeschehen beteiligte Handwerker und Bauarbeiter. Traditionsgemäß stehen sie im Fokus der direkt auf der Baustelle ausgerichteten Veranstaltung.

Zentralratspräsident Josef Schuster begrüßt die Gäste und spricht von einem »sehr erfreulichen Anlass«. Er würdigt seinen Amtsvorgänger Dieter Graumann als Ideengeber der Jüdischen Akademie, die derzeit noch als Bildungsabteilung im Zentralrat fungiert, sowie deren Direktoren Sabena Donath und Doron Kiesel. Beide wirken an diesem Tag glücklich und gelöst.

»Ein weiterer jüdischer Leuchtturm« entstehe in Frankfurt, sagt der Zentralratspräsident. Schuster betont zudem die Rolle der Bildung im Kampf gegen Antisemitismus: »Gerade dieses Haus steht für Bildung und Offenheit auch gegenüber der nichtjüdischen Öffentlichkeit.«

In Frankfurt entsteht ein weiterer jüdischer Leuchtturm

Er dankt den am Bau beteiligten Handwerkern und Bauarbeitern. Nicht zuletzt würdigt Schuster den vor einem Jahr plötzlich verstorbenen Harry Schnabel, der als Präsidiumsmitglied des Zentralrats das Bauprojekt maßgeblich begleitet hat: »Sein Wirken für dieses Haus wird unvergessen bleiben.« Josef Schuster wird nicht der Einzige bleiben, der an Schnabel erinnert, dessen Witwe Sophie und Sohn Tobias am Richtfest teilnehmen. Schon als ein Videofilm die vorherigen Meilensteine des Bauprojekts – die Bauschild-Enthüllung und den Spatenstich im Jahr 2021 – zeigt, ist vielen Gästen die Trauer über Schnabels Verlust anzumerken.

Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) dankt dem Zentralratspräsidenten für die Entscheidung, die Jüdische Akademie in Frankfurt am Main zu bauen. Und er betont die »jahrzehntelange intensive und freundschaftliche Zusammenarbeit« mit der Jüdischen Gemeinde, deren Vorstand Harry Schnabel lange angehörte. Frankfurt sei, so Josef, der richtige Ort für die Akademie – als Ergänzung zur Jüdischen Gemeinde und zum Jüdischen Museum. Die Jüdische Akademie baue auf Verständigung auf, betont Mike Josef. Sie sorge dafür, dass Menschen zusammenkommen, »damit wir die richtigen Schlüsse ziehen aus der Geschichte«. Es sei ein »Bildungsauftrag für die Demokratie«

Die Jüdische Akademie sei ein »Ausrufezeichen des jüdischen Lebens in Deutschlands«, so Becker.

Auch Uwe Becker (CDU) würdigt Harry Schnabels tragende Rolle bei der Entstehung des Baus. Hessens Antisemitismusbeauftragter und Finanzstaatssekretär spricht von einem »markanten Ort«, der »mittendrin in der Gesellschaft, in dieser Stadt, in der Mitte Deutschlands« liege. Die Jüdische Akademie sei ein »Ausrufezeichen des jüdischen Lebens in Deutschlands«, so Becker. »Das, was hier entsteht, wird für Generationen mit entscheidend für die Frage sein, wie ein Zusammenhalt unserer Gesellschaft funktioniert.« In seiner früheren Funktion als Frankfurts Stadtkämmerer war Uwe Becker am Zustandekommen des Bauprojekts beteiligt. »Es ist in Worten nicht auszudrücken, was Herr Schnabel für dieses Projekt geleistet hat. Wir vermissen ihn, und er fehlt uns«, sagt der federführende Architekt Zvonko Turkali.

Er dankt allen an dem aufwendigen Bauvorhaben beteiligten Handwerkern und Bauarbeitern, würdigt aber auch den Bauherrn, den Zentralrat der Juden: »Ihr Engagement, Ihr Mut, aber auch Ihre Begeisterung für dieses Projekt sind nicht selbstverständlich.«
Turkali verspricht, alles dafür zu tun, dass die Jüdische Akademie wie geplant Ende des Jahres 2025 eröffnet werden kann. Seminarräume und Büros, ein koscheres Café und ein großer Tagungssaal, Dachterrasse und Lounge mit fulminantem Ausblick auf Frankfurt: Eine 3D-Videoanimation vermittelt den Gästen einen ersten Eindruck von der Vielseitigkeit des aus einem denkmalgeschützten Altbau und einem großzügigen Neubau bestehenden Hauses. Der schönste Raum in dieser Akademie sei für ihn die Lounge, sagt Josef Schuster. Sie werde im Einvernehmen mit der Familie nach Harry Schnabel benannt, kündigt der Zentralratspräsident an.

Und weil es ein jüdisches Haus ist, segnen auch die Frankfurter Gemeinderabbiner Avichai Apel und Julian-Chaim Soussan das Gebäude. »Wir bauen ein jüdisches Haus für uns alle. Alle sind willkommen!«, betont Sabena Donath zum Abschluss der bewegenden Zeremonie

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