Zentralrat

»Die Richtung stimmt«

Freut sich über den Vertrauensbeweis: Daniel Botmann wurde für fünf weitere Jahre als Geschäftsführer des Zentralrats bestätigt. Foto: Thomas Lohnes/Zentraltrat der Juden

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»Die Richtung stimmt«

Daniel Botmann über Gemeinden, das Management in der Corona-Krise und die politische Arbeit

 02.07.2020 11:31 Uhr

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Herr Botmann, das Direktorium des Zentralrats hat Sie am Sonntag im Amt bestätigt. Was bedeutet das für Sie?
Ich freue mich und sehe das als Vertrauensbeweis der Ländervertretung der jüdischen Gemeinschaft. Seit sechs Jahren bin ich Geschäftsführer des Zentralrats. Ein Jahr vor Ende meiner Amtszeit wurde ich nun für weitere fünf Jahre gewählt. Ich denke, dass wir in den vergangenen Jahren viel bewegt haben und die Richtung stimmt.

2014 haben Sie das Amt übernommen und angekündigt, einen Beitrag zu einem lebendigen, modernen und vielfältigen Judentum in Deutschland zu leisten. Ist das Versprechen eingelöst?
Ich denke schon. Wir haben viele Angebote für die Mitglieder der jüdischen Gemeinden aufgebaut, die wirklich zukunftsweisend sind. Wir haben das Programm Mischpacha begründet, für Familien mit Kindern zwischen null und drei Jahren. Mit der PJ Library haben wir einen Versand von Kinderbüchern für Zwei- bis Achtjährige gestartet. Wir haben mit »Meet a Jew« ein Programm, in dem vor allem Jugendliche darauf vorbereitet werden, in Schulklassen zu gehen und für Dialogsituationen gewappnet zu sein. Und wir haben mit der JSUD eine funktionierende Studierendenvertretung gegründet. Insgesamt sind das alles Initiativen, die uns für die Zukunft gut aufstellen und es ermöglichen, ein lebendiges und starkes Judentum in Deutschland zu manifestieren. Und nicht zuletzt haben wir mit »Schalom Aleikum« ein Dialogprojekt gestartet, mit dem die jüdische Gemeinschaft der muslimischen Community die Hand reicht und versucht, den dauerhaften Austausch von der Funktionärsebene zur Basis zu bringen. Das ist ein wichtiges Signal in der heutigen Zeit.

Wie hat sich der Zentralrat seit 2014 verändert?
Wir haben den Zentralrat erheblich modernisiert, das Erscheinungsbild angepasst, die digitale Darstellung auf den Webseiten und die Präsenz in den sozialen Medien deutlich gestärkt, die Kommunikation zielgruppenspezifisch ausgerichtet. Der Zentralrat ist eine moderne, fortschrittliche Organisation und Interessenvertretung der Juden in Deutschland, die ähnlichen Verbänden in nichts nachsteht.

Sie kamen aus einer Saarbrücker Wirtschaftskanzlei, wo Sie als Anwalt gearbeitet haben, an die Spitze des jüdischen Dachverbandes. Haben Sie dabei auch Lehrgeld bezahlt?
Der Vorteil war, dass ich schon in der Vergangenheit in der jüdischen Gemeinschaft und ihren Organisationen sehr aktiv war. Ich war bereits damals in vielen Gremien ehrenamtlich aktiv, sodass mir diese Arbeit nicht unbekannt war. Aber selbstverständlich lernt man jeden Tag hinzu. Die Arbeit im Zentralrat ist teils sehr schnell und sehr politisch, da muss man manchmal ad hoc auf Entwicklungen reagieren. Insofern nimmt die Erfahrung zu. Und es ist menschlich, später festzustellen, dass man bei der einen oder anderen Entscheidung vielleicht etwas anders hätte reagieren können. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.

Eine Aufgabe, die unerwartet auf den Dachverband zukam, war die Pandemie. Wie gelingt es, den Zentralrat durch die Corona-Krise zu steuern?
Erst einmal ist es erfreulich, dass wir in den jüdischen Gemeinden recht wenig Corona-Fälle hatten. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Gemeinden sehr verantwortungsvoll gehandelt und sehr frühzeitig reagiert haben: die Synagogen geschlossen, auf Gottesdienste und andere Veranstaltungen verzichtet haben, wie auch der Zentralrat schweren Herzens die Jewrovision abgesagt hat. Ich denke, die Zwischenbilanz des Corona-Managements ist positiv. Als jüdische Gemeinschaft haben wir Hand in Hand gearbeitet, sowohl die Gemeinden, die Landesverbände als auch die Zentralwohlfahrtsstelle und der Zentralrat. Ob es um religiöse Fragen, ob es um ein Hygiene- und Gesundheitskonzept ging oder darum, Masken und Desinfektionsmittel zu verteilen oder zu Pessach die Menschen mit Informationen und dem Notwendigsten zum Fest zu versorgen – es wurde alles getan, um gut durch die Krise zu kommen.

Zentralratspräsident Josef Schuster hat jetzt angekündigt, in den kommenden Jahren werde mit Ihnen die politische Arbeit und der Einsatz für die jüdischen Gemeinden ausgebaut. Was ist dabei zu erwarten?
Die Jüdischen Gemeinden sind das Rückgrat unserer Gemeinschaft. In Krisensituation wie der aktuellen Pandemie sehen wir, dass sich gerade die Schwächsten in unserer Gemeinschaft auf ihre Gemeinden verlassen können. Daher ist es uns wichtig, die jüdischen Gemeinden weiter zu stärken und attraktiver zu machen. Alle Angebote des Zentralrats sind darauf ausgerichtet, den Kontakt zu den Gemeinden zu festigen. Außerdem wollen wir unsere erfolgreiche politische Arbeit fortsetzen. Um nur ein paar Erfolge der jüngsten Zeit zu nennen: Das Strafrecht wurde verschärft, wonach antisemitische Beweggründe zu einer höheren Bestrafung führen können. Künftig steht die Verbrennung von Flaggen, und damit auch der israelischen Flagge, unter Strafe. Die Familienzusammenführung mit Angehörigen aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wurde vereinfacht. Der Bundestag hat in einem Beschluss die BDS-Bewegung missbilligt und klar als antisemitisch eingestuft. Und vor wenigen Wochen hat der Bundestag der Einrichtung einer jüdischen Militärseelsorge bei der Bundeswehr zugestimmt. Vieles wäre nicht so gekommen, wenn sich der Zentralrat nicht dafür eingesetzt hätte. Und das ist auch unsere Aufgabe in Zukunft: wachsam zu sein. Wir steuern auf ein Wahljahr zu. Daher werden der Kampf gegen Hate Speech und Fake News im Internet sowie das Zurückdrängen der AfD für uns eine zentrale Rolle spielen. Denn letztlich geht es nicht nur um die Zukunft der jüdischen Gemeinschaft, sondern der Demokratie insgesamt.

Mit dem Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland sprach Detlef David Kauschke.

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