Reisen

Die schönste Zeit

Endlich Sommer. Zeit, um mal rauszukommen, zu verreisen und sich zu entspannen. Wie die aktuellen Ferien werden, das weiß man noch nicht. Daher haben wir gefragt: An welchen Urlaub erinnern Sie sich am liebsten?

Judith Neuwald-Tasbach (65), Gelsenkirchen
Diesen Urlaub werde ich nie vergessen: die Kreuzfahrt nach Spitzbergen in Norwegen. Ich hatte gerade meine Chemotherapie abgeschlossen und war – und bin es noch immer – voller Lebensfreude. Mein Arzt gab mir den Rat mit auf den Weg, bei einer Reise sicherheitshalber immer einen Mediziner in der Nähe zu wissen. Wo könnte ich also besser aufgehoben sein als auf einem so großen Schiff, das über ein Hospital verfügt? Glücklicherweise ging es mir gut, und ich konnte die Tage genießen.

Früher sind mein Mann und ich mit dem Motorrad von Ort zu Ort gefahren und haben viel gesehen. Unsere Touren gingen durch Schottland, Frankreich und die Alpen, aber wir mussten auch immer das Gepäck verstauen und rechtzeitig Zimmer buchen. Als ich dann nicht mehr für das Amt der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen antrat, wusste ich, dass ich mit einem Camper reisen möchte. Das Wohnmobil ist für uns eine Art Zuhause geworden, mit einem bequemen Bett, mit dem wir nun die Welt erkunden. Das ganze Equipment ist praktisch verstaut, einschließlich der Liegestühle, die wir für den Strand brauchen.

Ich liebe den Strand, das Meer und schöne Landschaften. Manchmal besichtigen wir auch eine Stadt, schauen uns Sehenswürdigkeiten an und gehen shoppen. Diesen Sommer wollen wir unsere Liegestühle in der Bretagne aufstellen – ich werde dann im Schatten sitzen und mir denken, wie herrlich das alles ist.

Iris Lea Bialowons (22), München
Mein schönster Urlaub war mein erstes Machane in Italien. Das war vor sechs Jahren. Mit einer Freundin, die ich bei der Jewrovision kennengelernt hatte, teilte ich mir ein Zimmer. Wir fühlten uns unfassbar gut aufgehoben. Tagsüber hatten wir ein tolles Programm, genossen den wunderschönen Strand und saßen abends zusammen, um hebräische Lieder oder israelische Volkslieder zu singen. Mir gefiel der intensive jüdische Input. Die Atmosphäre war so herzlich, dass wir uns oft glücklich in den Arm nahmen. Kurz: Ich wusste, ich möchte wieder mitfahren.

Doch dann kam Corona und legte alles lahm. Mittlerweile bin ich als Madricha dabei, was mir auch sehr viel Freude bereitet – leider nur während eines Turnus. Denn ich habe aufgrund meines Studiums nicht mehr so viel Zeit. Ich bin super dankbar, dass die ZWST, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, mir mit den Machanot die Möglichkeit gegeben hat, in diese Welt einzutreten, diese Erfahrungen machen zu können und die jüdische Community kennenzulernen.

Das lustigste Urlaubserlebnis liegt erst ein paar Wochen zurück: Mit Freunden war ich in Portugal. Wir gingen abends aus und hatten spontan die Idee einer Challenge: Wir wollten Leute aus verschiedenen Ländern ansprechen und fotografieren. So sind wir mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen – das war sehr nett.

Torsten Rottberger (51), Emmendingen
Ich denke besonders gern an die Flitterwochen mit meiner Frau. Es war unsere erste gemeinsame Reise, sie führte uns nach Thailand. Das Land ist so wunderschön und entschleunigend. Wir bereisten mehrere kleine Inseln und verbrachten viel Zeit am Strand. Ich dachte immer, wer im Paradies lebt, möchte nicht arbeiten. Zurück in Deutschland, hat uns der Alltag wieder eingeholt. Wir betreiben zusammen ein Kino und verstehen uns immer noch bestens. Aufgewachsen bin ich in einer eher ärmeren Familie. Mein Vater, ein Schoa-Überlebender, war Friedhofswärter am Jüdischen Friedhof in Freiburg, verdiente also nicht sehr viel. Dennoch wollte er, dass wir alle – meine vier Geschwister und ich – Israel kennenlernen. Flüge waren viel zu teuer, so kam es, dass wir mehrmals mit dem Wohnmobil nach Israel fuhren.

Die damalige klassische Transitstrecke führte durch Jugoslawien. Dann ging es über Athen zum Hafen in Piräus, wo wir die Fähre nahmen. Meine Eltern und wir Kinder mussten auf dem Deck schlafen, denn eine Kabine war außerhalb unserer finanziellen Möglichkeiten. Wahrscheinlich waren meine Eltern die Ältesten, die das Angebot nutzten. Anschließend konnten wir Kinder uns aussuchen, ob wir einen Zwischenstopp in Rhodos oder Zypern machten. So kam es, dass wir zwar zu den finanziell schwächsten Schülern zählten, aber die meisten Länder gesehen hatten. In Israel sind wir gefühlt überall gewesen.

Aus Platzgründen konnten allerdings immer nur zwei Kinder mit, mehr passten nicht ins Wohnmobil. Wir Geschwister haben uns gut verstanden. An einen Abend erinnere ich mich besonders: Mein Bruder war 19, ich 17 Jahre alt. Bei einem Zwischenstopp in Sarajevo besuchten wir beide eine Freiluftdisco. Es war ein superschöner Abend. Monate später brach der Jugoslawien-Krieg aus, und die Stadt wurde zerbombt.

Renate Aris (89), Chemnitz
Mein Auto hätte den Weg allein gefunden, so oft bin ich mit ihm nach Österreich zur Kur, zum Bergwandern und zum Skilaufen gefahren. Ich war eine richtige Reisetante und war viel allein unterwegs, was ich sehr genossen habe. Noch heute spüre ich ein Kribbeln, wenn es ums Unterwegssein geht.

In den 60er-Jahren, lange vor der Wiedervereinigung, konnte ich wunderschöne Reisen in die ehemalige Sowjetunion unternehmen. Ich war im russischen Orient, an der Wolga, in St. Petersburg, fuhr mit dem Schiff nach Odessa, auf die Krim und ans Schwarze Meer. Nach 1990 besuchte ich in Chile eine Tante, die im Süden des Landes lebte. Aber natürlich fuhr ich auch in den Norden, das konnte ich mir nicht entgehen lassen. Zweimal war ich in Chile, zweimal in Südafrika. Auch innerhalb Deutschlands war ich unterwegs, habe die Ostsee und die Nordsee genossen.

Nach der Wiedervereinigung fingen meine Israel-Reisen an. Vom Norden bis zum Roten Meer – ich habe alles gesehen. Aber am liebsten erinnere ich mich an eine Reise im Jahr 2008 anlässlich des 60. Jahrestags der Gründung des Staates. Da gehörte ich einer Delegation an. Insgesamt waren 1000 Personen aus 23 Ländern eingeladen. Empfangen wurden wir in der Knesset, was ich nie vergessen werde. Israel wurde immer wieder zu meinem großen Ziel, oft war ich auch in der Partnerstadt von Chemnitz, in Kirjat Bialik.

Aufgrund einer tückischen Krankheit spürte ich vor ein paar Jahren, dass nun mit dem Reisen Schluss ist. Man wird ruhiger mit dem Alter. Mir gefiel nicht mehr die Hektik, die immer an den Flughäfen herrscht, und ich mochte nicht mehr so viele Stunden im Flugzeug sitzen. Australien hätte mich noch gereizt, aber da muss ich mir eben das Wissen anlesen. Meine kleinen Reisen sind nun meine Vorträge in Schulen und in Universitäten, die ich in den umliegenden Städten als Zeitzeugin halte. Da bekomme ich immer großen Zuspruch. Aber die wunderschönen Erinnerungen an meine Urlaube bleiben.

Klea Myftari (17), Dortmund
Jeder Urlaub ist eine Auszeit vom Alltag und somit etwas Besonderes. Das erste Mal auf Machane zu fahren, fühlte sich wie ein Sprung ins kalte Wasser an. So war es auch bei mir. Für die meisten Kinder ist es eine Premiere, ohne Eltern zu verreisen. Auf Machane schafft man Erinnerungen, an die man sein ganzes Leben lang denken wird.

Tatsächlich erinnere ich mich aber auch an einen Familienurlaub sehr gern. Damals war ich 13. Mit einer anderen Familie, deren Tochter zu meiner besten Freundin wurde, fuhren wir nach Frankreich. Wir mieden bei der Rundfahrt Städte, die von Touristen überfüllt waren, sondern fanden ruhige Orte, in denen Einheimische lebten. In diesem Sommer werden meine Eltern und ich Verwandte in Italien besuchen. Ich mag es, am Strand zu liegen, einen Liebesroman zu lesen und im Hintergrund das Rauschen des Meeres zu hören. Städte erkunden oder shoppen gehen – ich bin dabei. Mittlerweile bin ich meist ohne Familie unterwegs und übernehme für mich selbst Verantwortung. Meine Eltern vertrauen mir. Eigentlich wollte ich zu dieser Zeit nach Israel zur Maccabiah fahren, doch sie fällt ja leider aus. Aber beim Machane der ZWST werde ich dabei sein.

Aufgezeichnet und zusammengestellt von Katrin Richter und Christine Schmitt

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