Interview

»Die Neue Synagoge in Dessau-Roßlau ist offen für alle«

Gemeindechef Alexander Wassermann (r.) beim Richtfest für das Gebäude der künftigen Dessauer Synagoge (Februar 2021) Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Seit 1994 versammelt sich die jüdische Gemeinde in Dessau-Roßlau in einem kleinen Gebetsraum. Ein Synagogenneubau an dem Ort, an dem einst der Vorgängerbau stand, soll ab Frühjahr 2023 mit Veranstaltungen der Gemeinde und der Stadt Offenheit demonstrieren, sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dessau, Alexander Wassermann. Zeit für ein Gespräch.

Herr Wassermann, was bedeutet der Synagogenbau für Sie?
Er ist sehr wichtig, weil in Dessau 1938 die Synagoge zerstört wurde. Bis jetzt haben wir nur einen kleinen Gebetsraum. Für unsere Versammlungen und Veranstaltungen mussten wir einen Saal in der Georgenkirche oder anderswo mieten. Die Synagoge ist für uns ein Traum. Wir freuen uns auf den ersten Synagogenneubau in Sachsen-Anhalt nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die Errichtung der Synagoge zieht sich offenbar länger hin als ursprünglich geplant. Hat das auch mit gestiegenen Kosten zu tun und wann rechnen sie mit der Eröffnung?
Wir mussten die Eröffnung auf das nächste Jahr verschieben, wir hoffen auf Ende März, Anfang April. Die Synagoge hat circa 90 Plätze. Ursprünglich sollte sie 1,75 Millionen Euro kosten, aber Baumaterial wie Holz und Glas ist jetzt doppelt so teuer. Möglicherweise kostet der Bau jetzt an die drei Millionen Euro.

Was wird in der Synagoge stattfinden?
Wir sind eine jüdisch-orthodoxe Gemeinde mit circa 260 Mitgliedern. Der Rabbiner kommt aus Berlin. In der neuen Synagoge gibt es einen Saal mit Platz für 90 Personen für Veranstaltungen. Dort wird es auch Ausstellungen geben, die nicht nur von unseren Mitgliedern organisiert werden. Wir haben eine Vereinbarung mit der Stadt Dessau. Wenn sie den Saal brauchen, können sie ihn benutzen. Jeder kann kommen, wir sind keine geschlossene Organisation.

Wie hat sich der Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 auf das Leben der jüdischen Gemeinde in Dessau-Roßlau ausgewirkt?
Vor dem Anschlag von Halle hat unsere Gemeinde viele schlechte Briefe erhalten, auch mit Fotos von Adolf Hitler. Einmal hat jemand auch ein Hakenkreuz auf unsere Tür gemalt. Damals haben wir vergeblich an das sachsen-anhaltische Innenministerium geschrieben. Der Tag des Anschlags in Halle war ein schlimmer Tag, aber danach haben wir als Gemeinde Unterstützung von der Polizei bekommen. Jetzt steht ein Polizei-Container vor der Tür. Seit ein paar Jahren bekommen wir keine schlechten Briefe mehr. Früher waren es ein bis zwei pro Quartal, mit Sätzen wie »Wir kommen zurück« oder »Juden müssen Deutschland verlassen«. Ich habe den Behörden die Briefe gezeigt, aber erst nach dem Anschlag von Halle haben wir volle Unterstützung bekommen. Die Polizei beobachtet rund um die Uhr unser Gebäude, das ist gut.

Wie ist Ihr Verhältnis zur Stadt Dessau-Roßlau und zur Landesregierung von Sachsen-Anhalt?
Das Verhältnis zur Stadt ist sehr gut. Wir haben viel Hilfe erhalten, zum Beispiel ein kostenloses Grundstück. Auch zum Land haben wir gute Kontakte. Als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde habe ich vom Ministerpräsidenten das Bundesverdienstkreuz bekommen. Das ist gut für unsere Gemeinde.

In der Zeit der DDR gab es kaum jüdisches Leben in Dessau-Roßlau. Woher stammen die jetzigen Gemeindemitglieder?
Sie kommen zu 100 Prozent aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. 75 bis 80 Prozent stammen aus der Ukraine. Innerhalb von zwei Monaten sind 20 Menschen von dort zu uns gekommen, andere aus Russland, Weißrussland und Aserbaidschan. Ich selbst bin aus Usbekistan. Zum Einzugsgebiet unserer Gemeinde gehören auch Lutherstadt Wittenberg und Zerbst.

Tu beAw

»Es war Liebe auf den ersten Blick«

Barbara und Reinhard Schramm sind seit fast 60 Jahren verheiratet. Ein Gespräch über lange Ehen, Glück und Engagement

von Blanka Weber  20.08.2025

Geburtstag

Holocaust-Überlebende Renate Aris wird 90

Aris war lange stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Gemeinde Chemnitz und Präsidiumsmitglied des Landesverbandes Sachsen der Jüdischen Gemeinden. 1999 gründete sie den ersten jüdischen Frauenverein in den ostdeutschen Bundesländern

 20.08.2025

Ehrung

Ravensburger-Stiftung ehrt Bildungsstätte Anne Frank mit Preis

Es werde eine herausragende Bildungsinitiative gewürdigt, teilte die Stiftung mit

 20.08.2025

Würdigung

Ein echter Freund

Der ehemalige Zentralratspräsident Dieter Graumann hat viel bewirkt für das jüdische Leben in Deutschland. Nun ist er 75 geworden. Eine persönliche Gratulation von TV-Moderatorin Andrea Kiewel

von Andrea Kiewel  20.08.2025

Weimar

Akkordeon und Drums

Seit 25 Jahren veranstaltet der Komponist Alan Bern den Yiddish Summer – auch diesmal mit vielen Bands und Workshop

von Blanka Weber  19.08.2025

Trauma

Familienforschung

Im Jüdischen Museum München ist die Ausstellung »Die Dritte Generation« zu sehen

von Ellen Presser  19.08.2025

Projekt

Erhalten und sichtbar machen

Die ErinnerungsWerkstatt erforscht auf dem Neuen Israelitischen Friedhof jüdische Schicksale und bewahrt sie vor dem Vergessen

von Ellen Presser  18.08.2025

Münster

Wenn Musik tatsächlich verbindet

Wie ein Konzert die seit der Schoa getrennte Familie des berühmten Komponisten Alexander Olshanetsky wiedervereinte

von Alicia Rust  18.08.2025

Sachsen-Anhalt

Szenische Lesung zu jüdischer Familie Cohn in Wörlitz

Während der szenischen Lesung werde die Historie der beiden jüdischen Persönlichkeiten Moritz von Cohn und Julie von Cohn-Oppenheim mit einer Zeitreise ins 18., 19. und 20. Jahrhundert dargestellt

 18.08.2025